Wie steht es um Apotheker auf Station? |
Daniela Hüttemann |
20.12.2023 11:00 Uhr |
Stationsapotheker machen zum Teil Kurvenvisiten, sind aber auch bei Visiten am Patientenbett dabei. / Foto: Getty Images/FG Trade
Krankenhausrecht ist Ländersache – daher entscheiden auch die Bundesländer einzeln, ob und wie Stationsapotheker in Krankenhäusern und Kliniken eingesetzt werden müssen. Bislang gibt es nur in Niedersachsen seit dem 1. Januar 2022 eine entsprechende Verpflichtung.
Diese Regelung war eine Reaktion auf die sogenannten »Pflegemorde«. Stationsapotheker sollen einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) stationär behandelter Patienten zu erhöhen.
Den aktuellen Stand stellte Dr. Thomas Vorwerk, von 2020 bis 2023 Präsident der ADKA – Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker, im November bei der Delegiertenversammlung der Apothekerkammer Niedersachsen vor. Demnach spricht die ADKA mit allen Bundesländern über Vereinbarungen zu Stationsapothekern.
In Rheinland-Pfalz sei die Aufnahme in das Landeskrankenhausgesetz (LKG) bereits zugesagt; in Hamburg ist die Absicht im Koalitionsvertrag formuliert. Gute Chancen rechnet sich Vorwerk auch in Schleswig-Holstein und NRW aus. In Bayern und Brandenburg dagegen wurde eine Aufnahme ins jeweilige LKG abgelehnt und gilt in Sachsen als unwahrscheinlich. In einigen anderen Bundesländern stehen noch Gespräche mit den zuständigen Ministerien an.
In Niedersachsen hat man einen risikobasierten Ansatz gewählt. Das heißt, Stationsapotheker sollen vor allem dort zum Einsatz kommen, wo ein erhöhtes AMTS-Risiko für die Patienten besteht. »Das sind zum Beispiel die Schnittstellen, also Aufnahme und Entlassung, wenn die Medikation umgestellt wird«, erläuterte Vorwerk. Das Entlass-Management kann sich der Leiter der Apotheke des Klinikums Region Hannover auch als pharmazeutische Dienstleistung in den öffentlichen Apotheken gut vorstellen.
»Etwa ein Drittel der aufgenommen Patienten hat ein erhöhtes Risiko für arzneimittelbezogene Probleme (ABP) – vor allem bei ihnen sollten Stationsapotheker ein Auge auf die Medikation werfen«, so Vorwerk. Das ABP-Risiko kann beispielsweise mit dem sogenannten Meris-Score relativ schnell ermittelt werden, zeigte kürzlich eine Studie aus sächsischen Krankenhausapotheken. In diesen fließen die Nierenfunktion, die Anzahl der Arzneistoffe sowie eine risikoorientierte Bewertung dieser Arzneistoffe ein.
Besondere Aufmerksamkeit erfordern zudem das Infusionsmanagement, also die Kompatibilität verschiedener Infusionen, die neben- oder nacheinander laufen müssen, sowie der Einsatz neuartiger Behandlungen, zum Beispiel Gentherapeutika und onkolytische Viren.
Zum Glück sei keine konkrete Zahl pro Betten ins Krankenhausgesetz geschrieben worden, befand Vorwerk. Der Bedarf sei von Haus zu Haus und Station zu Station anders. Geriatrie, Pädiatrie und interne Medizin haben höhere Bedarfe als beispielsweise Kliniken mit Rehabilitions-Schwerpunkt.
Stationsapotheker arbeiten übrigens nicht nur auf Station und direkt am Krankenbett. Sie können auch Kurvenvisiten oder Medikationsanalysen des Typs 2b durchführen (in der öffentlichen Apotheke wird in der Regel Typ 2a durchgeführt, mit Brown-Bag-Analyse, aber ohne Laborwerte – bei Typ 2b ist es umgekehrt). Zudem können Ärzte den Rat der Stationsapotheker im Konsil einholen. Empfehlungen zur Medikation können elektronisch erfolgen. Mancherorts schulen Stationsapotheker die Patienten vor der Entlassung noch in der Handhabung ihrer Medikamente und geben Empfehlungen für den Arztbrief.
Neben der patientenindividuellen Betreuung sind Stationsapotheker genauso auch an systemischen Interventionen beteiligt wie der Erstellung hausinterner Leitlinien und Standards, Verordnungsvorlagen und Schulung von Ärzten und Pflegekräften. Diese müssen regelmäßig überprüft und aktualisiert werden. Zudem wirken sie in interprofessionellen Kommissionen und Arbeitsgruppen mit und helfen bei der Digitalisierung von Krankenhausprozessen, informierte Vorwerk.
Zur Ausstattung von Intensivstationen mit Stationsapothekern gibt es bereits seit 2022 Empfehlungen. In der Basisversorgung soll es einen fest zugeordneten Apotheker geben (auch telemedizinische Anbindung möglich), der mindestens einmal pro Woche zur Visite kommt. Bei einem Maximalversorger soll ein Stationsapotheker fest zugeordnete Arbeitszeiten auf der Intensivstation haben, mit mindestens zwei Visiten pro Woche und einer 24/7-Erreichbarkeit.
»Wichtig ist, dass unterschiedliche Apotheker auf die gleiche Fragestellung möglichst einheitlich, nämlich evidenzbasiert antworten«, so Vorwerk zur Qualitätssicherung. Er sprach sich hier für häuserübergreifende Qualitätszirkel für Stationsapotheker aus, die es zum Teil schon gebe, zum Beispiel im Raum Goslar, in Braunschweig, Göttingen und Hannover. Ein nationaler Standard für klinisch-pharmazeutische Interventionen sei seitens der ADKA in Arbeit.
»Gleichartige Empfehlungen und überall gleichwertige Qualität seien wesentlich für die Zukunft der pharmazeutischen Arbeit auf Station. Nutzen (und auch Kosteneinsparungen) der Interventionen sollten dokumentiert werden, wenn zum Beispiel Fehler vermieden oder Antibiotika eingespart werden konnten.
Auch Pharmazeuten in öffentlichen Apotheken sollten die Entwicklung im Auge behalten. Durch die geplante Krankenhausreform werde es weniger und größere Krankenhäuser geben mit insgesamt weniger Betten – und dadurch eine Verschiebung in den ambulanten Bereich. Gepaart mit dem Fachkräftemangel in und außerhalb des Krankenhauses und dem demografischen Wandel werde auch der Beratungsbedarf in den öffentlichen Apotheken steigen, prophezeite Vorwerk.
»Künstliche Intelligenz (KI) wird uns dabei unterstützen – sie wird uns nicht ersetzen, sondern bei der Analyse und Recherche helfen, aber wir Menschen werden weiterhin für den individuellen Patienten entscheiden und vor allem mit ihm über seine Medikation sprechen.«