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Lieferengpässe

Wirken Lauterbachs Maßnahmen in den Apotheken?

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat dafür gesorgt, dass Kinderarzneimittel-Rezepturen von der Wirtschaftlichkeitsprüfung ausgeschlossen sind. Aber sind die Rezepturen in den Apotheken seitdem tatsächlich angestiegen? Die PZ hat sich umgehört. Klar wird sofort: Die Apotheker fordern mehr Entscheidungshoheit bei den Versorgungsformen.
AutorKontaktMelanie Höhn
Datum 13.01.2023  11:00 Uhr

Um die Versorgungslage bei Fiebersäften und Antibiotika für Kinder zu verbessern, hatte Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) vor Weihnachten die Krankenkassen und die Kassenärzte gebeten, Rezeptur-Verordnungen von Kinderarzneimittel-Rezepturen von der Wirtschaftlichkeitsprüfung auszuschließen. Die Verbände folgten der Bitte von Lauterbach – seit einigen Wochen sollen die Kosten der Rezeptur-Verordnungen bei den Prüfungen nicht mehr berücksichtigt werden. 

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) erhoffte sich dadurch einen unmittelbaren Anstieg der Rezeptur-Verordnungen und somit auch der Herstellungen in Apotheken. Auf Twitter hatte Lauterbach stolz verkündet, dass Apotheken inzwischen mehr selbst herstellen. Doch ist das wirklich so? Die PZ hat sich dazu in einigen Regionen umgehört.

Bayern geht von einer Zunahme bei Rezepturen aus

In Bayern geht man davon aus, dass die Maßnahmen eine gewisse Wirkung entfaltet haben: »Ob mehr Verordnungen über Rezepturen bei den Apotheken ankommen, kann unsererseits nicht eindeutig beantwortet werden«, sagte ein Sprecher des Bayerischen Apothekerverbands (BAV) auf Nachfrage der PZ. »Lediglich auf Grund der beim BAV eingehenden Anfragen kann von einer Zunahme ausgegangen werden.«

Zambo: Maßnahmen führen eher zu Mehrarbeit

Die Präsidentin des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg Tatjana Zambo erklärte, dass viele Apotheken bereits im Dezember mit der Herstellung entsprechender Arzneimittel begonnen hätten, es aber keine validen Informationen zur Anzahl der herstellenden Apotheken oder zur Menge der hergestellten Rezepturen gebe. Ihrer Meinung nach werde mit dieser Regelung die Wirtschaftlichkeit der Versorgung im ärztlichen Bereich bei der Rezeptur-Verordnung angegangen, nicht aber die Lieferengpässe als solche. »Insofern wird nur der wirtschaftliche Druck für die Verordner:innen abgemildert« sagte sie auf Nachfrage der PZ. »An der desolaten Situation der Lieferengpässe wird sich durch diese Maßnahme deshalb nichts ändern. Im Gegenteil: Ein Mehr an Rezeptur-Verordnung wird in den Apotheken über das ohnehin schon unerträgliche Management der Lieferengpässe hinaus zu Mehrarbeit führen. Die von uns geforderte und notwendige, kurzfristig umzusetzende Anhebung der apothekerlichen Honorierung für diese Leistungen sucht man im Maßnahmenplan des BMG genauso vergeblich wie die Abmilderung von Retaxationsrisiken, die Verbesserung von Importregelungen, die Erleichterung von Abgaberegeln oder die denk- und machbare temporäre Aussetzung der Rabattverträge.«

Nordrhein: Kinderärzte haben noch immer Regressangst

Laut Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein, ist der Vorschlag des Gesundheitsministers bei vielen Kinderärzten noch nicht angekommen. Deshalb geht er nicht von einer Steigerung der Rezepturen aus. »Es ist vielmehr festzustellen, dass es Kinderärzte sogar vermehrt aus Angst vor Regressen und Wirtschaftlichkeitsprüfungen ablehnen, Rezepturen zu verordnen und so müssen die Eltern diese Rezepte selber zahlen«, sagte Preis auf Nachfrage der PZ. Er plädiert dafür, dass Apotheken bis auf Weiteres kein neues Rezept bei der Ärzteschaft anfordern müssen, um eine Fertigarzneimittelverordnung in eine Rezeptur zu verändern. Denn ohne ein neues Rezept und Rücksprache mit der Arztpraxis könnten Apotheken nicht ohne Weiteres eine Rezeptur abgeben. Dennoch geht der Vorschlag von Lauterbach laut Preis in die richtige Richtung.

Denn auch wenn die Übernahme der Kosten für Rezepturen für die kleinen Patienten durch die Krankenkassen gewährleistet ist, wäre es wichtig in dieser schwierigen Versorgungssituation, dass Apotheken ohne ein neu ausgestelltes Rezeptur-Rezept eine Rezeptur abgeben können, forderte er. »Das ist im Notdienst oder wenn Arztpraxen geschlossen sind, auch die pragmatischste Lösung«, sagte Preis.

Doch wie ist die Lage in anderen Bundesländern? Eine Sprecherin des Apothekerverbands Westfalen-Lippe schilderte, dass die Apotheken mehrheitlich keine Steigerung bei den Verordnungen verzeichnen und auch nicht mehr Rezepturen herstellen. 

