Novartis hat Appetit auf Roche |
27.01.2003 00:00 Uhr |
von Thomas Bellartz, Zürich
Es ist das schweizerische Understatement, das manch gestandenem Finanzjournalisten die Tränen in die Augen treibt. Erst auf Seite 14 des jüngsten Geschäftsberichts macht Novartis klar: Wir wollen Roche. Nur über das Wie hüllt sich der schweizerische Pharmakonzern in Schweigen.
In der Schweiz ist die Welt noch in Ordnung. Diesen Anschein vermittelte auf der Bilanzpressekonferenz seines Unternehmens in Zürich der Novartis-CEO Daniel Vasella. Der smarte Manager, seit kurzem Chef des Welt-Pharmaverbandes, jagt sich selbst Jahr für Jahr den selbst aufgestellten Ergebnis-Rekord ab. Gleichzeitig zückt er spielerisch und unerwartet immer wieder ein neues Ass aus dem Ärmel.
Novartis hat im vergangenen Jahr, trotz eines insgesamt leicht verlangsamten Wachstums wieder ein Rekordergebnis erzielt. Mit 7,3 Millionen Franken wurde der Konzern für seine konsequente Strategie belohnt. Und nicht absehbar ist eine drastische Verschlechterung der Lage. Die Forschungspipeline der Schweizer ist mehr als nur gut gefüllt. In allen Konzernbereichen scheint ausreichend Grund für Jubel, Trubel, Heiterkeit vorhanden.
Während die Analysten aufhorchten und nachdenklich im Geschäftsbericht blätterten, dämmerte dem ein oder anderen allerdings die echte Nachrichte des Tages. Novartis macht mehr Druck auf den Konkurrenten Hoffmann-La Roche und stockt seine Beteiligung an dem Basler Nachbarn von 21,3 auf 32,7 Prozent auf.
Sparsame Informationen
Trotz der von langer Hand vorbereiteten Aktion will man bei Novartis allerdings nichts von einem weitergehenden Engagement wissen. Genauso wenig, wie sich Vasella schon vor einem Jahr bei der Vorstellung der Zahlen für 2001 zu Diskussionen rund um eine Novartis-Roche-Romanze hinreißen ließ, mochte er über ein weiteres Vorgehen auch in diesem Jahr nichts verraten. Vasella, der zwar als charmanter Gesprächspartner und ungleich harter Stratege bekannt ist, sagte am vergangenen Donnerstag in Zürich: „Wir sind nicht unter Druck. Wir sind Investoren, die langfristig denken.“ Dass Vasella damit durchaus ernst meint, zeigt die kühle Berechnung des Engagements. Mit den 32,7 Prozent stimmberechtigter Anteile der Roche Holding AG steht Novartis kurz vor der Sperrminorität von 33,3 Prozent. Und da Roche den Zusammenschluss der beiden bedeutenden Pharmakonzerne bislang kategorisch ablehnte, müsste Novartis den übrigen Anteilseignern ein Angebot vorlegen. Doch Vasella will sich nicht in die Karten schauen lassen.
Solide Basis
Der Umsatz des weltweit tätigen Novartis-Konzerns stieg im vergangenen Jahr um 11 Prozent auf 32,4 Milliarden Franken (22,1 Milliarden Euro) in lokalen Währungen. Dazu trugen vor allem die Sparten Medikamente und Generika bei, die weit stärker als der Branchendurchschnitt zulegten. Der anhaltend starke Schweizer Franken wirkte sich auf die Rechnung negativ aus und drückte das Umsatzplus auf 2 Prozent. Bemerkbar machten sich auch die niedrigeren Finanzerträge auf Grund der Markteinbrüche.
Der Reingewinn legte um 4 Prozent auf 7,3 Milliarden Franken zu. Die operative Marge erhöhte sich um 1,3 Punkte auf 24,3 Prozent. „Unsere Bilanz ist solide“, betonte Vasella. Die Aktien von Novartis stieg als Reaktion auf die Bilanzpressekonferenz bis zum Donnerstagmittag in Zürich um 0,6 Prozent auf 50,20 Franken.
Für das laufende Jahr sieht Vasella auch dank überproportionaler Investitionen in die Forschung den Konzern gut gerüstet. Neue Wirkstoffe stünden kurz vor der Markteinführung. Beim Umsatz rechnet er mit „hohen einstelligen oder tiefen zweistelligen Zuwachsraten“. Operatives Ergebnis und Reingewinn sollen, soweit keine unvorhergesehenen Ereignisse eintreten, höher liegen als im vergangenen Jahr.
Wachstumsmotor war 2002 erneut die Pharma-Sparte, die zwei Drittel des Umsatzes ausmacht. Schwerpunkte sind Herz-Kreislauf- und Krebsmedikamente. Dabei richtet sich Novartis immer mehr auf den amerikanischen Markt aus, auf dem bereits 43 Prozent des Medikamenten-Umsatzes mit überdurchschnittlichen Zuwachsraten abgewickelt werden. Das Forschungszentrum bei Boston (US-Bundesstaat Massachusetts) wird stark ausgebaut.
Generika unter „Sandoz“
Daneben setzt Novartis zunehmend auf Generika, die künftig unter dem
Traditionsnamen „Sandoz“ vermarktet werden sollen. Sandoz und Ciba-Geigy
hatten sich vor sechs Jahren zu Novartis zusammengeschlossen. Die beiden
deutschen Töchter Azupharma, Gerlingen, und BC Biochemie Pharma, Ismaning,
werden unter dem Namen Sandoz Deutschland zusammengeführt. Geschäftsführer
wird Gerhard Hörl, der bisher das europäische Fertigproduktgeschäft von
Novartis Generics leitete. Die Unternehmenszentrale solle im Raum München
angesiedelt werden, teilte die Novartis Deutschland GmbH am Dienstag in
Nürnberg mit. Zur weiteren Expansion vor allem in Osteuropa soll der 2001
erworbene slowenische Generika-Hersteller Lek beitragen.
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