Wie Rauchen nachhaltig das Immunsystem stört |
Annette Rößler |
16.02.2024 11:00 Uhr |
Ein neuer Warnhinweis auf Zigarettenschachteln könnte lauten: »Ihr Immunsystem nimmt durch Rauchen dauerhaft Schaden.« / Foto: Imago Images/STPP
Wie das Immunsystem eines Menschen auf diverse Krankheitserreger reagiert, ist individuell unterschiedlich. Allerdings gibt es bestimmte übergeordnete Faktoren, die dabei eine Rolle spielen. Diese zu identifizieren, ist das Ziel des französischen Forschungsprojekts Milieu Intérieur, an dem 1000 Menschen teilnehmen. Die Kohorte ist bezüglich Alter, Geschlecht und Ethnie in einer Weise ausbalanciert, die es ermöglicht, die Variabilität einer »normalen« Immunantwort zu untersuchen.
Im Fachjournal »Nature« ist jetzt eine Auswertung des Milieu-Intérieur-Projekts erschienen. Das Autorenteam um Dr. Violaine Saint-André vom Institut Pasteur in Paris untersuchte darin, ob beziehungsweise wie sich 136 Variablen aus den Bereichen Soziodemografie, Diät und Lebensstil auf die Immunantwort auswirken. Sie verwendeten dazu Blutproben der Teilnehmenden und bestimmten darin quantitativ die Freisetzung von 13 infektionsassoziierten Zytokinen als Reaktion auf eine kontrollierte Stimulation mit bestimmten Krankheitserregern.
Drei Faktoren veränderten die Zytokinantwort besonders stark: Rauchen, eine latente Infektion mit dem Cytomegalievirus (CMV) und der Body-Mass-Index (BMI). Jede dieser drei Variablen wirkte sich ungefähr so stark auf die Immunantwort aus wie das Alter, das Geschlecht oder die genetische Ausstattung der jeweiligen Person. Dabei stach das Rauchen besonders hervor, weil es sowohl die angeborene als auch die adaptive Immunantwort beeinträchtigte, wobei sich bei Personen, die mit dem Rauchen aufgehört hatten, nur die angeborene Immunantwort schnell wieder normalisierte.
Die adaptive Immunantwort war dagegen auch bei Ex-Rauchern, die schon viele Jahre zuvor aufgehört hatten, noch verändert. Dies ist laut den Forschenden auf epigenetische Veränderungen zurückzuführen: Die Gruppe identifizierte bestimmte DNA-Methylierungsmuster, die die Zytokinfreisetzung beeinflussen und die sowohl bei aktiven als auch bei ehemaligen Rauchern nachweisbar waren, nicht jedoch bei Menschen, die nie geraucht hatten. »Dosisabhängig«, also abhängig davon, wie viele Jahre und wie viele Zigaretten eine Person insgesamt geraucht hatte, war bei Ex-Rauchern die Interleukin-2-Antwort auf eine Erregerstimulation herabgesetzt.
Die beobachteten Zusammenhänge könnten nicht nur erklären, warum Raucher infektanfälliger sind als Nichtraucher, sondern auch, warum ihr Risiko für Krebs und Autoimmunerkrankungen erhöht ist – und zwar teilweise noch lange über einen Rauchstopp hinaus. Daraus als Raucher abzuleiten, dass es sinnlos wäre aufzuhören, weil »es ja eh nichts bringt«, wäre jedoch grundfalsch. Denn es ist sehr gut belegt, dass sich das Krebsrisiko bei Ex-Rauchern mit der Zeit wieder demjenigen von Nichtrauchern annähert. Dies steht auch nicht im Widerspruch zu den Studienergebnissen, weil epigenetische Veränderungen nicht unumkehrbar sind.
In der Tat konnte in der Studie gezeigt werden, dass das Ausmaß der DNA-Methylierung in den Jahren nach einem Rauchstopp kontinuierlich abnahm. Wie schnell das gehen kann, hängt sicherlich auch davon ab, wie gesund sich ein Mensch ansonsten verhält.