Pharmazeutische Zeitung online
Gastbeitrag der Pharmazieräte

Wie sollen Apotheken Gefahrstoffe ordnungsgemäß entsorgen?

Pikrinsäure, Weißer Phosphor oder sogar radioaktive Salze: Die Entsorgung überalterter Chemikalien und Reagenzien ist bei Inspektionen in der Apotheke immer wieder ein Thema, insbesondere in Apotheken, die seit mehreren Generationen betrieben werden. Nicht selten stehen dort noch Chemikalien, die nach den Bestimmungen des DAB 6 vorgeschrieben waren.
Ute Stapel
Christian Bauer
16.11.2020  12:30 Uhr

Weißer Phosphor zum Beispiel wird weiterhin oft in verschlossenen Schränken in der Apotheke gelagert oder auch aufgrund der Gefährlichkeit außerhalb der Apothekenräume, in nicht sachgerechten Lagerstätten, in privaten Kellern oder auch Garagen. Explosive Stoffe wie Pikrinsäure, Dinitrophenylhydrazin, Dichlorchinonchlorimid, Nitroglycerin-Lösung und radioaktive Uranylsalze oder CMR-Stoffe sind nur einige weitere Beispiele, die vorgefunden werden. Ätzende Säuren wie Salpetersäure, Phosphorsäure oder die hochgiftige Flusssäure lagern in zerbrechlichen Gefäßen in irgendwelchen Ecken. Die Lagergefäße befinden sich aufgrund des Alters und der Aggressivität der Stoffe in einem erbärmlichen = hochgefährlichen Zustand, berichten Pharmazieräte.

Apotheken sortieren oftmals aus unterschiedlichen Gründen vermehrt Reagenzien aus, bedingt durch andere oder neue Prüfverfahren oder auch aufgrund der Schließung von Filialbetrieben. Zudem sind Reagenzien nicht mehr in der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) vorgeschrieben. Dies hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass auf Flohmärkten alte Reagenziensätze aus Apotheken angeboten worden sein sollen. So konnten gefährliche Chemikalien in Laienhand gelangen. Einige Apothekenleiter lassen die Reagenzien nach Schließung des Betriebes in den Räumlichkeiten zurück. Die Hauseigentümer entsorgen diese dann teilweise extrem entzündlichen, explosiven oder gefährlichen Stoffe ohne weitere Kenntnisse im Umgang mit Gefahrstoffen.

Die Aufsichtsbehörden können nur eine ordnungsgemäße Entsorgung der sich in den Betriebsräumen befindlichen Chemikalien und Reagenzien anmahnen. Die irgendwo in den Privaträumen, Kellerräumen, Garagen, Dachböden oder Schuppen gelagerten Problem-Chemikalien bekommen die Aufsichtsbehörden nicht zu sehen. Und es soll Apotheken geben, die bei Eintreffen der Revisionsankündigung schnell noch diese Chemikalien in nicht zur Apotheke gehörige Räume verlagern.

Die eventuell zur Entsorgung beauftragten Mitarbeiter der Entsorgungsfirmen werden dann gebeten, die Gefahrstoffe und Chemikalien aus diesen »Abstellräumen« zu holen und setzen sich dabei einer hohen Selbstgefährdung aus (siehe Fotos). Nach Aussage von Fachfirmen hat diese fragwürdige Praxis über die Jahre zugenommen.

Fakt ist: Der Apothekenleiter ist und bleibt für die ordnungsgemäße Lagerung und Entsorgung im Betrieb vorhandener Chemikalien verantwortlich, auch über die Schließung seiner Apotheke hinaus. Der Apotheker muss die nicht mehr benötigten Chemikalien sachgerecht entsorgen. Er haftet auch dafür.

Gefahrstoffe nicht mit dem eigenen Auto entsorgen

Nicht selten wollen die Apothekeninhaber diese Chemikalien dann selbst im eigenen Kfz zur Entsorgung zu einem Unternehmen bringen, was nach den Vorschriften des Gefahrgut-Transportes (Gefahrgut-Beförderungsgesetz, GGBefG) nicht zulässig ist beziehungsweise mit zahlreichen Auflagen verbunden wäre. Die komplexen Gefahrgut-Vorschriften für den Straßenverkehr (zum Beispiel Zusammenpackverbote) und ein spezieller Versicherungsschutz für Abfall- und Gefahrgut-Transporte sind zu beachten.

