Wer wird wann und wie behandelt? |
Etwa die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland hat Ausstülpungen, sogenannte Divertikel im Darm. Das ist nicht krankhaft. Allerdings können sich daraus Entzündungen und andere Komplikationen entwickeln. / Foto: Adobe Stock/drubig-photo
In der Diagnose und Therapie der Divertikelkrankheit hat sich viel verändert. Basierend vor allem auf Erfahrung und weniger auf überzeugender medizinischer Evidenz haben sich Handlungsweisen etabliert, die man heute als traditionell bezeichnen kann, die sich bei genauer Betrachtung aber als falsch oder zumindest fragwürdig erweisen. Damit räumt die 2022 publizierte S3-Leitlinie zur Divertikelkrankheit auf. Die Autoren geben evidenzbasierte differenzierte Handlungsempfehlungen, die auch international großen Anklang gefunden haben (1–3).
Divertikel im Darm sind erworbene Ausstülpungen der Mucosa und Submucosa an Schwachstellen der Darmwand; bei mehreren Divertikeln spricht man von einer Divertikulose. Dies ist zunächst einmal ein Befund und keine Krankheit. Die Prävalenz in einer Bevölkerung ist schwierig zu bestimmen, da es keine nicht invasiven Methoden gibt, die einerseits mit hoher Sensitivität Divertikel nachweisen können und andererseits mit vertretbarem Risiko das Screening nicht erkrankter Personen erlauben.
Die Häufigkeit der Divertikulose ist in verschiedenen Regionen der Welt höchst unterschiedlich. Besonders hoch ist sie in Ländern der westlichen Welt. Bei uns kann man davon ausgehen, dass ab dem 50. Lebensjahr etwa die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung Divertikel hat und die Prävalenz danach mit jeder Dekade um etwa 5 bis 10 Prozent steigt (3).
Eine Zunahme der Inzidenz wird vor allem bei jüngeren Personen beobachtet. In den letzten beiden Jahrzehnten wurden steigende Behandlungszahlen von Divertikulitiden im stationären Bereich (mehr als 100.000 pro Jahr) registriert mit einer relevanten Zahl an Todesfällen (mehr als 1000 pro Jahr) (4).
Jeder fünfte Divertikelträger wird im Lauf des Lebens zu einem Divertikelkranken (Grafik). Krankheitsmanifestationen sind die Divertikulitis (Entzündung in den Ausstülpungen), die symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit (SUDD: symptomatic uncomplicated diverticular disease) mit Beschwerden wie Schmerzen im linken Unterbauch ohne Nachweis einer Divertikulitis, die Divertikel-assoziierte Colitis, eine seltene chronische Entzündung mit Symptomen ähnlich einer Colitis ulcerosa, und die Divertikelblutung.
Grafik 1: Klinisches Spektrum der Divertikelkrankheit; mod. nach (5) / Foto: PZ/Stephan Spitzer
Laut der S3-Leitlinie (3) liegt eine Divertikelkrankheit des Kolons vor, wenn es bei bestehender Divertikulose zu Symptomen, einer Entzündung und/oder Komplikationen kommt. Die Divertikulitis ist eine Entzündung, die in der Regel von einem Divertikel ausgeht und plötzlich dumpfe Bauchschmerzen, leichtes Fieber, Druckgefühl, Blähungen und Stuhlunregelmäßigkeiten wie Verstopfung und/oder Durchfall auslösen kann. Die Divertikulitis selbst kann man nach dem Schweregrad noch in eine unkomplizierte und eine komplizierte Form unterteilen und bei der Letzteren die Art der Komplikation anführen, zum Beispiel Abszess, Fistelbildung, Bauchfellentzündung oder Darmdurchbruch. Dann handelt es sich um eine akute komplizierte Divertikulitis. Im Gegensatz dazu ist die chronische Divertikulitis gekennzeichnet durch rezidivierende oder persistierende Entzündungsschübe, die zu Komplikationen (Stenose, Fisteln) führen können (Grafik).
Divertikel im Dickdarm / Foto: Adobe Stock/Juan Gärtner
Das breite Spektrum der klinischen Manifestationen spiegelte sich in früheren Klassifikationen nicht hinreichend wider. Daher wurde bei der ersten Leitlinienerstellung in Deutschland 2014 eine neue Klassifikation implementiert (CDD – Classification of Diverticular Disease), die sich in der täglichen Routine bewährt hat und validiert wurde. In der Neuauflage wurde die Klassifikation marginal angepasst, in dem die Grenze zwischen Mikro- und Makroabszess von 1 cm auf 3 cm erhöht wurde (Tabelle 1). Da Handlungsempfehlungen eng an diese Klassifikation gebunden sind, sollte sie bei der Beschreibung einer individuellen Krankheitsmanifestation konsequent benutzt werden.
