Wie geht man beim Kauf einer Apotheke vor? |
Daniela Hüttemann |
27.06.2023 18:00 Uhr |
Auch auf die Lage kommt es an. So sind etwa genügend Arztpraxen in der Nähe einer Apotheke ein wichtiger Faktor. / Foto: Imago images/Reiner Zensen
Inflation, steigende Zinsen, Personalknappheit – ist es überhaupt die richtige Zeit, um jetzt eine Apotheke zu übernehmen? Ja, meint Marcus Schniedermeier, Regionalexperte der Treuhand Hannover für Apotheken-Ankauf und -Verkauf in Westfalen-Lippe. Denn es ist derzeit ein Käufermarkt: Etwa ein Drittel der Inhabenden wird in den kommenden 15 Jahren in den Ruhestand gehen. Dem stimmte Sebastian Pohlmann, Direktor Private Banking bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank in Düsseldorf, zu.
Schon jetzt stehen mehr Apotheken zum Verkauf als sich Interessenten finden. Zwar seien nicht alle davon davon zukunftsfähig, sagte Schniedermeier beim Existenzgründer-Workshop von Apothekerverband und -kammer Nordrhein sowie Treuhand Hannover, Apobank und ARZ Haan vergangene Woche in Düsseldorf. »Es gibt aber immer noch viele Super-Apotheken da draußen«, versicherte er. Zumal sich bei zurückgehenden Apothekenzahlen der Umsatz und auch das Personal auf die verbleibenden Betriebe verteilen würde.
Welche Apotheke für einen selbst die richtige ist, ist neben den Zahlen auch eine sehr individuelle Entscheidung, betonte der Wirtschaftswissenschaftler. Allein die Kennzahlen seien immer schwieriger zu bewerten. Der durchschnittliche Umsatz steige, der Großteil der Apotheken liege jedoch mittlerweile darunter. »Daumenregeln zur Abschätzung des Apothekenwerts funktionieren heute nicht mehr«, so der Referent.
Es gelte, viele Besonderheiten zu beachten, neben den Corona-Umsätzen der letzten drei Jahre etwa auch den Anteil von Hochpreisern und OTC-Arzneimitteln – und die Personalsituation. Manchmal könne bei einer Apotheke mit 2 Millionen Euro Jahresumsatz unterm Strich mehr übrig bleiben als bei einer mit 3,5 Millionen Euro Umsatz. »Man muss wirklich genau hinschauen«, betonte Schniedermeier. Kaufwilligen riet er zu einer betriebswirtschaftlichen Auswertung plus Objektanalyse.
Neben den Kennzahlen ist die Lage entscheidend. Hierbei wichtigster Punkt: »Ohne Arzt funktioniert die Apotheke nicht«, betonte Schniedermeier. Sind verschiedene Ärzte im Umfeld – und wie alt sind diese? »Es nutzt nicht, wenn derzeit zwar viele Arztpraxen dort sind, aber auch die Ärzte dort kurz vor dem Ruhestand sind und keinen Nachfolger haben.« Auch eine Konkurrenzanalyse gehört dazu (wie viele andere Apotheken gibt es in der Umgebung, wie stehen diese da, bietet sich hier demnächst eine Übernahme als Filiale an?).
Besonderes Augenmerk verdient der Mietvertrag für die Räumlichkeiten der Apotheke. »Der Mietvertrag sollte langfristig sein, am besten so lange wie der Kredit, der zur Apothekenfinanzierung aufgenommen wird«, erklärte Schniedermeier.
Die jetzige und künftige Verkehrs- und Infrastrukturlage sowie die regionale Wirtschaftslage sollten berücksichtigt werden – ziehen neue Einwohner zu, gibt es in der Nähe ein Neubaugebiet, wird ein Einkaufszentrum oder Supermarkt als Frequenzbringer gebaut oder gar ein Ärztehaus? Und liegt meine Apotheke dann auch auf der richtigen Straßenseite, auf den Laufwegen? Gibt es einen Kundenparkplatz? Liegen Pflegeheime im Einzugsgebiet, die ich beliefern könnte?
Auch weitere Verträge, zum Beispiel mit Heimen, Lieferanten und Personal, sollte man sich anschauen, ebenso die Einrichtung und Ausstattung inklusive Kommissionierer. Wie viel Investitionsbedarf besteht noch? »Der Preis setzt sich dann letztlich zusammen aus Warenlager, Ausstattung und Firmenwert«, so Schniedermeier. Doch gerade letzterer sei eben schwierig zu ermitteln und nicht immer ganz objektiv.
Findet man das passende Angebot, gelte es, einen für beide Seiten fairen Kaufpreis zu vereinbaren. Der alte Inhaber hat sicherlich bestimmte Preisvorstellungen für sein Lebenswerk, aus dem er oft auch seinen Ruhestand noch finanzieren muss. Allerdings hat er meist seine Kredite schon abgezahlt. Manchmal lohne es sich als Käufer, etwas zu warten, bis ein Verkäufer angesichts der derzeitigen Marktlage eine realistische Vorstellung entwickle. Verhandlungsgeschick sei natürlich immer gefragt. Manchmal helfe auch eine gewisse Offenheit, was dem neuen Inhaber abzüglich aller Kredite und Investitionskosten überhaupt übrig bleiben würde, um den alten Inhaber zu überzeugen.
