Wie gut sind wir auf H5N1 vorbereitet? |
Christina Hohmann-Jeddi |
17.06.2024 16:20 Uhr |
In den USA hat ein Stamm des Vogelgrippevirus H5N1 den Sprung auf Milchkühe geschafft. Das Erkrankungsrisiko auch für Menschen steigt dadurch. / Foto: Getty Images/John M. Scott
Das Influenza-A-Virus vom Subtyp H5N1 breitet sich seit 2020 verstärkt bei Vogelpopulationen auf nahezu jedem Kontinent aus und richtet verheerende Schäden an. Auch immer mehr Säugetierarten werden befallen; inzwischen ist dies von 26 Säugerspezies bekannt. Zuletzt infizierte das Virus in den USA Rinder, was dem Erreger bislang nicht gelungen war, und breitete sich dort stark aus.
Inzwischen wurde H5N1 in 99 Milchkuhherden in zwölf US-Bundesstaaten nachgewiesen (Stand 14. Juni), informiert der US-amerikanische Tierärzteverband AVMA. Der Erreger kann offenbar auch von den infizierten Kühen auf andere Arten überspringen. So berichten laut Informationen des US-Landwirtschaftsministeriums mehr als 50 Prozent der betroffenen Farmen, die Katzen besitzen, sie hätten kranke oder tote Katzen gefunden.
Auch Menschen können sich mit dem Vogelgrippevirus infizieren, wenn auch selten: Bislang ist dies bei drei Farmarbeitern geschehen, die mit infizierten Milchkühen gearbeitet hatten. Alle zeigten milde Symptome. Vereinzelt ist es dem Virus also gelungen, die Artgrenze zu überwinden. Zu einer Pandemie beim Menschen käme es aber erst, wenn H5N1 sich effektiv von Mensch zu Mensch verbreiten könnte.
Hierfür sei eine Reihe von Anpassungen in allen Vermehrungsphasen des Virus nötig, berichtet Professor Dr. Martin Beer, Leiter des Instituts für Virusdiagnostik am Friedrich-Loeffler-Institut in Greifswald. Es sei »sehr unwahrscheinlich, dass bei einer sporadischen, ersten Infektion bereits per Zufall alle erforderlichen Anpassungen erfolgen können.« Wahrscheinlicher wäre eine Adaption, wenn ein anderer Wirt infiziert würde, der bereits eigene Influenzaviren besitzt, mit denen das neue Vogelgrippevirus reassortieren, also genetisches Material austauschen könnte. Ein klassisches Beispiel für eine solche Wirtsart ist das Schwein.
Den H5N1-Ausbruch bei Milchkühen in den USA schätzen Autoren des Fachjournals »The Lancet« in einem Editorial wie folgt ein: »Auch wenn die Entwicklungen der letzten drei Monate nicht unbedingt den Beginn einer globalen Pandemie signalisieren, so sind sie doch zumindest eine dringende und unbequeme Erinnerung an die Launen der zoonotischen Influenza und an unsere anhaltende kollektive Selbstgefälligkeit in diesem Bereich.« Die Autoren kritisieren in diesem Zusammenhang, dass bislang kein internationales Abkommen zum Umgang mit Pandemien abgeschlossen wurde. Ihr Fazit: »Trotz Covid-19 sind die meisten Länder nicht auf eine neue Pandemie vorbereitet.«