Wirksam auch bei Durchbruchinfektionen |
Theo Dingermann |
22.08.2022 12:28 Uhr |
Auch wer geimpft ist, kann sich mit SARS-CoV-2 infizieren. In diesem Fall hilft die Einnahme von Nirmatrelvir/Ritonavir (Paxlovid®). / Foto: Getty Images/Olga Siletskaya
Wie gut die Nirmatrelvir plus Ritonavir (Paxlovid®) die Krankheitslast von geimpften Patienten nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 reduziert, war bisher nicht systematisch untersucht. Diese Evidenzlücke schließen nun Dr. Sarju Ganatra von der Division of Cardiovascular Medicine am Lahey Hospital and Medical Center, Beth Israel Lahey Health, Burlington und Kollegen in einer Arbeit im Fachjournal »Clinical Infectious Diseases«. Darin zeigen sie, dass auch geimpfte Patienten sehr gut von einer Therapie mit Paxlovid profitieren, wenn sie das Medikament früh nach einer Durchbruchinfektion einnehmen.
Die Autoren führten ihre vergleichende retrospektive Kohortenstudie im Rahmen des TriNetX-Forschungsnetzwerks durch. Hier sind anonymisierte Daten aus elektronischen Gesundheitsakten (EHR) von mehr als 88 Millionen Patienten aus 59 Gesundheitseinrichtungen gespeichert.
Für die Studie wurden Patienten im Alter von mindestens 18 Jahren ausgewählt, die zwischen dem 1. Dezember 2021 und dem 18. April 2022 geimpft worden waren und anschließend an Covid-19 erkrankten. In der Verumkohorte hatten die Patienten ausschließlich Paxlovid innerhalb von fünf Tagen nach der Diagnose erhalten. Die Verum- und Kontrollkohorten wurden mithilfe eines Propensity Score Matchings (PSM) abgeglichen.
Der primäre zusammengesetzte Endpunkt war ein Besuch in der Notaufnahme, ein Krankenhausaufenthalt oder der Tod während einer 30-tägigen Nachbeobachtungszeit. Zu den sekundären Ergebnissen gehörten einzelne Komponenten des primären Endpunkts, multisystemische Symptome, mit Covid-19 verbundene Komplikationen und die Inanspruchnahme diagnostischer Tests. Die primären und sekundären Ergebnisse wurden 30 Tage nach der Indexdiagnose von Covid-19 in der Kontrollkohorte oder nach Beginn der Paxlovid-Behandlung in der Behandlungskohorte ermittelt.
Während des Studienzeitraums konnten in dem zur Verfügung stehenden Datensatz insgesamt 111.588 nicht hospitalisierte, geimpfte Patienten mit einer SARS-CoV-2 Durchbruchinfektion ermittelt werden. Von diesen waren nur 1131 innerhalb von fünf Tagen nach der Diagnose mit Paxlovid behandelt worden. Nach dem Propensity Score Matching verblieben 1130 Patienten in der Verumkohorte der Studie.
Innerhalb von 30 Tagen nach Beginn der Paxlovid-Therapie, mussten 89 Patienten (7,87 Prozent) eine Notfallambulanz aufsuchen, stationär behandelt werden oder waren innerhalb von 30 Tagen verstorben (Kriterien des primären Endpunkts). Demgegenüber erfüllten 163 Patienten der Kontrollkohorte die Kriterien des primären Endpunkts (14,4 Prozent). Das entspricht einer relativen Risikoreduktion durch eine Paxlovid-Therapie für diesen zusammengesetzten Endpunkt von 45 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit eines ereignisfreien Überlebens nach 30 Tagen lag bei den therapierten Patienten bei 88,15 Prozent gegenüber 84,16 Prozent bei den Patienten in der Kontrollkohorte.
Zudem lag die Zahl der Notaufnahmen mit 82 in der Therapiegruppe deutlich niedriger als in der Kontrollgruppe mit 142. Ähnlich verhielt es sich bei den stationären Behandlungen: In der Verumgruppe mussten 10 und in der Kontrollgruppe 23 Patienten stationär behandelt werden. In der Studienpopulation wurden während der Studiendauer zehn Todesfälle registriert, die alle in der Kontrollkohorte auftraten. Auch wurden bei den therapierten Patienten weniger konstitutionelle, kardiorespiratorische, gastrointestinale, nervöse und muskuloskelettale Symptome diagnostiziert.
Keine signifikanten Unterschiede zwischen Patienten in der Verum- und Kontrollkohorte wurden bei den Geruchs- und Geschmacksveränderungen festgestellt. Dies galt auch für Auftreten von Gastroenteritis, Kolitis oder Durchfall. Dagegen waren systemische Komplikationen wie Infektionen der unteren Atemwege, Herzrhythmusstörungen und Angstzustände/Stimmungsstörungen in der Verumgruppe seltener als in der Kontrollgruppe.
Die Autoren sprechen auch das Problem eines sogenannten Rebounds nach einer Paxlovid-Therapie an, der zwar in der Zulassungsstudie kaum beobachtet wurde, in der Praxis aber relativ häufig aufzutreten scheint. Allerdings wurde dieses Phänomen auch in dieser Studie nur selten beobachtet oder beschrieben, sodass verlässliche Aussagen nicht möglich sind.
Zusammenfassend ist dies eine aktuelle Studie, die zeigt, wie nützlich eine Behandlung mit Paxlovid auch bei einer Durchbruchinfektion ist. Die derzeit sehr zurückhaltende Verordnungspraxis scheint somit nicht begründet zu sein.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.