Wie Darmbakterien die Therapie beeinflussen |
Theo Dingermann |
26.06.2024 12:30 Uhr |
Das Darmmikrobiom könnte einer neuen Studie zufolge einen messbaren Einfluss auf das (Nicht-)Ansprechen einer Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren oder CAR-T-Zellen haben. Bestimmte Bakterienarten sind eher mit einem positiven Verlauf assoziiert als andere. / Foto: Getty Images/Science Photo Library
Das Gleichgewicht der bakteriellen Gemeinschaften im Darm beeinflusst, wie gut Krebspatienten auf eine Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren oder CAR-T-Zellen ansprechen. Allerdings tappt man nach wie vor weitgehend im Dunkeln, die Mechanismen dahinter wirklich zu verstehen. Von einem Fortschritt berichten nun Forschende um Dr. Lisa Derosa vom französischen Krebsforschungszentrum Gustave Roussy in Villejuif, die ihre Daten im Wissenschaftsjournal »Cell« publizierten.
Basierend auf der Sequenzierung von Stuhlproben von 245 Lungenkrebspatienten mittels der sogenannten Shotgun-Metagenomik identifizierten die Forschenden zwei Bakteriencluster, die das Ansprechen einer Therapie mit einem Checkpoint-Inhibitor auf unterschiedliche Weise beeinflussen. Diese Cluster werden als »species-interacting groups« (SIG) bezeichnet.
Die erste Gruppe, SIG1, umfasste 37 Mikroorganismen, die mit einer Resistenz gegenüber Checkpoint-Inhibitoren assoziiert sind. In diesem Cluster findet man typischerweise Mitglieder der Familien Enterocloster, Streptococcaceae, Veillonellaceae und Lactobacillaceae, die auch in der Vergangenheit häufiger bei Patienten gefunden wurden, die nicht auf Immuntherapien ansprechen.
Die zweite Gruppe, SIG2, umfasste 45 Bakterienarten, darunter Mitglieder der Familien Lachnospiraceae und Oscillospiraceae, die mit günstigen klinischen Reaktionen assoziiert sind, die eine Immuntherapie positiv beeinflussen können. Patienten mit dominanter Präsenz von SIG2-Bakterien in ihrer Mikrobiota zeigten eine längere Überlebenszeit bei Lungenkrebs.
Für jeden Menschen lässt sich ein Verhältnis von SIG1 zu SIG2 bestimmen. Zusätzlich wurde ein weiterer Cluster identifiziert, der häufig bei Patienten vorkommt, deren SIG1/SIG2-Verhältnis im Zwischenbereich liegt. Dieser enthält oft Bakterien der Gattung Akkermansia.
Die Forschenden entwickelten einen topologischen Score (Toposcore), der sich aus dem Verhältnis von SIG1 zu SIG2 und der Häufigkeit von Akkermansia muciniphila (Akk) berechnet. Dieser Score gibt Informationen darüber, wie wahrscheinlich es ist, dass eine Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren – die den PD1-Rezeptor (»programmed cell death protein 1«) oder dessen Liganden PD-L1 blockieren – anschlägt.
Nach jetzigem Stand lässt sich mithilfe des Toposcores das (Nicht-)Ansprechen einer Krebsimmuntherapie bei Patienten mit nicht kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) mit einer Sensitivität von 74,1 Prozent und einer Spezifität von 56,8 Prozent voraussagen. Um die Anwendung in der klinischen Praxis zu erleichtern, arbeiten die Forschenden daran, den Toposcore durch einen PCR-basierten Test zu ersetzen, der die aufwendige Shotgun-Metagenomik-Sequenzierung ersetzen könnte. Mithilfe eines solchen Tests soll es möglich sein, innerhalb von 48 Stunden eine relevante Bakterienprävalenz bestimmen zu können.
Erste Ansätze zeigen, dass ein PCR-basierter Schnelltest, der sich leicht in die klinische Routine übertragen lässt, tatsächlich verwendet werden kann, um NSCLC-Patienten besser in Responder und Non-Responder für Immuntherapien zu klassifizieren.
Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse dieser Studie, dass im Darm kooperative Ökosysteme existieren, die klare Muster zeigen, die klinisch relevant für das Ansprechen oder Nicht-Ansprechen auf Krebsimmuntherapien sind. Weiterhin wird es wichtig sein, zu untersuchen, wie sich therapeutische Maßnahmen auf die Darmmikrobiota auswirken, um diese in der klinischen Praxis nutzbar zu machen. Hierfür werden Langzeitstudien notwendig sein.
Noch lassen sich die Erkenntnisse nicht in der Klinik nutzen, bestätigt auch Professor Dr. Maria Rescigno von der Humanitas-Universität in Mailand in einem Beitrag zu der Publikation in »Nature«. Dennoch zeigt sich die Immunologin optimistisch, dass die in dieser Studie vorgestellten Ansätze zukünftig Therapieentscheidungen verbessern könnten.