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Cannabis auf Rezept

Wie häufig sind »Spaßverordnungen«?

Seitdem die Abgabe von Cannabis auf Rezept im März 2017 legalisiert wurde, sind die Verordnungszahlen stetig angestiegen. Steckt hinter all diesen Rezepten tatsächlich eine medizinische Indikation? Es gibt Hinweise, dass dem nicht so ist.
AutorKontaktAnnette Mende
Datum 01.02.2019  16:12 Uhr

Die Gefahren des Missbrauchs bei der medizinischen Anwendung von Cannabis waren das Thema einer Veranstaltung des Berufsverbands der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland (BVSD) heute in Berlin. Dieser befürchtet angesichts des Einflusses einer »recht massiven Cannabis-Lobby« eine »schleichende Grenzverwischung zwischen Cannabis als Arzneimittel und Cannabis als Genussdroge« – eine Entwicklung, vor der auch die Bundesapothekerkammer (BAK) schon mehrfach gewarnt hatte.

Ein Indiz einer solchen Grenzverwischung wäre die missbräuchliche Anwendung von Cannabis auf Rezept, für die BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer durchaus Hinweise sieht. Die Zahl der Rezepte und der Umsatz pro 1000 GKV-Versicherte für cannabishaltige Rezepturen seien seit März 2017 kontinuierlich angestiegen auf zuletzt (Oktober 2018) etwa 10.000 Rezepte und 81.000 Euro Umsatz. Das allein sei zwar noch kein Anzeichen für eine mögliche missbräuchliche Anwendung. Unterscheide man jedoch die Rezepturen in Zubereitungen aus Cannabis und unverarbeitete Cannabisdroge, ergebe sich ein anderes Bild: Denn pro Rezept werde mengenmäßig deutlich mehr unverarbeitete Cannabisdroge abgegeben, als wenn eine Zubereitung verordnet wird. Im November 2018 seien rund 6300 Mal Zubereitungen aus Cannabis und rund 4300 Mal unverarbeitete Cannabisdroge abgegeben worden; die abgegebenen Einheiten waren dagegen 7200 zu 6600. »Das ist für mich mehr als ein deutlicher Hinweis, dass es nicht nur im Sinne einer rationalen Pharmakotherapie eingesetzt wird«, sagte Kiefer.

Auch eine zweite Statistik weise aus seiner Sicht in diese Richtung, nämlich die Verordnungshäufigkeit in den einzelnen Bundesländern. Spitzenreiter sind Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Berlin und das Saarland; hier liegt die Verordnungshäufigkeit zum Teil deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Der Unterschied sei hoch, so Kiefer, die Spanne reiche von circa 30 Euro bis knapp 150 Euro pro 1000 GKV-Versicherte. »Gäbe es eine anerkannte Ratio in der Pharmakotherapie mit Cannabiszubereitungen, dürfte das nicht so sein.« Die große Differenz sei für ihn ein Hinweis, dass »offensichtlich der medizinische Bedarf nicht die Maßgröße ist, nach der Cannabis verordnet wird«, sagte der Apotheker.

Für die Kostenübernahme fehlen noch etablierte Kriterien 

Wird Cannabis verordnet, muss die Krankenkasse die Kostenübernahme zunächst genehmigen. Hierfür fehlen momentan noch etablierte Kriterien, bemängelte Dr. Detlev Parow, Leiter der Abteilung Arznei-/Hilfsmittel und sonstige Leistungen bei der DAK-Gesundheit. »Wir bewegen uns hier weitgehend in einem evidenzfreien Raum.« 99 Prozent der Anträge würden daher momentan vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) geprüft. Parow wies auf die großen Preisunterschiede zwischen der Droge und anderen cannabishaltigen Arzneimitteln hin. So seien Cannabisblüten etwa sechsmal so teuer wie Dronabinol. Auch vor dem Hintergrund des Wirtschaftlichkeitsgebots ist daher der starke Anstieg der Verordnungen von unverarbeiteter Cannabisdroge fragwürdig.

Dr. Axel Meeßen vom MDK Berlin-Brandenburg machte dagegen auch medizinische Bedenken geltend. Unverarbeitete Cannabisblüten sind häufig zur inhalativen Anwendung bestimmt. Hierbei fluten die enthaltenen Wirkstoffe wie ∆9-Tetrahydrocannabinol (THC) sehr schnell an und wieder ab. Bei der oralen Anwendung verläuft die Wirkspiegelkurve dagegen deutlich flacher. Starke Wirkspiegelspitzen sind bekanntlich mit einem höheren Missbrauchspotenzial assoziiert. »Inhalatives Cannabis müsste raus aus der Verordnungsfähigkeit. Es hat in der Therapie chronischer Schmerzen keinen Stellenwert«, lautete Meeßens Fazit.

Gegen den Verdacht, dass Ärzte durch die Verordnung von Cannabis in manchen Fällen einen Missbrauch unterstützen, wehrte sich Professor Dr. Joachim Nadstawek, Schmerzmediziner aus Bonn und Mitglied im Vorstand des BVSD, entschieden: »Ich erlebe in meiner Praxis keine Patienten, die eine Dosissteigerung fordern, wie es ja bei einem Missbrauch zu erwarten wäre.« Er kritisierte stattdessen, dass zu viele Anträge vom MDK abgelehnt würden – auch solche von Palliativpatienten.

Möglicherweise sind es aber ohnehin nicht spezialisierte Schmerzmediziner wie Nadstawek, die Cannabis zu leichtfertig einsetzen, sondern andere Fachärzte. »Der Druck, Cannabis zu verordnen, lastet eher auf den Allgemeinärzten«, sagte Erik Bodendiek von der Bundesärztekammer. Eine Möglichkeit, Fehlanwendungen zu vermeiden, sei daher aus seiner Sicht, die Berechtigung zur Verordnung von Cannabis auf einzelne Facharztgruppen zu beschränken.

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