Wo Waisen der Medizin Unterstützung finden |
Etwa 80 Prozent der seltenen Erkrankungen sind genetisch (mit)bedingt. Viele zeigen sich schon im Kindesalter. / Foto: Getty Images/Geber86
Gilt dieser Versorgungsatlas als »Kompass im Dschungel der Informationen«, so stellt die Plattform www.se-atlas.de unter Leitung der Medical Informatics Group (MIG) am Universitätsklinikum Frankfurt kostenlos fundierte Informationen für Waisen in der Medizin zur Verfügung. Unterstützungs- und Versorgungsmöglichkeiten für Menschen mit seltenen Erkrankungen in Deutschland werden sowohl in einer interaktiven Kartenansicht visualisiert als auch in Form einer Auflistung dargestellt.
»Expertise und Therapien für Menschen mit seltenen Krankheiten sind rar. Der Leidensdruck für Betroffene und deren Angehörige, die Einrichtung zu finden, die wirklich weiterhelfen kann, ist groß«, so Dr. Holger Storf, Leiter des se-atlas-Teams. »Da immer mehr Nutzer über Smartphones auf den se-atlas zugreifen, haben wir die Website umfassend angepasst und aktualisiert. Wir freuen uns über jeden, der mit unserer Assistenz zu einer passenden Therapie gelangt.«
Wer hilft mir im Umgang mit meiner seltenen Erkrankung? Wo finde ich Ansprechpartner und Expertinnen? Welche Einrichtung kann mich adäquat behandeln? Was tue ich, wenn ich mich krank fühle, aber trotz langer Odysseen durch Arztpraxen und Kliniken ohne Diagnose und medizinischen Beistand bin? Das sind Fragen, die sich Betroffene häufig stellen.
Ob im Norden, Süden, Osten oder Westen der Bundesrepublik, ob definierte oder unklare Diagnose: Unter www.se-atlas.de finden sich nicht nur die Adressen der in Deutschland führen Zentren für seltene Erkrankungen. Es werden auch weiterführende Links zu Informationsportalen wie ZIPSE (Zentrales Informationsportal über seltene Erkrankungen) oder Orphanet (Portal für seltene Krankheiten und Orphan Drugs) sowie zu Initiativen und Dachverbänden von Selbsthilfeorganisationen wie ACHSE (Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen) oder NAMSE (Nationales Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen) aufgezeigt.
Suchen nicht nur Patienten, sondern oft auch Ärzte und Therapeuten Rat im Umgang mit seltenen Erkrankungen, so können auch diese hier fündig werden. Für Pharmazeuten besonders interessant ist die Datenbank von Orphanet. Ausführliche Wirkstoffprofile der in Deutschland auf dem Markt verfügbaren Orphan Drugs finden Apotheker darüber hinaus in unserer PZ-eigenen Datenbank Arzneistoffe. Denn auch Apotheken werden oft zu Experten für bestimmte seltene Erkrankungen, wenn sie entsprechende Patienten betreuen und diese beispielsweise maßgeschneiderte Rezepturen herstellen.
In der Europäischen Union gilt eine Erkrankung als selten, wenn EU-weit nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Derzeit werden etwa mehr als 8000 Erkrankungen als selten eingestuft. Schätzungen zufolge sind in Deutschland etwa vier Millionen Frauen, Männer und Kinder betroffen. In der gesamten Europäischen Union sind es circa 30, weltweit 300 Millionen Menschen.
Ob Adrenoleukodystrophie, Stiff-Man-Syndrom oder Xeroderma pigmentosum: Seltene Erkrankungen bilden eine sehr heterogene Gruppe von zumeist komplexen Krankheitsbildern. Ihnen allen ist gemein, dass sie meist chronisch verlaufen, mit Invalidität und/oder eingeschränkter Lebenserwartung einhergehen und häufig bereits in frühen Lebensjahren zu schweren Symptomen führen. Etwa 80 Prozent der seltenen Erkrankungen sind genetisch (mit)bedingt. Allein in Deutschland sterben jährlich mehr als 2.000 Kinder an den Folgen ihrer Erkrankung, weil die Medizin noch machtlos ist.
Der internationale Tag der seltenen Erkrankungen wurde 2008 von Eurordis – Rare Disease Europe als gemeinnützige Allianz von 956 Patientenorganisationen für seltene Erkrankungen in 73 Ländern ins Leben gerufen. Ziel ist es, Wissen über seltene Erkrankungen zu vermitteln und betroffenen Menschen mehr Gehör zu geben. Ganz bewusst wurde dafür der seltenste Tag des Jahres, der 29. Februar, gewählt. In Jahren ohne Schalttag fällt der Tag der seltenen Erkrankungen ersatzweise auf den 28. Februar.