Es sind besondere Verpackungen, spezielle inerte Füllstoffe und Gefahrgut-Kennzeichnungen zu verwenden. Eine andere Variante ist, dass Mitarbeiter mit kleinen Mengen zu den Entsorgungsmobilen der Städte / Kreise geschickt werden – oft mit Privat-PKW. Auch dies ist grundsätzlich nicht zulässig!

Noch problematischer wird dies, wenn dabei explosive Stoffe nicht ordnungsgemäß transportiert werden. Hier kann es sehr schnell zu einer Anzeige kommen, mit der Folge eines Strafverfahrens. Es sind Fälle bekannt, bei denen sich Apothekenleiter und/oder -mitarbeiter wegen eines Verstoßes gegen das Sprengstoffrecht, gegen das Gefahrgut-Beförderungsgesetz und/oder gegen das Kreislaufwirtschaftsgesetz verantworten mussten. Und es ist sehr fraglich, ob der Transport von problematischen Gefahrstoffen = Gefahrguttransport und gefährlichen Abfällen von einer Personen- oder Kfz-Haftpflichtversicherung gedeckt ist.

Die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger können Abfälle, die aus anderen Herkunftsbereichen als aus privaten Haushaltungen stammen, von der Entsorgung ausschließen, sodass die Apothekenleiter selbst für die sachgerechte Beseitigung der in ihrem Betrieb anfallenden Chemikalien sorgen müssen.

Was ist also zu tun?

Bei der Entsorgung der Altchemikalien könnte man wie folgt vorgehen:

  • Es ist ein geeigneter zertifizierter Entsorgungsfachbetrieb für das »Sammeln und Befördern von gefährlichen und ungefährlichen Abfällen« zu finden.
  • Es gibt einige, auch bundesweit tätige Firmen, die sich auf die Entsorgung von Chemikalien und Reagenzien aus Apotheken spezialisiert haben und die vorab auf Anfrage ein Angebot erstellen. Deren Fachleute sortieren und verpacken die Chemikalien vor Ort nach den geltenden Abfall- und Gefahrgut-rechtlichen Vorgaben in spezielle Behälter, klassifizieren diese und bereiten die richtige Deklaration vor, führen den Abfall-/Gefahrgut-Transport mit entsprechend ausgerüsteten Fahrzeugen durch und übergeben den Sonderabfall an dafür zugelassene spezielle Hochtemperatur-Verbrennungsanlagen. Diese ordnungsgemäße Entsorgung wird in der Regel nach Terminvereinbarung durchgeführt. 
  • Diese zertifizierten Entsorgungsfachbetriebe findet man in Suchmaschinen wie Google bei der Eingabe von Stichworten wie »Bundesweite Entsorgung von Laborchemikalien«, »Apothekenentsorgung« oder auch in Anzeigen in den Fachzeitschriften.
  • Die Nachfrage bei der kommunalen Abfallberatung bringt oft nicht den gewünschten Erfolg, da die Entsorgung gewerblich anfallender Chemikalien über einen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger meist nicht möglich ist, da nur Sondermüll aus Privathaushalten angenommen wird. Zudem stellt sich natürlich die Frage des sachgerechten Transports.
  • Nachweis der ordnungsgemäßen Entsorgung: Die Entsorgung sollte über einen Entsorgungsnachweis des Fachbetriebes, zum Beispiel einen abfallrechtlichen Übernahmeschein, dokumentiert werden. Dieser dient der Apotheke auch zum Beleg der ordnungsgemäßen Entsorgung gegenüber den Aufsichtsbehörden.

In einigen Kammerbereichen wurden vom Apothekerverband für seine Mitglieder Sonderkonditionen über eine bestimmte Schadstoffentsorgung vereinbart; dies sollte vorab beim Verband erfragt werden. Auch führen manche Verbände Entsorgungsaktionen durch. Und auch die Pharmazieräte und Amtsapotheker stehen gerne beratend zur Verfügung.

Fazit

Es ist mittlerweile einfacher, Chemikalien zu besorgen als zu entsorgen. Eine nicht ordnungsgemäße Lagerung, Beförderung oder Entsorgung kann sich und andere gefährden und auch behördlich geahndet werden. Aus Gründen eines ordnungsgemäßen Umgangs mit Gefahrstoffen in der Apotheke (und auch aus Umweltschutzgründen) sollte jeder Apothekerleiter seinen Bestand an Chemikalien und Reagenzien auf obsolete, überlagerte, qualitativ nicht einwandfreie oder nicht mehr benötigte Stoffe überprüfen, diese aussondern und einer ordnungsgemäßen, fachgerechten Entsorgung zuführen. Dazu ist in der Regel die Beauftragung eines zertifizierten Entsorgungsfachbetriebes erforderlich.

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