Wachstumssegment Biotechnologie |
08.01.2001 00:00 Uhr |
Kaum eine andere Branche regt die Fantasie der Anleger derzeit so sehr an wie die Biotechnologie. Während an der "Börse der Wachstumswerte" die Kurse in diesem Jahr insgesamt um mehr als 40 Prozent abstürzten, legten die Biotechwerte - trotz mancher Rückschläge in jüngster Zeit - im Schnitt um 70 Prozent zu.
Wissenschaftliche Erfolge bei der Entschlüsselung des Erbguts und Schlagzeilen über Klonversuche und Seuchen wie BSE heizen das Interesse der Anleger an. Bei hohem Anlagerisiko locken jedoch enorme Chancen.
"Die Biotechnologie besitzt erhebliches Wachstumspotenzial", glauben die Analysten der Deutschen Bank. Bis 2010 könnte der weltweite Absatz biotechnologischer Produkte von 30 Milliarden Euro (1999) auf knapp 200 Milliarden Euro steigen. Auch der Umsatz der deutschen Branche dürfte sich vervielfachen.
Der Wandel in der Pharmaindustrie ist nach Einschätzung der Deutschen Bank so grundlegend, dass die Biotechnologie fast zwangsläufig davon profitieren wird. In Deutschland sind 80 bis 90 Prozent aller Biotechunternehmen im Bereich Pharma und Medizintechnik tätig: Von 30 000 bekannten Krankheiten können erst 10 000 adäquat behandelt werden. Mit Erbgutforschung, Gentherapie, Bioinformatik, Reparatur beschädigten Gewebes und molekulargenetischer Diagnostik könne dieses Potenzial erschlossen werden, glauben Branchenkenner.
Die deutsche Biotechbranche nimmt in der Welt hinter den USA und Großbritannien den dritten Rang ein, holt aber auf. 1999 wurden die Briten bei der Zahl der Unternehmen überholt. Bei Patentanmeldungen für biotechnologische Arzneimittel wurde Deutschland 1999 mit 176 nur von den USA mit 660 Anmeldungen übertroffen. Gemessen an Umsatz, Marktkapitalisierung und Mitarbeiter pro Unternehmen liegt Deutschland aber weiter deutlich hinter Großbritannien und den USA. In den USA erreicht die Marktkapitalisierung der etwa 350 börsennotierten Firmen 350 Milliarden Euro. Im Vergleich dazu nimmt sich die Gesamtkapitalisierung des europäischen Biotechsektors mit knapp 40 Milliarden Euro bescheiden aus. Allerdings erzielen selbst in den USA nur zehn börsennotierte Firmen bisher Gewinne.
In Deutschland sind mit Qiagen und CyBio zwei Biotechnologieunternehmen am Neuen Markt im engeren Sinne in der Gewinnzone. Hier zu Lande gibt es aber vor allem Dienstleister für die Arzneihersteller. Darunter fallen Technikplattform-Lieferanten, wie MorphoSys und Evotec, oder Bioinformatiker, wie Lion Bioscience. In den USA konnten sich dagegen Biotechfirmen, wie Amgen oder Biogen, bereits neben den großen Pharma-Unternehmen etablieren.
Als reinrassiger Medikamentenhersteller am Neuen Markt firmiert nur MediGene. Die Hersteller der innovativen Medikamente bieten besonders große Chancen für spekulative Anleger. Allerdings ist auch die Gefahr größer, dass nach hohen Investitionen in Forschung, klinische Studien und Tests am Patienten Rückschläge zum jähen Absturz der Aktie führen. Darin sind sich Branchenkenner einig. Die Entwicklung eines Medikaments dauert im Schnitt zehn Jahre und kostet 500 Millionen DM.
Um das Investitionsrisiko zu minimieren, raten manche Experten den Anlegern in
Anspielung auf den Goldrausch in den USA zu Mitte des 19. Jahrhunderts, eher auf
Unternehmen zu setzen, die "Hacke und Schaufel" für die Biotechnologie
anbieten. Nicht zuletzt deshalb hat ein solcher Diensteanbieter - Qiagen - die höchste
Marktkapitalisierung aller Biotechunternehmen.
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