Wie Deutschland die Ukraine im Winter unterstützt |
Melanie Höhn |
21.12.2022 09:00 Uhr |
Ankunft und Verteilung der Arzneimittel im Krankenhaus in der Ukraine. / Foto: Apotheker ohne Grenzen
Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine mussten bereits mehr als 14 Millionen Menschen ihr Zuhause verlassen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat seit Kriegsbeginn mehr als 700 Angriffe auf die Gesundheitsinfrastruktur der Ukraine registriert. Den Menschen dort stehe ein «lebensbedrohlicher Winter» bevor.
Die Bundesregierung hatte der Ukraine vergangene Woche in Paris weitere 50 Millionen Euro Hilfe für den Winter zugesagt. Seit Beginn des Krieges wurden laut Regierungsangaben insgesamt mehr als 600 Millionen Euro für humanitäre Hilfe und zur kurzfristigen Instandsetzung der Energieinfrastruktur bereitgestellt. Damit sei Deutschland der zweitgrößte Geber nach den USA. Hinzu kommen Sachspenden wie Generatoren und Transformatoren. Mit den Mitteln des Auswärtigen Amtes werden die Vereinten Nationen und ihre Partnerorganisationen noch bis zum Jahresende unter anderem 300.000 Personen mit Decken und Matratzen versorgen können.
Die deutschen Hilfszahlungen würden dazu beitragen, die Menschen in der Ukraine mit dem Nötigsten zu unterstützen: So werde es möglich, winterfeste Kleidung zu verteilen, 75.000 Haushalte mit Heizungen und 50.000 weitere Haushalte mit festen Brennstoffen wie Kohle auszustatten. Zusätzlich sollen Gemeinschaftsunterkünfte für 40.000 Personen winterfest gemacht und Wohnungen von 18.000 Haushalten gedämmt werden.
Deutschland steuere zudem Material für die Notversorgung und Instandsetzung der Energieinfrastruktur bei. Neben Ersatzteilen liefere das Land auch Stromgeneratoren und Heizgeräte an die Ukraine. Die Sach- und Hilfsgüter, die aus Mitteln des Auswärtigen Amtes und des Technischen Hilfswerks (THW) beschafft, sind, würden auch von den Bundesländern, der Bundespolizei und Bundeswehr zur Verfügung gestellt. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und das Technische Hilfswerk (THW) übernehmen, auch über Zwischenlager in Polen, der Slowakei und Rumänien, den Transport in die Ukraine.
Dass die Ukraine dringend Nothilfe benötigt, bestätigt auch die Apothekerin Margarethe Zinser aus dem Ukraine-Koordinationsteam von Apotheker ohne Grenzen (AoG). Die Organisation unterstütze die Ukraine weiter mit regelmäßigen Hilfslieferungen – allerdings seien seit Sommer die Spendengelder drastisch zurückgegangen, was das Handeln schwieriger mache. Es müsse nun mehr abgewogen werden, welches Hilfsgesuch angenommen werden könne und welches nicht – dennoch habe die Organisation seine Partnerschaften vor Ort intensiviert.
»Wir freuen uns immer, wenn eine Lieferung angekommen ist. Die Menschen sind sehr dankbar«, erzählt Zinser. Was genau gebraucht werde, sei aber schwierig zu identifizieren, weil es sich jeden Tag ändere. Zudem sei die Versorgungslage im Winter sehr angespannt, Energie und Wasser seien knapp und das Abwasser funktioniere nicht richtig – dies fördere die Gefahr von Infektionen. »Wir blicken angespannt auf den Winter«, sagt die Apothekerin. »Man ist sehr ohnmächtig. Die Infrastruktur ist kaputt, den Menschen ist es nicht mehr möglich, sich zu versorgen.«
Ein weiteres großes Problem unter der ukrainischen Zivilbevölkerung: Mit ihren letzten finanziellen Mitteln würden die Menschen ihre Häuser wintertauglich machen und Reparaturen erledigen, die durch die Luftangriffe entstanden sind. Das Geld werde jedoch nicht mehr dafür genutzt, ihre Medikation zu bezahlen, die gegebenenfalls benötigt werde. »Es ist eine humanitäre Vollkatastrophe«, sagt Zinser.
Gut eingestellte Erkrankungen würden sich wieder verschlechtern, der Gesundheitszustand vieler Menschen sei kritisch. Da AoG auch mit ukrainischen Kliniken zusammenarbeitet, weiß man, dass der Bedarf an Antibiotika, Schmerzmitteln oder Desinfektionsmitteln weiterhin groß ist. »Wir versuchen aber auch gezielt mit Medikamenten für chronische Erkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck zu unterstützen «, so Zinser. Dramatisch zugenommen hätten auch die psychischen Erkrankungen, die eine Dauermedikation benötigen – AoG sei in ständigem Austausch mit seinen Partnern vor Ort.
Zinser macht noch einmal auf den Leitfaden zur richtigen Spendenpraxis aufmerksam: »Altarzneimittel bringen uns gar nichts, wir wollen keinen Schaden vor Ort verursachen und haben keine Lagerungskapazitäten hier in Deutschland. Außerdem würde die Sichtung der Spenden zu viel Zeit beanspruchen und es ist meistens nicht das was gebraucht wird.«
Einzelne Aktionen von Apothekern wären dann sinnvoll, wenn die Apotheke Kontakte vor Ort habe und sich absolut sicher sein könne, dass die Medikamente gezielt dort landen, wo sie gebraucht werden. »Man muss aber aufpassen in welche Hände sie geraten und ob sie sachgerecht transportiert werden können.«
Generell rät Zinser dazu, lieber professionelle Hilfsorganisationen mit einer Geldspende zu unterstützen: »Wir haben auch die Möglichkeit, verschreibungspflichtige Arzneimittel einzukaufen und versuchen, in großen Mengen kostengünstig zu bestellen«, sagt sie. »Wir wollen aber das Engagement der Apotheker nicht geringschätzen«. Auch die Spendendosen in den Apotheken würden gut angenommen und dafür gebe es häufige Anfragen – diese sind auch weiterhin kostenlos erhältlich.
Das Medikamentenhilfswerk Action medeor hatte zuletzt im November eine Hilfslieferung mit dringend benötigten Arzneien und Erste-Hilfe-Sets an das ukrainische Zentrum für Öffentliche Gesundheit gesendet. Damit wurden die Menschen in der südukrainischen Stadt Cherson mit medizinischer Ausrüstung und Medikamenten aus Deutschland versorgt. Nach dem Rückzug der russischen Truppen ist die Infrastruktur der Stadt weitgehend zerstört und es fehlt an medizinischer Ausrüstung und Versorgung. Bestandteil der Hilfslieferungen sind Ersthelfer-Ausrüstung wie Kompressen, Bandagen, Verbandsstoffe und Rettungsdecken.
Außerdem brachte Action medeor dringend benötigte Medikamente auf den Weg, darunter Infusionslösungen, Antibiotika, Vitaminpräparate und Herz-Kreislauf-Medikamente. Die Sendung umfasste 5,5 Tonnen und hatte einen Gesamtwert von über 300.000 Euro, der komplett aus Spendenmitteln finanziert wurde. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine hat Action medeor mehr als 140 Hilfslieferungen im Gesamtwert von fast sechs Millionen Euro auf den Weg in die Ukraine gebracht.
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