Widerstand bei Cannabis-Legalisierung |
Lukas Brockfeld |
17.01.2024 14:00 Uhr |
Es bleibt unklar, ob sich die Deutschen bald legale Joints rollen dürfen. / Foto: Getty Images/juanma hache
Die Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken war eines der großen Versprechen der Ampel-Regierung und erschien als eines der wenigen Vorhaben, bei dem sich die dauerzerstrittenen Koalitionäre einig waren. Ursprünglich planten sie eine kontrollierte Abgabe in Fachgeschäften, Anbau und Vertrieb der Droge sollten staatlich kontrolliert werden. Auch ein Verkauf in Apotheken war zwischenzeitlich im Gespräch. Doch die rechtlichen Vorgaben der Europäischen Union zwangen Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) zu einer Planänderung.
Statt einer weitreichenden Legalisierung verspricht die Bundesregierung jetzt eine Entkriminalisierung mit strengen Auflagen. Cannabis soll aus dem Betäubungsmittelgesetz gestrichen werden. Volljährige sollen eine bestimmte Menge der Droge und maximal drei Hanfpflanzen zum Eigenanbau besitzen dürfen. Außerdem will man den gemeinschaftlichen Anbau in sogenannten »Cannabis Social Clubs« ermöglichen. Der Bundestag sollte noch im Dezember über das Gesetz abstimmen, damit es am 1. April 2024 in Kraft treten kann. Doch der Entwurf hat es bis heute nicht auf die Tagesordnung des Parlaments geschafft. Offenbar stößt das Vorhaben in Teilen der SPD auf erheblichen Widerstand.
In den vergangenen Wochen äußerten sich mehrere prominente Sozialdemokraten ablehnend zu den Legalisierungsplänen und kündigten an, im Bundestag gegen das Gesetz ihres Parteigenossen Lauterbach zu stimmen. Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler sagte im »Spiegel«: »Schon im ersten Schritt, ohne Bedingungen unkontrolliert den Eigenanbau für Erwachsene zu erlauben, wäre ein großer Fehler. Das Gesetz hat keinerlei Auswirkungen auf die organisierte Kriminalität und verfehlt damit ein Kernziel.«
Einige Sozialdemokraten scheinen sich außerdem um das öffentliche Bild der Bundesregierung zu sorgen, wenn sich diese angesichts von Wirtschaftskrise und Bauernprotesten prioritär mit dem Kiffen befasse. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, eigentlich ein Unterstützer der Legalisierung, sagte schon im Dezember, seine Partei wolle »erst einmal die Haushaltsfragen klären«.
Die Legalisierungsgegner stützen sich offenbar auch auf einen internen Bericht des Bundeskriminalamts (BKA), wie die »Süddeutsche Zeitung« berichtet. In diesem wird eine Mehrbelastung der Polizei durch die kleinteiligen Vorgaben des Cannabis-Gesetzes befürchtet: »In der Gesamtschau kann festgestellt werden, dass auf die Strafverfolgungs- und Ordnungsbehörden der Länder zusätzliche Aufgaben und Aufwendungen in Form von Personal- und Sachkosten zukommen werden,« so das BKA. Außerdem befürchte man eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit, daher müsse die Polizei auch hier ihre Kontrolltätigkeit intensivieren.
Die Entlastung von Polizei und Justiz ist ein zentrales Argument für ein Ende der Cannabis-Prohibition. Allein im Jahr 2022 gab es laut polizeilicher Kriminalstatistik 174.876 konsumnahe Cannabis-Delikte, die nichts mit Handel, Schmuggel oder dem Anbau in großen Mengen zu tun hatten. Diese Verfahren werden zwar meist von der Justiz eingestellt, bedeuten aber trotzdem einen erheblichen personellen Aufwand. Eigentlich soll die Legalisierung die Behörden entlasten, doch angesichts des BKA-Berichts scheint es fraglich, ob diese Rechnung aufgeht.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) teilte auf Nachfrage der PZ am Mittwoch mit, dass der Gesetzesentwurf aus Sicht des Ministeriums stehe, und dass es Aufgabe des Parlamentes sei, letzte Änderungen vorzunehmen. Auf die Frage nach dem Zeitplan des Gesetzvorhabens äußerte sich das BMG jedoch nicht. Stattdessen erklärte das Ministerium noch einmal: »Die Verbotspolitik hat den Konsum nicht gestoppt. Wir brauchen einen neuen Ansatz, um Heranwachsende von der Droge möglichst fernzuhalten, den Schwarzmarkt einzudämmen und die Stoffe zu kontrollieren.«
SPD Fraktionsgeschäftsführerin Katja Mast sagte am Mittwoch in Berlin, dass ihre Partei weiter an einer zeitnahen Verabschiedung des Gesetzes festhalte. Im Augenblick fänden noch »klärende Gespräche« statt. Sie sei allerdings zuversichtlich, dass das Gesetz danach verabschiedet werden könne.
Während die SPD noch immer über das Gesetzesvorhaben streitet, zeigen sich Grüne und FDP irritiert und pochen auf eine schnelle Umsetzung der Cannabis-Legalisierung. Beide Parteien halten die Beratungen über das Gesetz für abgeschlossen und wollen es zeitnah im Bundestag beschließen. Für sie wäre die Umsetzung des Prestigeprojekts ein dringend benötigter Erfolg der Ampel-Koalition.