Typ | Bezeichnung | Kennzeichen, Anmerkung |
---|---|---|
asymptomatische Divertikulose | Zufallsbefund, asymptomatisch, keine Krankheit! | |
1 | unkomplizierte Divertikelkrankheit oder Divertikulose | |
1a | Divertikulitis oder Divertikelkrankheit ohne phlegmonöse Umgebungsreaktion | auf die Divertikel beziehbare Symptome, Entzündungszeichen und/oder Entzündungsbefunde in der Bildgebung (Wandverbreiterung, entzündetes Divertikel |
1b | Divertikulitis mit phlegmonöser Umgebungsreaktion | Entzündungszeichen, phlegmonöse Divertikulitis (Kolonwand, Mesenterium) in der Bildgebung, ggf. mit Flüssigkeitsstraßen (ohne Luft) |
2 | komplizierte Divertikulitis | |
2a | Mikroabszess | gedeckte Perforation, kleiner Abszess (unter 3 cm), minimale parakolische Luft |
2b | Makroabszess | para- oder mesokolischer Abszess (größer 3 cm) |
2c | freie Perforation | freie Perforation, freie Luft/Flüssigkeit, generalisierte Peritonitis |
2c1 | eitrige Peritonitis | |
2c2 | fäkale Peritonitis | |
3 | chronische Divertikelkrankheit | |
3a | persistierende und/oder rezidivierende Symptome, die auf eine Divertikulose bezogen werden (SUDD) | |
3b | rezidivierende Divertikulitis ohne Komplikationen | |
3c | rezidivierende Divertikulitis mit Komplikationen | Stenose, Fistel, Konglomerat |
4 | Divertikelblutung | Nachweis der Blutungsquelle |
Die Entstehung einer Divertikelkrankheit wird durch nicht beeinflussbare pathogenetische Faktoren und durch beeinflussbare Risikofaktoren bestimmt. Zu Letzteren gehören:
Weitere Risikofaktoren für einen ungünstigen Verlauf sind Komorbiditäten wie Hypothyreose, Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie und chronische Nierenkrankheiten. Zudem spielt auch die Komedikation eine wichtige Rolle. So erhöhen Immunsuppressiva das Risiko für einen komplikationsreichen Verlauf. Unter Steroiden, nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) und Opioiden ist das Perforationsrisiko erhöht, unter ASS, NSAR, Antikoagulanzien und möglicherweise auch Calciumantagonisten das Risiko für eine Divertikelblutung.
Zusammenfassend sind es ungesunde Lebensweisen und oft auch damit assoziierte Begleiterkrankungen, die man zur Prävention von Komplikationen beachten sollte. Konkret zu empfehlen sind:
Je mehr dieser Interventionen eingehalten werden, desto geringer ist das Risiko für die Entwicklung einer Divertikelkrankheit auf dem Boden einer Divertikulose (6). Es gibt keine rationale Basis für die Empfehlung von Verzicht auf Körner, Nüsse, Mais und andere Lebensmittel.
Für die Entwicklung von Therapie- und Präventionsstrategien sind Kenntnisse zum natürlichen Verlauf essenziell. Lange Zeit ging man von einem progressiven Verlauf der Divertikelkrankheit aus. Daraus resultierte die Empfehlung, nach zwei (drei) Divertikulitis-Schüben den im Becken gelegenen Darmabschnitt, das Colon sigmoideum, operativ zu entfernen (Sigmaresektion). Diese Empfehlung hat das Studium des natürlichen Verlaufs erheblich behindert und den Patienten unnötige Operationen beschert.
Auch wenn die epidemiologische Datenlage weiterhin alles andere als perfekt ist, so geht man heute davon aus, dass das Risiko eines Divertikulitis-Rezidivs nach einem Schub bei etwa 20 bis 35 Prozent liegt und die Rezidive meist recht mild verlaufen und konservativ behandelt werden können. Zudem scheint das Risiko für eine Komplikation beim ersten Schub am größten zu sein und im weiteren Verlauf abzunehmen (3). Risikofaktoren für ein kompliziertes Rezidiv sind insbesondere jüngeres Lebensalter bei Erstmanifestation (jünger als 50 Jahre), Multimorbidität, Immunsuppression und Komplikationen, zum Beispiel ein Makroabszess, bei der Erstmanifestation.
