Wie wird die Arzneimittelversorgung nachhaltiger? |
Johannes Bauernfeind informierte, dass die AOK Baden-Württemberg bei der Ausschreibung von fünf antibiotischen Wirkstoffen auch Umweltkriterien einbezogen habe. Die Anbieter mussten unter anderem nachweisen, dass sie bei Abwässern bestimmte Grenzwerte einhalten, zudem mussten sie Kontrollen erlauben. Weitere Zuschlagskriterien waren die Länge der Lieferkette und die Einhaltung örtlicher Arbeitsschutz-Vorgaben. Die AOK habe ein Institut beauftragt, die Verträge, die von Juni 2021 bis Mai 2023 liefen, auszuwerten. Für die Zuschlagskriterien musste sich die Kasse vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf verantworten. Das Gericht untersagte in zweiter Instanz die Anwendung eines qualitativen Zuschlagskriteriums für robuste Lieferketten. »Bei Ausschreibungen brauchen wir die Garantie, dass wir Kriterien rechtssicher durchsetzen können«, forderte Bauernfeind. Die Verwaltungsratsvorsitzende Maren Diebel-Ebers wies darauf hin, dass die »Ausschreibung nur nach dem günstigsten Preis an Grenzen« komme. »Das müssen wir ausloten«, sagte sie.
Aus Sicht von Bauernfeind spielen bei einer nachhaltigen Arzneimittelversorgung ökologische, ökonomische und soziale Aspekte gleichermaßen eine Rolle. Bestimmte Darreichungsformen und die Vielfalt von Packungsgrößen bei Arzneimitteln seien überflüssig. Der Vorstandschef forderte, das Arzneimittelrecht bei diesem Punkt anzupassen. Zudem müsse die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel gesenkt werden.
Aus Sicht von Vorstandsvize Alexander Stütz sind weitere Gesetze sowie globale Standards notwendig, um die Versorgung nachhaltiger zu gestalten. Das EU-Vergaberecht müsse abbilden, dass die Kriterien Lieferfähigkeit und Nachhaltigkeit berücksichtig werden. Der Rechtsrahmen sei derzeit noch zu eng. Die AOK Baden-Württemberg versuche dennoch, Spielräume zu nutzen. Aufklärung sei ebenfalls wichtig. »Das übernehmen Ärzte und Apotheker. Auch wir informieren unsere Versicherten auf allen Kanälen«, sagte Stütz.
Der langjährige alternierende Verwaltungsratsvorsitzende Peer-Michael Dick appellierte an Ärzte und an Versicherte, Arzneimittel sparsamer zu verordnen beziehungsweise anzuwenden. Abgelaufene Medikamente gehörten in den Hausmüll und nicht in die Toilette. Aber auch die AOK müsse Versicherte über den Umgang mit Arzneimitteln besser aufklären. Darüber hinaus forderte er, bei umweltschädigenden Präparaten die Werbung einzuschränken. Dazu solle sich die Industrie selbst verpflichten, forderte er. Insgesamt gebe es »unglaubliche Zielkonflikte« zwischen Ökologie, Ökonomie und der sozialen Dimension, also der Verfügbarkeit. »Ich habe nicht den Eindruck, dass wir das unter einen Hut bekommen«, resümierte Dick.