Wie trans-Jugendliche behandelt werden sollten |
Über eine geschlechtsangleichende Hormonbehandlung sollte eine jugendliche Person nach Angaben der Leitlinie immer selbst in der Lage sein, zu entscheiden. Pubertätsblocker können Zeit verschaffen. / © Getty Images/Diamond Dogs
Die Behandlung von Jugendlichen, die sich nicht mit dem bei ihrer Geburt zugeschriebenen Geschlecht identifizieren, ist in Deutschland schon seit Jahren Praxis. Dennoch gab es bis vor Kurzem keinen einheitlichen Leitfaden nach aktuellem Wissensstand für die Behandlung von transgeschlechtlichen Minderjährigen für Psychologinnen, Psychiater und Hormonspezialistinnen. Das hat sich nun geändert.
Anfang März haben 26 medizinische und psychotherapeutische Fachgesellschaften sowie zwei Patientenvertretungsorganisationen eine medizinische Leitlinie zur fachgerechten Behandlung von transgeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen veröffentlicht (S2k-Leitlinie Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter). Das mehrere hundert Seiten lange Dokument gibt viele Empfehlungen dazu, wie Betroffene respektvoll betreut und angemessen behandelt werden sollten.
»Die Leitlinie ist ein Meilenstein: Sie wird die medizinische und psychotherapeutische Versorgung von trans-Jugendlichen verbessern und transparenter machen für die Jugendlichen und ihre Familien«, sagt Sabine Maur von der Bundespsychotherapeutenkammer im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Die Psychotherapeutin ist eine der Autorinnen der Leitlinie. Die Leitlinie gebe fundierte Empfehlungen für alle relevanten Behandlungsschritte – von der Diagnostik, über die Möglichkeiten von psychosozialer Unterstützung und psychotherapeutischer Behandlung, bis hin zu geschlechtsangleichenden Maßnahmen, so Maur.
Über eine geschlechtsangleichende Hormonbehandlung sollte eine jugendliche Person nach Angaben der Leitlinie immer selbst in der Lage sein, zu entscheiden, und die Eltern sollten dem zustimmen. Fachleute sollen Betroffene dabei unterstützen, eine abgewogene Entscheidung zu treffen.
Für die Begleitung der Jugendlichen ist es der Leitlinie zufolge wichtig, dass diese Expertinnen und Experten mehrere Jahre Erfahrung auf dem Gebiet haben. »Jugendliche machen in der Versorgung nicht selten die Erfahrung, dass ihnen mit Misstrauen begegnet wird oder man ihnen etwas unterstellt«, sagt Ko-Autorin Mari Günther vom Bundesverband Trans*. So glaubten manche Versorgerinnen und Versorger, die nicht gut informiert seien, ein Jugendlicher sei nicht richtig trans, wenn nicht sicher sei, ob er Hormone nehmen wolle oder nicht. So fehle ein akzeptierender Raum für den eigenen Abwägungsprozess.
»Es ist immer erfreulich, wenn Jugendliche sich sehr sicher sind«, sagt die systemische Therapeutin. Betroffene müssten aber auch kalkulieren und sich fragen dürfen: Was wäre, wenn ich mich doch irren sollte? »Jugendliche sollen verstehen dürfen, dass sie selbst entscheiden und die Möglichkeit haben, in einem begrenzten Rahmen etwas zu probieren und auch wieder zu lassen.«
Kinder- und Jugendpsychiater und Koordinator der Leitlinie Georg Romer erklärt, Expertinnen und Experten sollten immer im Einzelfall entscheiden und sorgfältig abwägen. »Wir müssen junge Menschen vor verfrühten Fehlentscheidungen schützen, aber wir müssen auch berücksichtigen, dass ein zu langes Warten auch schädliche Folgen haben kann.«