Wirtschaft & Handel

Das sogenannte Zwei-Konten-Modell wurde durch den Großen Senat des
Bundesfinanzhofes (GrS des BFH) einmal mehr abgesegnet. Mit ihm
können Zinsen für private Verbindlichkeiten in betriebliche Zinsen
transformiert werden, um eine geringere Steuerbelastung zu erreichen.
Diese Steuergestaltung, die Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre von
der Treuhand Hannover GmbH aus der Taufe gehoben wurde, fand nun
endgültig rechtmäßige Anerkennung.
Dahinter steckt allerdings eine leidvolle Geschichte, denn gleich mehrfach mußte die
Treuhand mit ihren betroffenen Mandanten vor das höchste deutsche Steuergericht
ziehen, um die Verlagerung privater Schuldzinsen in den betrieblichen Bereich
durchzusetzen.
Bis zum Jahr 1974 konnten alle Zinsen, ob privat oder betrieblich veranlaßt,
steuermindernd geltend gemacht werden. Damit war Schluß im Jahr 1974.
Schuldzinsen für private Kredite wurden nicht mehr berücksichtigt. Dies war die
Stunde der kreativen Steuerberater. Es galt, einen Weg zu finden, wie private
Schuldzinsen in den betrieblichen Bereich verlagert werden können, um auf diese
Weise eine Steuerminderung zu erreichen. Die Treuhand Hannover hatte hierzu das
sogenannte Zwei-Konten-Modell angeschoben.
Wie funktioniert das Zwei-Konten-Modell?
Beabsichtigt ein Mandant größere private Investitionen, nimmt er üblicherweise die
hierfür notwendigen Darlehen privat auf. Da er die Zinsen hierfür nun nicht mehr
steuermindernd geltend machen konnte, wurde überlegt, wie aus dem privaten ein
betrieblicher Kredit werden kann. Der Mandant richtete neben dem laufenden
betrieblichen Kontokorrentkonto ein weiteres Girokonto bei seiner Bank ein.
Rechtzeitig vor Fälligkeit des Kaufpreises für das Einfamilienhaus wurden die
betrieblichen Einnahmen auf das neu eingerichtete Konto umgeleitet. Sämtliche
liquiden betrieblichen Mittel wurden also auf dem zweiten Konto angesammelt.
Selbstverständlich mußten gleichzeitig die laufenden betrieblichen Aufwendungen
bezahlt werden. Sie wurden nunmehr ausschließlich vom schon bestehenden ersten
Konto beglichen, auf dem ein entsprechender Schuldsaldo entstand, da ihm keine
Einnahmen mehr zugeführt wurden. Der Kaufpreis für das Einfamilienhaus wurde nun
nicht mehr durch die Aufnahme eines Darlehns bezahlt, sondern durch die
betrieblichen Einnahmen, die auf dem zweiten Girokonto angesammelt worden
waren. Kurzum: Das Objekt wurde ohne jeglichen Kredit bezahlt. Schuldzinsen
fielen nicht an.
Für die Begleichung der laufenden betrieblichen Aufwendungen wurde aber nach
Abschluß der Maßnahme eine Kreditaufnahme notwendig. Die Umschuldung
beziehungsweise der Ausgleich des Girokontos erfolgte durch die Aufnahme eines
langfristigen Darlehns. Die Umschuldungsdarlehn wurden mit Hypotheken besichert,
die auf dem neu angeschafften Einfamilienhaus ruhten. Tatsächlich wurden diese
Darlehn also dazu verwendet, um das durch die betrieblichen Aufwendungen
aufgelaufene Schuldsaldo auszugleichen. Die laufenden Zinsen waren betrieblich
veranlaßt, die sowohl bei der Einkommensteuer als auch bei der Gewerbesteuer
steuermindernd berücksichtigt werden konnten. Dies hatte erhebliche
Steuerspareffekte zur Folge.
Damit konnte sich die Finanzverwaltung jedoch nicht anfreunden. Das
Steuersparmodell traf in der Praxis auf erheblichen Widerstand, obwohl der
Zusammenhang zwischen Darlehnsaufnahme und Begleichung betrieblicher
Aufwendungen unübersehbar war. Damals war die Finanzverwaltung nicht bereit,
das Steuersparmodell anzuerkennen. Schon Mitte der 80er Jahre ging die Treuhand
Hannover deshalb vor das oberste deutsche Steuergericht, den BFH. In diesem
Verfahren, das 1985 zum Abschluß gebracht wurde, billigte der BFH einem
Apotheker, der das beschriebene Steuersparmodell angewandt hatte, das Recht auf
die "Umschuldung" zu, da die langfristigen Darlehn tatsächlich zum Ausgleich der
betrieblich veranlaßten Schuldsaldos verwendet wurden.
