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Pharmakokinetik

Wie feste Arzneiformen durch den Magen gehen

Der Magen gilt als relativ einfaches Organ, doch vieles ist noch nicht verstanden – auch zur Passage von festen Arzneiformen. Ein großes Glas Wasser zur Tabletteneinnahme ist jedenfalls immer ein guter Tipp.
AutorKontaktDaniela Hüttemann
Datum 18.11.2025  10:00 Uhr

Zunächst einmal: Der Magen ist kein Resorptionsorgan. »Hier wird wirklich gar nichts aufgenommen, auch kein ASS«, betonte Professor Dr. Werner Weitschies, pharmazeutischer Technologe von der Uni Greifswald, kürzlich in seinem Vortrag »Über die Bedeutung des Magens bei der oralen Arzneistofftherapie« bei der Scheele-Tagung in Warnemünde.

Erst dieses Jahr zeigte eine Studie, dass die Magenanatomie an sich einfach, aber interindividuell hoch variabel ist – es gibt unterschiedliche Magenformen – »und alle funktionieren«, so Weitschies. »Seine Aufgaben sind die Speicherung, Zerkleinerung, (Vor-)Verdauung und Entleerung in Kommunikation mit dem Darm und dem enterischen Nervensystem.« Letzteres verstehe man bislang nur in Ansätzen.

Pharmatechnologisch geht es vor allem darum, den Arzneistoff durch den Magen durchzubekommen, damit er im Darm resorbiert wird, um dann wirken zu können. Wichtig dafür zu wissen: »Wir müssen zwei Zustände streng trennen: den postprandialen, digestiven Zustand direkt nach der Nahrungsaufnahme und den nüchternen oder interdigestiven Zustand – eine Art Ruhephase zur Reinigung und Entleerung.«

Anfluten des Wirkstoffs hängt an Geschwindigkeit der Magenentleerung

Die Putzwellen seien wie heftige Kontraktionen, die in 60- bis 90-minütigen Zyklen erfolgen, bis der Magen wieder Nahrung bekommt. »Alles, was größer als zwei Millimeter ist, also auch Arzneiformen, die nicht zerfallen (zum Beispiel Retardtabletten), können vorher nicht raus und auch nicht wirken«, erklärte Weitschies. Die Geschwindigkeit des Anflutens des Wirkstoffs im Blutplasma werde in den meisten Fällen durch die Geschwindigkeit der Magenentleerung bestimmt. Ausnahmen bestätigen die Regel: Amlodipin flutet immer gleich an – »wir wissen nicht, wieso.«

Der Kontakt mit Nahrung kann das Ausmaß der Arzneimittelresorption erhöhen oder erniedrigen (positiver oder negativer Food-Effekt). »Wir wissen aber noch viel zu wenig über die Realzustände der Arzneistoffresorption«, beklagte Weitschies.

In klinischen Studien seien die Bedingungen jedoch genau vorgegeben. Die Gegebenheiten seien hier mitunter »außerhalb jeglicher Realität«, bezogen auf Fastenzeiten oder auch das vorgeschriebene »FDA-Frühstück« mit Toast, Eiern, Speck und reichlich Butter – um die 1000 Kilokalorien. Ein Glas Wasser zur Tablette verdünnt die Magensäure auf pH 3 bis 5 und die Temperatur im Magen sinkt, wenn das Wasser kalt war. »Die realen Bedingungen stimmen also nicht mit unseren Standardversuchen überein.« 

Bei Morgen-Einnahme immer ein ganzes Glas Wasser trinken

Ist die Nüchterneinnahme morgens zumindest reproduzierbar? Auch hier gebe es Unterschiede. Studien zeigten ein sehr variables Volumen an Magensaft zwischen 0 und 156 Millilitern. Das habe damit zu tun, wo im Motilitätszyklus des Magens man sich befindet, wenn man aufsteht. »Wenn wir aufwachen, wissen wir nicht, wo im Zyklus wir gerade sind – daher müssen Sie morgens immer die Menge Wasser trinken, die Sie zum Auflösen Ihrer Arzneiform brauchen. Nicht nur sippen, sondern ein ganzes Glas!«, mahnte Weitschies. Trinken sei sehr wichtig für eine gleichbleibende Arzneistoffresorption.