Die Kreditzinsen sind zuletzt wieder deutlich gestiegen – die Treuhand rechnet mit 30.000 Euro mehr als noch letztes Jahr auf den Kaufpreis. Inflation, steigende Energiepreise und Gehälter – all das sollte man auf dem Schirm haben. Viele abzugebende Apotheken hätten Modernisierungsbedarf. »Es muss sich auch für den neuen Inhaber lohnen, daher sollten beide Parteien auf jeden Fall verhandeln«, so Schniedermeier.
Die Verhandlungen könnten und dürften sich durchaus ziehen. Grundsätzlich sollten Existenzgründer mit zwei bis drei Jahren von der Entscheidung bis zur eigentlichen Übernahme rechnen. Kauft man als Angestellter die Apotheke vom derzeitigen Chef, könne es schneller gehen, ebenso bei der Übergabe innerhalb der Familie.
Übrigens nehme als Betriebsform die OHG zu, ob in der Familie oder mit Studienkollegen. »Wichtig ist hierbei, vorher über alles zu sprechen, auch wie viel Zeit und Arbeitskraft man einbringen will und wie der Gewinn aufgeteilt werden soll«, so Schniedermeier. »Es ist wie bei einer Ehe – Sie sollten sich vor der Vertragsunterzeichnung sicher sein und keine Bauchschmerzen haben.« Und noch eine Parallele gibt es: Seinen Mitinhaber sieht man vermutlich mehr Stunden am Tag als den Ehepartner. Am häufigsten sei aber immer noch die Apothekenübernahme durch Einzelkäufer.
»Es gibt nicht den einen Wert einer Apotheke und auch nicht die eine Bewertungsmethode«, ergänzte Sebastian Pohlmann, Direktor Private Banking der Apobank-Filiale Düsseldorf, in seinem Vortrag. Eine gesetzliche Vorgabe gebe es hier nicht. Auch er griff einige der oben genannten Punkte wie den Mietvertrag (mindestens zehn bis 15 Jahre) auf und erklärte, dass sich vor allem über den ideellen Wert der Apotheke verhandeln lasse.
Wie sich der Traum von der eigenen Apotheke finanzieren lässt, erklärte Sebastian Pohlmann von der Apobank. / Foto: AVNR/Alois Müller
Der materielle Wert lasse sich durch öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ermitteln. Aber ob ein solch ermittelter Wert auch realistisch sei, hänge eben von der Marktsituation und den Verhandlungspartnern ab. »Als Kaufinteressenten ermitteln wir zunächst mit Ihnen, wie viel Sie zahlen können und wollen und was Sie am Ende des Monats quasi als Ihr Gehalt herausbekommen wollen. Dann rechnen wir aus, ob das mit diesem Objekt realisierbar ist und der Kaufpreis für Sie tragbar ist«, erklärte Pohlmann. Das hänge auch von der Höhe des eigenen Engagements ab.
»Wir fragen Sie dann auch, was Sie an der Apotheke ändern wollen und erstellen einen Investitions- und einen Finanzierungsplan. Dabei gilt: Kurzlebige Investitionen wie das Warenlager finanziert man kurzfristig, langlebige Investitionen wie Einrichtung oder Kommissionierer langfristig«, erklärte der Banker eine Faustregel. Alle Investitionen würden vorher auf ihre Rentabilität geprüft, denn eine falsche Investitionsentscheidung könnte auch die beste Finanzierung nicht ausbügeln.
Immer öfter würden nicht nur Einzelapotheken, sondern gleich Filialverbünde gekauft. Die Kaufpreise lagen zuletzt bei 1,2 Millionen Euro für 2,1 Apotheken. Der durchschnittliche Verkaufspreis für eine einzelne Apotheke pendle seit Jahren etwa um eine halbe Milliarde Euro. 97 Prozent der Käufe seien Übernahmen, nur 3 Prozent Neugründungen. Die Käufer sind in der Mehrheit weiblich (57 Prozent) und zwischen 30 und 40 Jahre alt.
So individuell wie die Wertermittlung sei auch die Finanzierung. Mit Eigenkapital würde er den Apothekenkauf nicht finanzieren, dies ließe sich anders besser anlegen. Stattdessen gebe es neben den klassischen Tilgungsdarlehen und Annuitätendarlehen, wie man sie aus der Baufinanzierung kennt, noch spezielle Finanzierungsformen wie das »apo Apothekenkonzept« der Apobank, falls der Käufer gleichzeitig noch ein Eigenheim finanzieren will. Damit ließe sich die Steuerlast maximal senken und verschaffe einen Liquiditätsvorteil. »Wichtig ist, dass private und gewerbliche Darlehen strikt getrennt bleiben«, so Pohlmann, der auch Fördermöglichkeiten zum Beispiel durch KfW-Darlehen vorstellte. »Sie entscheiden, was das richtige Modell und die richtige Laufzeit ist«, betonte Pohlmann.
Neben dem Kredit für den Kauf sei es wichtig, auf ausreichende Liquidität mit entsprechender Kreditlinie zu achten. »Auch nach der Gründung kann noch viel passieren – das sollten Sie gemeinsam mit Steuerberater und Bank im Blick behalten und frühzeitig reagieren«, sagte Pohlmann. Wichtig sei auch, Privat- und Geschäftskonten vom ersten Tag der Gründungsphase an zu trennen.