Saarland: Gemischte Gemengelage

Von einer gemischten Gemengelage berichtete Carsten Wohlfeil, Geschäftsführer der Apothekerkammer Saarland. Generell sei die Ausstellung von Rezeptur-Rezepten abhängig von der Ansprache der Ärzte durch die Apotheken: »Wenn die Apotheken aktiv auf die Ärzte zugehen und sagen, dass sie keine Fertigarzneimittel mehr haben und um Rezepturen bitten, dann kommen dem auch viele Ärzte nach«, sagte Wohlfeil auf Nachfrage der PZ. Generell seien durchaus immer mehr Ärzte bereit, Rezeptur-Arzneimittel zu verordnen und es gebe weniger Ängste vor Regressen. Dennoch könne dem Arzt diese Angst nur genommen werden, indem entsprechend aufgeklärt werde. Des Weiteren erklärte Wohlfeil: »Wenn es die Möglichkeit gibt, dass Rezeptur-Kinderarzneimittel aus der Wirtschaftlichkeitsprüfung herausgenommen werden, wird das sicher auch ein Ergebnis zeigen. Dennoch müssen aber in den Apotheken Ausgangsstoffe, Fläschchen oder Klebeetiketten vorhanden sein. Das steht dann wieder auf einem anderen Blatt Papier«. 

Wohlfeil jedenfalls wünscht sich, dass die Ärzte Wirkstoffverordnungen ausstellen und dann die Apothekerschaft frei wählen kann, »in Abhängigkeit der Verfügbarkeit, ob ein Fertigarzneimittel ausgegeben oder eine Rezeptur hergestellt wird«, so Wohlfeil. »Das wäre der Idealfall und das müssen natürlich die Kassen akzeptieren. Generell wird die Flexibilität der Versorgung ein sehr großes Thema in Zukunft sein. Heute reden wir über Fiebersäfte, morgen dann über Antibiotika.«

Aussetzung der Festbeträge für drei Monate

Eine weitere Maßnahme von Bundesgesundheitsminister Lauterbach zur Entschärfung der angespannten Lage bei Kindermedikamenten wie Fiebersaft und Zäpfchen war es, die Festbeträge für bestimmte Medikamente mit den Wirkstoffen Ibuprofen und Paracetamol sowie für Antibiotika ab dem 1. Februar 2023 für drei Monate auszusetzen. Laut Thomas Preis werde dies keine wesentlichen Auswirkungen bei der Beseitigung der Engpässe haben. »Die Hersteller können nicht von jetzt auf gleich neue Produktionschargen produzieren. Der Vorlauf bei der pharmazeutischen Industrie ist nach unserer Kenntnis mindestens 9, eher 12 Monate. Deshalb wird eine Auswirkung wahrscheinlich erst zur nächsten Wintersaison zu erwarten sein«, sagte er. Preis mahnte aber, wenn in drei Monaten die Aussetzung der Festbeträge dann auslaufe, könnten die Preise wieder sinken und die Apotheker würden auf den Lagerwertverlusten sitzen bleiben.

Laut Carsten Wohlfeil können die über Jahre hinweg vorgenommenen Einsparungen nicht innerhalb von drei Monaten, indem die Festbeträge gestrichen werden, geheilt werden. »Es wird sich eine Entspannung zeigen, weil wahrscheinlich die Erkältungswelle zu Ende geht, das hat aber dann meiner Meinung nach nichts mit den Festbeträgen zu tun«, sagte er. Auch eine Sprecherin des Apothekerverbands Westfalen-Lippe erklärte, dass sich die Apotheken von der temporären Streichung der Festbeträge wenig versprechen. »Aufgrund einer zeitlich befristeten Streichung der Festbeträge wird die Industrie nicht mehr produzieren können. Möglicherweise wird es attraktiver, mehr Fiebersäfte nach Deutschland  zu liefern? In jedem Fall besteht dieser Anreiz nur vorübergehend und wird erst dann wirksam, wenn die Erkältungssaison schon fast wieder vorbei ist«, so die Sprecherin weiter. 

Tatjana Zambo ist der Ansicht, dass der Erstattungsbetrag für die Apotheken angesichts der Lieferengpässe von eher untergeordneter Bedeutung ist. Für die Apotheken gelte: Auch Ware, die preislich oberhalb der noch geltenden Festbeträge angesiedelt ist, sei derzeit schwer oder gar nicht zu bekommen. »Die temporäre Aussetzung der Festbeträge ermöglicht es nun den Herstellern, höhere Margen für die betroffenen Artikel zu erwirtschaften, was gegebenenfalls den deutschen Markt für die Hersteller dieser Produkte (wieder) attraktiver macht. Wie hoch diese Attraktivität tatsächlich und auch angesichts der zeitlichen Befristung dieser Maßnahme ist, ist aus der Perspektive der Apotheke schwer zu beurteilen«, sagte sie. »Es wird abzuwarten bleiben, wie die herstellende Industrie dies einschätzt und ob sie angesichts dieser Maßnahme mehr Ware in den deutschen Markt bringen kann und wird. Bei der Beurteilung der Attraktivität dieser Maßnahme spielt aus Sicht der Hersteller sicher auch die zeitliche Befristung und damit die Perspektive eine gewichtige Rolle. Eine sehr zügige Verbesserung der tagtäglich zu bewältigen Situation in den öffentlichen Apotheken und der Versorgungslage insgesamt können wir angesichts dieser Maßnahmen nicht prognostizieren.«

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