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Strafverfahren

Wie teuer war Paxlovid wirklich?

Vor dem Landgericht Berlin wurde heute das Verfahren gegen einen Apotheker fortgesetzt, der während der Corona-Pandemie im großen Stil das Covid-19-Präparat Paxlovid ohne Rezept abgegeben hat. Den Verkauf gesteht er ein, im Verfahren geht es vor allem um die Frage, ob oder in welcher Höhe dem Bund dabei ein Schaden entstanden ist. Heute war eine Beamtin des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) als Zeugin geladen, außerdem soll ein Sachverständiger geladen werden.
Alexander Müller
13.11.2024  15:44 Uhr

Apotheker Michael S. hatte zwischen dem 2. und 12. Januar 2023 in sechs Fällen jeweils mehrere hundert Packungen Paxlovid an einen ihm persönlich unbekannten Mann verkauft, insgesamt 2700 Packungen und jeweils ohne Vorlage einer ärztlichen Verordnung. Ihm wird Untreue in besonders schwerem Fall und Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz (AMG) zur Last gelegt.

Die Staatsanwaltschaft fordert Wertersatz in Höhe von mehr als 1,7 Millionen Euro – ausgehend von dem vom Bund im Rahmen einer zentralen Beschaffung gezahlten Preis. Der Apotheker hatte zum Prozessauftakt in einer Erklärung angegeben, weder vom Preis etwas gewusst zu haben, noch von dem Eigentumsvorbehalt des Bundes. Seine Verteidigung würde auch gerne einen Vertreter des Großhändlers laden, um darzulegen, dass der Eigentumsvorbehalt auch bei der Noweda nicht bekannt war. Doch darüber wurde heute noch nicht entschieden.

Zum nächsten Verhandlungstag soll aber ein Pharmaökonom als mündlicher Sachverständiger geladen werden, um über den Wertverfall der zentral vom Bund beschafften Paxlovid-Packungen eine Einschätzung abzugeben.

Gutachter und Großhändler gefragt

Zur Frage der Beschaffung wurde heute eine BMG-Mitarbeiterin aus dem Referat 117 befragt, das für die Versorgung mit neuen Arzneimitteln und Pandemiearzneimitteln zuständig ist. Die für die Paxlovid-Beschaffung seinerzeit zuständige Projektgruppe ist mittlerweile in diesem Referat aufgegangen.

Mit der Beschaffung selbst hatte die als Zeugin befragte Beamtin nichts zu tun, sie war erst im April 2022 ins Ministerium gekommen. Doch die Apothekerin hatte bei der Erstellung der Strafanzeige zugearbeitet, ist also mit dem konkreten Fall vertraut. Und in ihrem Referat wurden auch Anfragen von Apothekern und Zwischenhändlern bearbeitet, die konkret nach einem Weiterverkauf der Paxlovid-Packungen gefragt hatten, als der Absatz stockte.

Allerdings: Vom Ministerium hatte die Referentin nur eine eingeschränkte Aussagegenehmigung erhalten: Über den konkreten Erwerbspreis durfte sie nicht sprechen. Die Begründung des Ministeriums: In zukünftigen vergleichbaren Situationen könnte die zentrale Beschaffung von Arzneimittel über den Bund ansonsten erschwert werden.

BMG-Beamtin darf Preis nicht nennen

Die Verteidigung zeigte sich »sehr irritiert« von dieser Beschränkung, zumal der Preis von 665 Euro pro Packung bereits öffentlich bekannt sei. Und nicht zuletzt müsse sich ihr Mandant gegen einen konkreten Pfändungsbeschluss verteidigen. »Ich hoffe und erwarte, dass die Kammer sich für den transparenten Weg entscheidet«, so der Anwalt des Apothekers.

Der Bund hatte Anfang 2022 eine Million Packungen Paxlovid direkt bei Pfizer eingekauft. Im Verlauf des Jahres wurde die Ware in vier etwa gleich große Tranchen an die elf vollsortierten Großhandel ausgeliefert. Die Apotheken durften zunächst in unbegrenzter Menge bestellen und auf Vorlage einer Verordnung abgeben. Abgerechnet wurde direkt mit dem Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS).

Die Vergütung wurde auf 30 Euro netto festgelegt, der Großhandel erhielt 20 Euro zuzüglich Umsatzsteuer. Das BMG hatte sich nach Aussage der Beamtin bei der Festlegung dieser Pauschalen wiederum an den gesetzlich festgelegten Margen der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) orientiert. Auch damit ist der kolportierte Beschaffungspreis von 665 Euro plausibel.

