Werbeverbot für Apotheken verstößt gegen EU-Recht |
| Melanie Höhn |
| 19.06.2025 11:22 Uhr |
Der Europäische Gerichtshof gibt der Klage in vollem Umfang statt und stellt fest, dass Polen gegen seine Verpflichtungen aus dem Unionsrecht verstoßen hat. / © Imago/Schöning
Zum 1. Januar 2012 änderte die Republik Polen das Arzneimittelgesetz durch das Einfügen einer neuen Vorschrift (Artikel 94a Absatz 1). Diese Vorschrift sieht ein Werbeverbot für Apotheken und Pharmaziegeschäfte sowie deren Tätigkeit vor. Nach polnischem Recht dürfen Apotheken die Öffentlichkeit nur in begrenztem Umfang über ihren Standort und ihre Öffnungszeiten informieren. Daher können sie das Internet oder andere elektronische und nicht-elektronische Mittel nicht für die kommerzielle Kommunikation nutzen.
Laut Europäischer Kommission verstößt das Werbeverbot gegen den freien Dienstleistungsverkehr, gegen die Niederlassungsfreiheit sowie gegen die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr. Zudem erschwere es die Tätigkeit von Apotheken aus anderen Mitgliedstaaten, die beabsichtigten, ihre Dienstleistungen in Polen zu erbringen. Die Kommission hatte Polen zunächst im Januar 2019 ein Aufforderungsschreiben übermittelt und anschließend im Juli 2020 eine begründete Stellungnahme. Im Jahr 2023 brachte die Kommission den Fall vor den EuGH.
Der EuGH hat dazu heute sein Urteil verkündet. Der Gerichtshof gibt der Klage in vollem Umfang statt und stellt fest, dass Polen gegen seine Verpflichtungen aus dem Unionsrecht verstoßen hat.
Die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr ermögliche es Angehörigen eines
reglementierten Berufs wie Apothekern in Polen, kommerzielle Online-Kommunikationen zu nutzen, um ihre Tätigkeiten zu bewerben. Zwar müssen Inhalt und Form derartiger Kommunikationen die Anforderungen bestimmter berufsrechtlicher Regeln erfüllen, doch dürfen diese nicht zu einem allgemeinen und ausnahmslosen Werbeverbot führen, wie es in Polen der Fall ist. »Daran ändert auch der Umstand nichts, dass dieses Verbot nur für Apotheker gilt, die in einer Apotheke arbeiten – das sind mehr als zwei Drittel der Apotheker in Polen«, hieß es seitens des EuGH heute. Die Richtlinie erlaube es allen Apothekern, ihre eigene Werbung zu betreiben. Sie dürfe daher nicht durch Verbote umgangen werden, die nur einige von ihnen oder bestimmte von ihnen ausgeübte Tätigkeiten betreffen.
Das in Rede stehende Verbot beeinträchtigt laut EuGH auch den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassungsfreiheit in Bezug auf Werbeformen, die nicht unter die Richtlinie fallen. Dieses Verbot schränke die Möglichkeit der Apothekerinnen und Apotheker, insbesondere der in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen, ein, sich bei ihren potenziellen Kunden bekannt zu machen und die Dienstleistungen, die sie ihnen anbieten möchten, zu bewerben.
Ebenso erschwere es den Marktzugang für Personen, die eine Apotheke in Polen eröffnen möchten, insbesondere wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind. »Polen hat nicht nachgewiesen, dass die Beschränkung dieser beiden Grundfreiheiten durch den Schutz der öffentlichen Gesundheit, genauer gesagt durch die Bekämpfung der übermäßigen Einnahme von Arzneimitteln und die Wahrung der beruflichen Unabhängigkeit der Apotheker, gerechtfertigt werden könnte«, so der EuGH.