Weitschies forscht selbst an der Thematik und brachte eindrucksvolle MRT-Bilder mit, wie Wasser und verschiedene Arzneiformen durch den Magen gehen. 240 ml Wasser auf nüchternen Magen seien innerhalb von 30 Minuten weg, bei vielen schon nach 15 Minuten.

Selbst schnell freisetzende Tabletten würden nicht immer vollständig im Magen zerfallen, erläuterte Weitschies. Bei nüchterner Einnahme würden in etwa 5 Prozent der Fälle Tabletten und Kapseln den Magen noch vor ihrem Zerfall passieren. Das kann sowohl sehr hohe Maximalspiegel als auch sehr geringe Spiegel auslösen. Was sich nicht im Magen löst, bleibt als Partikel im Magen liegen und muss auf die nächste Peristaltik-Welle warten, um in den Zwölffingerdarm zu gelangen.

Magenstraße: Die Abkürzung für Tabletten

Und wenn vorher etwas gegessen wurde? Dann fließt das getrunkene Wasser um den Mageninhalt herum, erzählte Weitschies. Das Wasser nimmt die sogenannte Magenstraße. Das ist eine Ansammlung von Schleimhautfalten im Bereich der kleinen Magenkrümmung. Sie verläuft vom Mageneingang bis dessen Ausgang, dem Pylorus. Die Falten wirken wie ein Kanal, über den Flüssigkeit schnell den Magen passieren kann, am Nahrungsbrei vorbei. »Das funktioniert immer, ob man ein FDA-Breakfast, eine Low-Fat-Mahlzeit oder ein Schokoladen-Mousse gegessen hat«, berichtete der Referent. Ermöglicht wird dies dadurch, dass Wasser trinken einen Dehnungsreiz auslöst und Platz schafft.

Arzneiformen, die sich sehr schnell auflösen oder zerfallen, können die primäre Magenstraße nehmen und schnell anfluten, trotz vollen Magens, vergleichbar mit der Nüchterneinnahme. Bei langsamer Auflösung / Zerfall wird der Wirkstoff nicht oder nur wenig mit dem Mageninhalt vermischt und wird mit später getrunkenem Wasser immer noch relativ schnell entleert (verzögerte Magenstraße). Wird die Arzneiform zum Essen genommen, vermischt sie sich mit der Nahrung. Dann kann es dauernd, da der aufgelöste Wirkstoff kontinuierlich mit dem Nahrungsbrei entleert wird.

Um schwankende Wirkspiegel zu vermeiden, sollte eine Dauermedikation daher möglichst immer unter gleichen Bedingungen eingenommen werden. Und wer postprandial akute Kopfschmerzen bekommt, sollte am besten eine Brausetablette nehmen. Um den Effekt der Magenstraße zu nutzen, sollte man auch ausreichend Wasser trinken, indem der Arzneistoff sich lösen kann.

Welchen Einfluss hat die Körperposition auf das Anfluten?

Auch dieser Frage ging Weitschies’ Arbeitsgruppe nach. Er empfiehlt, die Tablette oder Kapseln aufrecht sitzend zu schlucken – und auch sitzen zu bleiben. Dann drückt die Schwerkraft des Wassers auf den Pylorus, was die Magenentleerung beschleunigt. Auf dem Rücken liegend oder in linker Seitenlage flutete der Versuchs-Wirkstoff Koffein in der Versuchsreihe deutlich langsamer an; in rechter Seitenlage geht es so schnell wie aufrecht.

Das steht etwas in Widerspruch mit einer weltweit viel beachteten Studie der Johns Hopkins Universität aus dem Jahr 2022, die die rechte Seitenlage empfahl. Allerdings verwendeten die Forschenden hier ein Computermodell, erläuterte Weitschies die Diskrepanz zu seiner eigenen Versuchsreihe mit echten Probanden. Es bleibt also bei der Empfehlung: am besten aufrecht bleiben, wenn die Wirkung schnell eintreten soll und wenn hinlegen, dann auf die rechte Seite.

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