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Fehlende Kontrolle

Wie will Warken die Versender einfangen?

Morgen will Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) Reformpläne für die Apotheken vorstellen. Dazu gehören auch strengere Regeln für Doc Morris und Co. Die Versender ihrerseits fordern einen Paradigmenwechsel. Und der Großhandel wünscht sich Nachbesserungen auf der To-do-Liste der Bundesregierung.
Cornelia Dölger
15.09.2025  15:00 Uhr

Zentrale Punkte im Apothekenkapitel des Koalitionsvertrags dürften die Apothekerinnen und Apotheker inzwischen auswendig kennen; neben einer Honoraranpassung und -dynamisierung sind das etwa vereinheitlichte Regeln für lokale und Versandapotheken.

»Gleichlange Spieße« und somit faire Wettbewerbsbedingungen fordern die Apotheken schon lange und bekommen dafür Zuspruch aus der Politik, vergangene Woche erneut von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) beim Sommerempfang des Apothekerverbands Nordrhein (AVNR). »Wenn die Versandapotheke ihre Medikamente mit DHL verschickt, dann sind das keine gleich langen Spieße«, so Laumann. Daher habe sich die Bundesregierung die Angleichung vorgenommen.

In puncto Versender pressiert es – nicht zuletzt, weil deren Rabattpraxis unlängst höchstrichterlich abgenickt wurde. Zwar fußt die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 17. Juli auf einer überholten Rechtslage – doch dies hält Doc Morris und Co. nicht davon ab, mit immer neuen Rx-Bonusaktionen vorzupreschen. Gleichzeitig pocht das Bundesgesundheitsministerium (BMG) darauf, dass die aktuelle SGB-V-Regelung gelte, wonach das Rx-Boni-Verbot auch Versender einschließt. Dies verfängt bei den Versendern allerdings nicht. Weitere Urteile bleiben abzuwarten.

EU-Versender: Schließungen nicht wegen Onlinehandel

Welche Ideen Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) zur morgigen Eröffnung des Deutschen Apothekertags (DAT) mitbringt, ist also höchst interessant. Zumal sich die EU-Versender kurz vor dem wichtigen Termin der Apothekenbranche für ihre Sache klar positionieren: Weder gefährde der Apothekenrückgang die Versorgung noch seien die Versandapotheken für das Apothekensterben verantwortlich, heißt es in einem heute veröffentlichten Positionspapier der European Association of E-Pharmacies (EAEP). Als Basis führt der EAEP Datenanalysen unter anderem des Instituts IQVIA an.

Schließungen treten demnach insbesondere in Gebieten mit hoher Apothekendichte und damit hohem Wettbewerbsdruck auf. Die verbleibenden Apotheken übernähmen einen größeren Anteil an der Arzneimittelversorgung und sicherten dadurch die Versorgung. Den Effekt »Je weniger Betriebe, desto mehr für die verbleibenden« bewerten die lokalen Apotheken übrigens naturgemäß weniger optimistisch und bezeichnen ihn als »Kannibalisierung«.

Für die Schließungen, also »Marktkonsolidierungsprozesse«, seien zudem nicht die Online-Apotheken verantwortlich; deren Rx-Anteil stagniere bei einem Prozent, so der EAEP weiter. Relevant seien vielmehr der demografische Wandel, Fachkräftemangel, Schließungen von Arztpraxen sowie Kostensteigerungen. 

»Echte Strukturreformen statt Scheindebatten«

Der Verband fordert einen Paradigmenwechsel in der Versorgungsstruktur. Es brauche »echte Strukturreformen statt Scheindebatten«. Dazu gehöre nicht, das Apothekenhonorar zu erhöhen, wie es im Koalitionsvertrag festgehalten ist. Denn zwar könne ein höheres Fixum »den Konsolidierungsprozess am Apothekenmarkt möglicherweise etwas verlangsamen, die Schließung von unwirtschaftlichen Betriebsstätten an sich aber nicht verhindern«. 

Vielmehr müssten die Versorgung gesteuert und unterversorgte Regionen »punktgenau« gefördert werden. »Digital vor ambulant vor stationär« müsse als Versorgungsparadigma etabliert, Wettbewerbsbedingungen müssten angeglichen, Finanzressourcen geschont werden. 

In der Frage, wer die gleichen Wettbewerbsbedingungen beim Transport kontrolliert, liegt bislang ein Zirkelschluss: Bei der Zuständigkeit wird am Ende immer wieder darauf verwiesen, dass es sich eben um Anbieter aus dem Ausland handele – womit sich die deutschen Behörden einen schlanken Fuß machen und die Verantwortung den EU-Nachbarn zuschieben.