Wer nun gemeint hatte, das Zwei-Konten-Modell sei durch die Entscheidung des
BFH abgesegnet worden, die Finanzverwaltung würde eine solche Vorgehensweise
akzeptieren, sah seine Hoffnungen enttäuscht. Sie ließ sich nicht eines besseren
belehren und ging weiterhin gegen das Steuersparmodell vor. In der Folgezeit kam
es deshalb zu weiteren Auseinandersetzungen vor den deutschen Finanzgerichten.
Auch die Treuhand Hannover stellte erstaunt fest, daß in ihrer Beratungspraxis die
Umsetzung des Modells immer wieder zu harten Auseinandersetzungen mit den
Finanzbehörden führte. Deshalb wurde erneut der Finanzrechtsweg beschritten, und
wiederum ging es durch alle Instanzen bis zum Großen Senat des BFH, da die
einzelnen Senate verschiedene Auffassungen vertraten.
Die Entscheidung des Großen Senats vom 8. Dezember 1997
Die Möglichkeit der Verlagerung von privaten Schuldzinsen in den betrieblichen
Bereich stieß bei allen Instanzen auf erhebliches Unbehagen. Die Treuhand konnte
sich jedoch vor dem Großen Senat mit der Argumentation durchsetzen, daß das
Zwei-Konten-Modell anzuerkennen sei. In seinem Urteil vom 8. Dezember 1997
stellten die Richter in Fortführung der Rechtsprechung aus dem Jahr 1990 folgendes
fest: Schuldzinsen, die für ein Darlehn gezahlt werden, mit dem ein betrieblicher
Schuldsaldo auf dem Kontokorrentkonto ausgeglichen wird, gehören zu den
Betriebsausgaben.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß dem Betrieb zuvor liquide Mittel
entzogen wurden, um eine private Investition zu finanzieren. Ausdrücklich billigte der
Große Senat dabei auch einen engen zeitlichen und betragsmäßigen Zusammenhang
zwischen Entnahmehandlung und privater Investition. Es komme lediglich darauf an,
wie die Mittel aus dem aufgenommenen Darlehn tatsächlich verwendet werden. Und
dies geschehe im Rahmen des Zwei-Konten-Modells für den Ausgleich des
aufgelaufenen Schuldsaldos zur Begleichung betrieblicher Aufwendungen. Es bestehe
also ein klarer und unwiderlegbarer Zusammenhang mit dem Betrieb. Die Zinsen
seien somit steuermindernd zu berücksichtigen.
Jedem Unternehmer steht es frei, ob er seinen Betrieb mit Eigenkapital oder mit
Fremdkapital ausstattet. Diese Freiheit ist systembedingt. Gegen eine Ausnutzung
dieser Freiheit können keine verfassungsrechtlichen Bedenken geltend gemacht
werden. Wenn sich der Unternehmer gezwungen sieht, aufgrund privater
Investitionen seine betrieblichen Aufwendungen durch einen Kredit zu begleichen,
dann ist das auch steuerrechtlich zu akzeptieren. Die Zinsen für den betrieblichen
Kredit sind als Betriebsausgaben steuermindernd abzugsfähig.
Folgerungen für die Praxis
Der Große Senat des BFH hat nunmehr folgende Gestaltung ohne jegliche
Einschränkung akzeptiert: Der Apotheker sammelt auf einem gesonderten Girokonto
seine betrieblichen Einnahmen an. Gleichzeitig bestreitet er seine laufenden
betrieblichen Aufwendung von einem zweiten betrieblichen Girokonto. Er kann die
auf dem Einnahmekonto gesammelten Gelder für die Bezahlung einer privaten
Investition verwenden. Zugleich kann er ein Darlehn aufnehmen, um die betrieblichen
Aufwendungen zu begleichen. Die dafür zu zahlenden Zinsen sind Betriebsausgaben,
die steuermindernd berücksichtigt werden. Ohne Belang ist, wenn zwischen der
privaten Investition sowohl betragsmäßig als auch zeitlich ein enger Zusammenhang
besteht. Hieran kann die Finanzverwaltung keine Kritik mehr üben. Vielmehr muß
sie die Zinsaufwendungen trotz des offensichtlichen Zusammenhangs anerkennen.
Bezüglich des Zwei-Konten-Modells sollte nunmehr endgültig Rechtssicherheit
bestehen. Nach unserer Einschätzung läßt der neue Beschluß keinen Spielraum für
die Finanzverwaltung zu. Sie muß die Entscheidung des Großen Senats vorbehaltlos
anerkennen, da sie aufgrund der Verfassung sowohl an das Gesetz als auch an die
Entscheidungen der rechtsprechenden Gewalt gebunden ist.
PZ-Artikel von Reinhard Garbe, Hannover


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