Wildern oder sinnvoll ergänzen? |
Brigitte M. Gensthaler |
04.05.2023 14:00 Uhr |
Diskussionsrunde unter Moderation von Gudrun Kreutner (2. von links): Björn Schittenhelm, Tatjana Zambo und Dirk Heinrich. / Foto: Fotografie Melanie Löffler
»Apotheken wollen ein ergänzendes Impfangebot machen und den Ärzten nichts wegnehmen«, versicherte Tatjana Zambo, Präsidentin des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg und seit Kurzem Mitglied des DAV-Vorstands, gestern bei einer Diskussion beim 15. Kooperationsgipfel des Bundesverbands Deutscher Apothekerkooperationen (BVDAK) in München. Jede fünfte Person, die sich in einer Apotheke gegen Influenza impfen ließ, habe noch nie eine solche Impfung erhalten.
Zudem kämen viele Impfwillige in die Apotheken, wenn Arztpraxen schon geschlossen sind, ergänzte Björn Schittenhelm, Apothekeninhaber in Holzgerlingen und Vorstandsmitglied der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg. »Gerade die Personen, die keinen Hausarzt mehr haben, schätzen das niederschwellige Angebot der Apotheke«, so seine Erfahrung. »Jeder Kunde, der sich in der Apotheke impfen lässt, wird zu ihrem Fan.« Die intensive Beschäftigung mit dem Kunden schaffe eine »neue Nähe« und gerade junge Approbierte schätzten die neue Tätigkeit sehr.
Dieses positive Bild ließ Dirk Heinrich, Vorstandsvorsitzender des Spitzenverbands Fachärzte Deutschlands, nicht stehen und sprach vom »Wildern in fremden Gärten«. Die Politik wolle testen, ob heilberufliche Aufgaben auch von anderen Gruppen übernommen werden können. »Mit dieser Grenzüberschreitung haben Sie gezeigt, dass ärztliche Tätigkeit substituierbar ist.« Das könne auf die Apotheker zurückfallen, warnte er.
Er halte die Substitution originärer ärztlicher und apothekerlicher Tätigkeiten für gefährlich – besonders in einer Zeit, in der die meisten Politiker das Wesen und die Bedeutung der Freiberuflichkeit gar nicht mehr begriffen. Umso mehr müssten die Heilberufler zusammenstehen. Doch die Grenzüberschreitung beim Impfen habe den Kontakt zwischen den Berufsverbänden massiv gestört. Heinrich kündigte an, dass die Ärzte im Gegenzug wieder das Dispensierrecht fordern würden.
Neben den ordnungspolitischen Bedenken hält der Arzt das Impfen in Apotheken auch medizinisch für potenziell gefährlich. Es sei keine banale Tätigkeit und man müsse Notfälle beherrschen können. »In 14 Stunden Fortbildung wird man nicht zum Arzt.« Im anaphylaktischen Schock könne der Patient sterben, bevor der Notarzt kommt.
Aus Heinrichs Sicht ist es nur eine Frage der Zeit, bis das Impfrecht für Apotheker ausgeweitet wird. Schittenhelm hält neben den Impfungen gegen Corona und Influenza auch die FSME-Impfung für apothekentauglich. »Ich würde aber nicht jede Impfung machen. Mir geht es vor allem um Auffrischimpfungen mit Totimpfstoffen.«