Ladenhüter Paxlovid

Doch Paxlovid wurde nicht in der erwarteten Menge verordnet. Anfang wurden nach Angaben der Zeugin aus dem BMG 500 bis 5000 Therapieeinheiten pro Woche ausgeliefert, im August stieg der Wert vorübergehend auf 20.000 Packungen pro Woche. Zu dem Zeitpunkt wurde das Dispensierrecht vom BMG auf Ärzte und stationäre Pflegeeinrichtungen übertragen. Doch zum Ende des Jahres war die Nachfrage laut der BMG-Zeugin schon wieder abgeflacht. Aufgrund der 2022 vorherrschenden Omikron-Variante des Virus und weniger schwerer Verläufe war der Paxlovid-Einsatz weniger gefragt.

Damit stelle sich die von Bund seinerzeit georderte Menge als deutlich zu hoch hinaus. Nachdem Hersteller Pfizer Stabilitätsprüfungen durchgeführt hatte, wurde die Haltbarkeit zweimal um je sechs Monate verlängert. Eine entsprechende Mitteilung des Konzerns wurde von der Verteidigung ebenfalls ins Verfahren eingeführt, als Beleg dafür, dass Paxlovid ein Ladenhüter war und ansonsten hätte vernichtet werden müssen.

Fast die Hälfte der von Bund gekauften Packen liegen laut BMG derzeit beim Großhandel in Quarantäne – mehr als 400.000 Stück. Wie viele Packungen zusätzlich in Apotheken sind, ist im Ministerium nicht bekannt. Da Pfizer keine weitere Verlängerung der Haltbarkeit plant, steht vermutlich die Vernichtung der Ware an. Darüber sei aber noch nicht entschieden, so die BMG-Beamtin.

Selbst Länder, denen von Deutschland die Spende von Paxlovid angeboten wurde, hatten zwischenzeitlich abgewinkt. Nur einmal sei eine kleinere Menge gespendet wurden, weniger als 5000 Packungen ging nach Kroatien.

Nachfrage aus China

Eine verstärkte Nachfrage entstand in der Volksrepublik China Anfang 2023, wo die Pandemie nach einer langen Phase extremer Restriktionen stark um sich griff. Beim BMG liefen zwar keine direkten Anfragen aus China ein, sehr wohl aber Anfrage von Apotheken und Zwischenhändlern, ob Paxlovid weiterverkauft werden darf. Das war aber gemäß der Allgemeinverfügung nicht zulässig.

Vor dem Landgericht wurden anschließend noch drei Angestellte aus der Apotheke des S. als Zeuginnen befragt. Eine Apothekerin konnte zum Verkauf der Paxlovid-Packungen keine Angabe machen, zumal sie zur fraglichen Zeit im Urlaub gewesen sei. Die Approbierte verwies aber darauf, dass sich die rechtliche Situation manchmal innerhalb eines Tages geändert habe.

Apothekenteam als Zeugen geladen

Das Team habe sich so gut es geht auf den aktuellen Stand gebracht – auch wenn die rechtlichen Vorgaben »für uns nicht immer zu verstehen waren«. Aufgrund der Flut der Informationen zu dieser Zeit habe seien die Rundschreiben des Berliner Apothekervereins manchmal auch liegengeblieben, wenn in der Apotheke viel los war. Über den besonderen Vertriebsweg von Paxlovid sei sie nicht informiert gewesen, gab sie zu Protokoll.

Als nächstes wurde die PKA befragt, die seinerzeit für die Bestellungen von Paxlovid zuständig war. Sie hatte beim Großhandel geklärt, welche Mengen sie bestellen darf und dann auf Anweisung ihres Chefs geordert. Die Menge sei schon außergewöhnlich gewesen, aber zu dieser Zeit hätten öfter größere Mengen Kartons mit Schutzmasken oder Corona-Tests in der Apotheke gestanden.

Die dritte Zeugin aus der Apotheke, eine PTA, hatte selbst nie einen Verkauf. Von dem Verkauf größerer Mengen habe sie erst nach der Durchsuchung erfahren. Der Inhaber habe das Team über den Verkauf aufgeklärt, aber versichert, dass das allein seine Sache sei und sich das Team keine Sorgen machen müsse. Nächster Verhandlungstermin ist der 26. November.

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