»Wir wollen liefern, aber nicht ausgeliefert sein« |
Daniela Hüttemann |
31.03.2022 10:30 Uhr |
Kammerpräsidentin Cathrin Burs ist es wichtig, alle Apothekerinnen und Apotheker mitzunehmen und das Kernziel, eine patientenorientierte, persönliche Arzneimittelversorgung, geschlossen zu vertreten. / Foto: PZ/Daniela Hüttemann
Zum digitalen Wandel gehört auch, dass immer mehr Fremdanbieter – Großkonzerne wie Start-ups – in den Apothekenmarkt drängen. Apothekenlieferdienste beispielsweise versprechen Expresslieferungen von der Apotheke zum Patienten in Minutenschnelle . Aber: »Denen geht es nicht um Versorgung, nein, es geht darum, etwas vom Kuchen abhaben zu wollen«, ist sich Kammerpräsidentin Burs sicher. Die Angebote orientierten sich vielmehr an der Bequemlichkeit als an der Bedürftigkeit der Patienten.
Auch angesichts angespannter Personaldecke in den meisten Apotheken warnte sie eindringlich davor, apothekentypische Leistungen wie den Botendienst mit persönlicher pharmazeutischer Beratung aus der Hand zu geben. »Bei unserem Leistungsvermögen werden wir es nicht zulassen, dass unsere Kernleistungen abgegriffen werden. Der Markenkern Apotheke wird ausgehöhlt, bringt der Lieferdienst die Arzneimittel und berät die freundliche Stimme im Callcenter die Patienten«, so Burs in aller Deutlichkeit.
Es dürfe eben nicht alles im Sinne der Convenience sein. Sie stellte die Sinnhaftigkeit des neuen Geschäftsmodells infrage, deren Fahrer derzeit nur in großen Städten wie Berlin, Hamburg oder München unterwegs seien und wohl auch vereinzelt bereits in Hannover demnächst am Start seien. »Aber haben Sie schon einmal einen gegen den Nordseewind oder im Harz strampeln sehen?«, so Burs, also dort, wo die Wege wirklich weit und unbequem sind. »Die Randgebiete und ländliche Regionen mit schlechter Infrastruktur werden nicht bedient, eben weil die Rechnung hier nicht aufgeht.«
In Anlehnung an ein Zitat des Mayd-Mitgründers Hanno Heintzenberg, der eine »Superpräsizionslieferung« verspreche, sieht die Kammerpräsidentin eher eine »Superrosinenpickerei«. Dabei beteuerten die Unternehmen im Moment noch, als echte Partner und nicht in Konkurrenz mit den Apotheken vor Ort zu handeln. Burs hält dies für fragwürdig, wenn man Gerüchten über Geldgeber wie Facebook und AirBnB höre oder wenn Lieferdienste Schnittstellen zu Telemedizin-Anbietern schafften. Auch glaube sie nicht an die vollmundig versprochenen fairen Konditionen sowohl für die teilnehmenden Apotheken als auch die Fahrer. Sie erinnert daran, was Medienrecherchen immer wieder über die Konditionen bekannter Lieferdienste aus dem Lebensmittelbereich ans Licht bringen.
»Ich habe da so ein ungutes Gefühl«, äußert sich Burs. »So viel Fairness wurde uns lange nicht versprochen, da habe ich die Assoziation des verlockend roten Apfels für Schneewittchen, der nicht Hilfe, sondern Unheil bringen soll.« Ein kritisches Bewusstsein sei auf jeden Fall angezeigt. »Wir wollen zwar liefern, aber am Ende doch nicht ausgeliefert sein.«
Bislang müssen sich die Kurierdienste noch auf OTC, Schönheits- und Gesundheitsprodukte beschränken. Dafür zahlen die Apotheken einen prozentualen Anteil, während der Service für die Kunden kostenlos ist. Sobald das E-Rezept zur breiten Anwendung kommt, wollen die Lieferdienste auch verschreibungspflichtige Medikamente überbringen. Dafür sollen die Apotheken aus regulatorischen Gründen eine Pauschale zahlen. Gemeint sei die Arzneimittelpreisverordnung mit Festpreisen für Rx-Arzneimittel und das apothekengesetzliche Verbot der umsatzabhängigen Absprachen.
Rechtlich sei die Vergütung für die Auslieferung von Rx-Medikamenten durch die Botendienste noch umstritten, sagt juristische Kammergeschäftsführerin Dr. Marion Eickhoff. Sie fürchte jedoch, dass die Anbieter Wege finden könnten, um rechtliche Hürden zu umschiffen. »Letztlich wollen sie nur Geld machen und das ist für den Berufsstand gefährlich«, warnt die Juristin die Apotheker. »Wir haben es in der Hand, ob wir solch ein Geschäftsgebahren unterstützen«, ergänzt die Kammerpräsidentin. Ähnlich hatte sich zuletzt auch ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening geäußert.
Apotheken sollten sich gut überlegen, ob sie sich solchen Angeboten anschließen. »Wenn Apotheken neue Aufgaben nur meistern können, indem sie Dritte beauftragen, setzen sie sich selbst aufs Spiel«, warnt Burs. »Die Apotheke macht mit ihrer Arbeit und ihrem Geld einen neuen Türöffner groß, der bald die Regeln und Preise diktieren kann.« Burs fordert dagegen einen vergüteten Botendienst durch die Apotheken vor Ort selbst, wie es sich in der Pandemie bewährt habe. Es brauche Lösungen aus dem Berufsstand für den Berufsstand. Sie verwies auf die gemeinsame Stärke und das Verbändeportal mein-apothekenportal.de.
»Wir haben in den vergangenen zwei Jahren gezeigt, was in uns steckt, dass wir Probleme lösen, statt Probleme zu schaffen«, betont Burs. Diese selbstbewusste Haltung gelte es aufrecht zu erhalten und auch gegenüber Politik und Krankenkassen zu vertreten, sei es bei den Verhandlungen zu den pharmazeutischen Dienstleistungen, der Botendienstvergütung oder der Verstetigungen von Bürokratieerleichterungen, zum Beispiel bei der Bedienung von Rabattverträgen. Leitplanke sei dabei das im Januar 2022 aktualisierte Perspektivpapier »Apotheke 2030«.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.