Dort, in den Niederlanden, müssten Versandapotheken sich strengen Regeln unterwerfen, betont der Versandhandel seinerseits – teilweise sogar strengeren Vorschriften als in Deutschland. Dies ließ der Versender Doc Morris jetzt wissen. Etwa müssten Apotheken in den Niederlanden für jeden Patienten ein pharmazeutisches Dossier mit einer Dokumentation der Medikation führen. Darüber hinaus müssten alle Verordnungen zwanzig Jahre lang archiviert bleiben, führte Kommunikationschef Reiner Kern aus. 

Risiko-Score für Versender

Die niederländischen Aufsichtsbehörden kontrollierten »regelmäßig«. Für eine Risikobewertung müssten Apotheken Daten etwa zu Medikamentenabgaben an die Behörden weitergeben, die dann mit dem Durchschnitt aller Apotheken verglichen würden. Daraus werde ein Risiko-Score erstellt.  Apotheken mit auffälligem Score würden von staatlichen Apothekeninspektoren »bevorzugt überprüft«. Ob Doc Morris schon einmal zu den Kandidaten mit auffälligem Score gehörte, ist unklar. Grundsätzlich müsse jede Apotheke in den Niederlanden mit Inspektionen rechnen.

Kern ging zudem auf die Transportbedingungen ein. Doc Morris verschicke kühlpflichtige Arzneimittel »ausnahmslos« per Spezialversender Trans-o-flex ThermoMed, dabei werde »temperaturgeführt transportiert und lückenlos protokolliert«. Bei temperaturempfindlichen Arzneimitteln, die keine ununterbrochene Kühlkette erfordern, würden Temperaturscreenings angewendet. Die Lieferung werde bei kritischen Bedingungen entsprechend angepasst.

Phagro: Klares Signal an die Politik

Ob dies in der Praxis klappt, wollte jetzt der Großhandelsverband Phagro wissen und hat eine Forsa-Umfrage in Auftrag gegeben. Ergebnis: zu wenig Kontrolle. Fast zwei Drittel (63 Prozent) der Befragten wünschen laut der Umfrage »Arzneimittelsicherheit bei Hitze«, dass die Temperaturvorgaben kontrolliert werden sollten. Das Ergebnis sei »ein klares Signal an die Politik«, so der Phagro-Vorsitzende Marcus Freitag in einer Mitteilung.

Denn laut Umfrage würden die Pakete vielfach entgegen den Vorschriften nicht persönlich übergeben.  Bei 27 Prozent der Befragten wurden demnach Bestellungen schon einmal vor der Wohnungstür oder dem Haus abgestellt, bei 13 Prozent an einem anderen Ort, etwa in der Garage. Fast ebenso häufig mussten demnach die Medikamente in einer Packstation, bei Nachbarn oder in einem Geschäft abgeholt werden.

Das oft bemühte Argument der Politik, dass über Verstöße der EU-Versender, die zu einer Gefährdung der Arzneimittelsicherheit führen könnten, keine Erkenntnisse vorlägen, verfange also nicht.  Dabei gehe es nicht einmal nur um kühlkettenpflichtige Produkte. »Es geht um alle Medikamente, die über längere Zeit nicht Temperaturen von über 25 Grad ausgesetzt sein dürfen. Das ist der ganz überwiegende Teil dessen, was derzeit per Standard-Paketversand verschickt wird«, so Freitag.

Gegenüber der PZ bekräftigte ein Verbandssprecher, dass der Phagro insofern auch Nachbesserungsbedarf bei den Koalitionsplänen sehe. »Der Hinweis auf die kühlpflichtigen Produkte, der von Seiten der Versender immer wieder kommt und auch Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden hat, trifft nicht den Kern des Problems.«

Unterschiedliche EU-Regelungen

Es fehle vielmehr an Überwachung. »Der Arzneimittelversand aus dem EU-Ausland und die damit beauftragten Paketdienstleister müssen ebenso streng kontrolliert werden wie die Apotheken und der Großhandel. Das heißt, nicht nur Vorgaben zu vereinheitlichen, wie es im Koalitionsvertrag heißt, sondern auch wirksame Kontrollen durchzusetzen.«

Dass zudem bei den unterschiedlichen EU-Regelungen Handlungsbedarf besteht, zeigt ein Beispiel aus dem niederländischen Belfeld, wo die Versandapotheke Prime Pharmacy ihren Sitz hat. Etwa 80 Prozent ihrer Kundschaft kommt aus Deutschland, der Rest aus den Niederlanden. Die Apotheke richte sich nach deutschen Vorschriften, wie die  »Aachener Zeitung« im Sommer berichtete. Diese kollidierten allerdings teils mit den niederländischen. So prüfe Prime Pharmacy beim Versand nach Deutschland nicht, ob die Medikamente an den richtigen Patienten gelangen. Für die niederländischen Kunden sei dies aber vorgeschrieben. Daraufhin schritten die Aufsichtsbehörden ein und verboten dem Versender kurzzeitig die Belieferung der inländischen Kundinnen und Kunden – für den Versand nach Deutschland galt dieses Verbot allerdings nicht. 

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