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Wirkstoff-Anreicherung

Wie Lavalampen die Krebstherapie verbessern könnten

Lavalampen waren in den 1970er-Jahre der letzte Schrei. Doch auch heute noch sind sie Anschauungsobjekte für das chemische Phänomen der Phasentrennung. Weil diese in Zellen ebenfalls stattfindet – und auch Arzneistoffe betroffen sind –, können sie der Forschung helfen.
Annette Rößler
25.06.2020  12:00 Uhr

Wissen Sie noch, was eine Lavalampe ist? Die raketenförmigen Glasgebilde, in denen bunte Blasen auf- und abwaberten, durften eine Zeit lang in keinem Kinderzimmer fehlen. Heute ist die Lavalampe selten geworden. Doch ganz in Vergessenheit geraten ist sie nicht: Nach ihr ist ein Phänomen benannt, das für die pharmazeutische Forschung noch große Bedeutung erlangen könnte – der Lavalampen-Effekt. Er beschreibt das Verhalten von Zellbestandteilen, aber auch synthetischen Verbindungen, die dazu tendieren, sich in winzigen Tröpfchen zusammenzulagern.

Wie Elie Dolgin auf der Nachrichtenseite des Fachmagazins »Nature« ausführt, könnte der Lavalampen-Effekt einiges erklären, was Forschern derzeit Probleme bereitet: Nebenwirkungen von Medikamenten, Resistenzen gegen Wirkstoffe oder die Tatsache, dass viele Therapeutika, die im Labor vielversprechend sind, letztlich am Menschen scheitern (DOI: 10.1038/d41586-020-01838-z). Es geht um Drug Targeting innerhalb von Zellen und hierzu gibt es neue Erkenntnisse, die im Fachjournal »Science« erschienen sind (DOI: 10.1126/science.aaz4427).

Dort berichtet eine Gruppe um Dr. Isaac Klein vom Whitehead Institute for Biomedical Research in Cambridge, USA, dass sich Arzneimittel innerhalb von Zellen in sogenannten Kondensaten anreichern können. Die Konzentration in diesen tröpfchenartige Gebilden war bislang nur von natürlichen Zellbestandteilen, etwa RNA oder Proteinen, bekannt. Dass sie auch bestimmte Arzneistoffe betrifft, wiesen die Forscher am Beispiel von einigen niedermolekularen Wirkstoffen nach, die in der Krebstherapie verwendet werden.

Anreicherung am Wirkort

Die Wissenschaftler mischten zunächst Cisplatin mit verschiedenen Proteinen, von denen bekannt ist, dass sie im Zellkern Kondensate bilden, darunter MED1 (Mediator of RNA Polymerase II Transcription Subunit 1), ein Aktivator der Transkription. In vitro und in menschlichen Krebszellen reicherte sich daraufhin Cisplatin in MED1-haltigen Kondensaten an, sodass innerhalb des Kondensats die Cisplatin-Konzentration 600-mal höher war als außerhalb. Da MED1 vor allem die Transkription von Onkogenen anregt, ist diese Anreicherung aus therapeutischer Sicht wünschenswert: Sie bringt das Zytostatikum an den Wirkort.

Wie die Forscher am Beispiel Tamoxifen herausfanden, können Krebszellen allerdings dagegen Strategien entwickeln. Der selektive Estrogenrezeptor-Modulator reicherte sich zwar auch in MED1-haltigen Kondensaten an. Doch Tamoxifen-resistente Tumorzellen produzierten MED1 im Übermaß, sodass sich die Kondensate aufblähten und Tamoxifen darin stark verdünnt wurde. Die Tendenz, sich in dem Kondensat anzureichern, war gleichwohl vorhanden. »Jedes Krebsmedikament, das wir untersucht haben, findet sich in diesen phasengetrennten Kondensaten konzentriert«, sagt Seniorautor Professor Dr. Richard Young gegenüber »Nature«. Er kenne keinen Fall, in dem man das ignorieren könne.

Klein ergänzt, man wolle nun in weiteren Studien herausfinden, welche molekularen Eigenschaften dazu führten, dass Arzneistoffe sich in bestimmten Kondensaten anreichern. Mit diesem Wissen ließen sich dann vielleicht neue Wirkstoffe designen, die sich an den geeigneten Stellen innerhalb einer Zelle konzentrieren. Auf diese Weise könnten sich Wirkungen optimieren und Nebenwirkungen reduzieren lassen.

Das klingt in der Tat vielversprechend. »Nature« lässt jedoch auch einen Kritiker an dieser Theorie zu Wort kommen. Professor Dr. Robert Tijan, Biochemiker an der University of California in Berkeley, gibt zu bedenken, dass auch andere Mechanismen dafür verantwortlich sein könnten, dass sich Moleküle innerhalb von Zellen anreichern. Weil die Kondensate-Theorie so einleuchtend sei, könne es zur Entwicklung von Arzneistoffen kommen, die sich in bestimmten Tröpfchen anreichern – die aber in Wirklichkeit nur im Labor existieren.

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