Wie SARS-CoV-2 die »ISGylierung« umgeht |
Theo Dingermann |
24.10.2024 09:00 Uhr |
Das RNA-Genom von SARS-CoV-2 liegt zusammen mit dem Nukleokapsid-Protein als Einheit vor. / © Adobe Stock/Nikolay
Nach einer viralen oder bakteriellen Infektion wird sehr schnell der angeborene immunvermittelte Interferon-Signalweg aktiviert, woraufhin die Synthese einer Vielzahl von IFN-stimulierten Genen (ISG) produzieren werden.
Ein Produkt dieser Interferon(IFN)-vermittelten Geninduktion ist das Protein ISG15. Dabei handelt es sich um ein Ubiquitin-ähnliches Protein, das mithilfe von drei intrazellulären Enzymen über spezifische Lysinreste kovalent an Zielproteine angeheftet wird. Dieser Prozess wird als »ISGylierung« bezeichnet. Letztlich handelt es sich bei der ISGylierung um eine spezielle posttranslationale Proteinmodifikation, die der besser bekannten Ubiquitinylierung ähnelt, durch die Proteine in Richtung Proteasom gelenkt werden, um dort kontrolliert abgebaut zu werden.
Eine Gruppe von Forschenden um Aulia Fitri Rhamadianti vom Zentrum für Infektionskrankheiten der Medizinischen Fakultät der Universität Kobe, Japan, hat sich nun genauer angeschaut, an welche SARS-CoV-2-Proteine das ISG15-Protein angeheftet wird, und welche Konsequenzen dies hat.
In einer jetzt im »Journal of Virology« publizierten Publikation beschreibt das Team, dass eines der bevorzugten viralen Proteine für die ISGylierung das Nukleokapsid-Protein des Virus ist, das das Virusgenom schützt. Dadurch soll die Virusreplikation gestoppt werden.
Das Virus kann sich allerdings gegen diesen Angriff des angeborenen Immunsystems wehren. Analog zu anderen Coronaviren, aber auch zu Viren wie das Hepatitis-C- oder das Hepatitis-B-Virus, besitzt SARS-CoV-2 ein Enzym, das ISG15 von ISGylierten Proteinen entfernt. Dieses Protein, eine Papain-ähnliche Protease, wird als USP18 oder auch als UBP43 bezeichnet.
Die Forschenden konnten nun zeigen, dass SARS-CoV-2 besonders effizient die ISG15-Addukte von den Nukleokapsid-Einheiten entfernen kann. Die könnte der Grund dafür sein, dass SARS-CoV-2 so viel infektiöser ist als andere Coronaviren. Zudem erarbeiteten die Forschenden den genauen Mechanismus der ISGylierung am Nukleokapsid-Protein. Dies wiederum zeigt eine neue Möglichkeit auf, wie man mit der Infektion therapeutisch interferieren könnte.
Denkbar wären neue Wirkstoffe, die auf das SARS-CoV-2-Nukleokapsid-Protein oder auf das Enzym abzielen, das die ISGylierung des Nukleokapsid-Proteins entfernt. Derartige neue Wirkstoffe könnten sich als wirksamerer und selektiverer Inhibitoren einer SARS-CoV-2-Infektion erweisen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.