Bei der Divertikulitis handelt es sich um einen Entzündungsprozess, der von einem Divertikel ausgeht (Peridivertikulitis), auf die Darmwand im Sinn einer Perikolitis übergreifen und zu schweren Komplikationen wie Abszess, Fistelbildung, gedeckter und freier Perforation mit Peritonitis, Stenose und divertikulitischem Konglomerattumor führen kann (3). Anhaltende Schmerzen, zumeist im linken Unterbauch, sind das Leitsymptom, das Patienten in die ärztliche Behandlung führt. Gelegentlich treten auch Fieber und Stuhlunregelmäßigkeiten wie Verstopfung oder Durchfall auf.
Ziele der Diagnostik sind der Nachweis eines entzündlichen Prozesses und das korrekte Staging gemäß Tabelle 1, das unmittelbaren Einfluss auf die Therapiestrategie hat. Die korrekte Stadieneinteilung gilt heute als »Muss«. Darüber hinaus sind klinisch relevante Komorbiditäten, zum Beispiel von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, zu erfassen, da diese für die Prognose bedeutsam sind – vereinfacht gesagt: »Je kränker ein Patient ist, desto höher die Mortalität der Divertikulitis«. Komorbiditäten beeinflussen daher auch die Therapie. Hoch relevant ist zudem die Immunkompetenz der erkrankten Person, da Immunsupprimierte häufiger Perforationen erleiden und eine deutlich höhere Mortalität aufweisen.
Die klinische Symptomatik lenkt den Verdacht auf eine akute Divertikulitis. Zu bedenken ist, dass die Symptomatik bei einem von sieben Patienten auch fehlen oder atypisch sein kann. Neben der körperlichen Untersuchung mit Erfassung der Körpertemperatur gehören eine Labordiagnostik (Blutbild, C-reaktives Protein und Urinstatus) ebenso zur obligaten Diagnostik wie eine Bildgebung (3).
Zur Abschätzung des Komplikationsrisikos ist der CRP-Wert besonders wichtig. Werte über 20 mg/dl (bei einem Normwert unter 0,5 mg/dl) sprechen für einen komplizierten Verlauf (positiver prädiktiver Wert: 69 Prozent), Werte unter 5 mg/dl gegen klinisch bedeutsame Komplikationen (negativer prädiktiver Wert: 79 Prozent). Weniger als 5 Prozent der Patienten mit Divertikulitis haben keine CRP-Erhöhung. Es ist allerdings zu beachten, dass das CRP in ganz frühen Phasen des Krankheitsprozesses noch normal sein kann, sodass neben der klinischen Überwachung eine Verlaufskontrolle nach 48 Stunden obligat ist (»48-Stunden-Regel«).
Der Urinstatus dient im Wesentlichen dem Ausschluss eines Harnwegsinfekts als Differenzialdiagnose. Die Bestimmung von Calprotectin im Stuhl trägt nicht zur Sicherung oder zum Ausschluss einer Divertikulitis bei.
Zur sicheren Diagnose und zur korrekten Stadieneinteilung nach der CDD-Klassifikation ist eine bildgebende Diagnostik zwingend erforderlich (»soll«) (3). Unter geeigneten Voraussetzungen (Patient, Untersucher, Gerät) ist die Sonografie eine sehr gute Methode zur Detektion einer Divertikulitis und ihrer Komplikationen und mit einer Sensitivität und Spezifität von jeweils über 95 Prozent dem Computertomogramm (CT) nicht unterlegen.
Für das MRT liegen nur sehr begrenzte Erfahrungen und methodenbedingte Nachteile vor, sodass es routinemäßig nicht empfohlen werden kann (3). Ausgenommen sind Spezialfälle, zum Beispiel Divertikulitis-Verdacht in der Schwangerschaft. Der früher übliche Kolonkontrasteinlauf ist heute kontraindiziert.
Die Sonografie ist gut geeignet zur Detektion einer Divertikulitis und ihrer Komplikationen. / Foto: Adobe Stock/Alexander Raths
Bei einer Koloskopie finden sich häufig Divertikel als Zufallsbefund. Eine Koloskopie ist zur Diagnose einer Divertikulitis nicht indiziert und trägt auch nicht wesentlich zum Informationsgewinn bei, da sich die Entzündung außerhalb des Darmlumens abspielt. Darüber hinaus ist das Risiko einer Perforation bei der Koloskopie gering erhöht. Ausnahmen von dieser Empfehlung können beispielsweise ein protrahierter Verlauf mit unzureichendem Ansprechen der Therapie oder auch rasch auftretende Rezidive sein (3). Ergeben sich bei einer Koloskopie Hinweise auf eine Divertikulitis, sollte die Untersuchung beendet werden.
Sechs bis acht Wochen nach einer akuten Divertikulitis ist eine Koloskopie zum Ausschluss eines kolorektalen Karzinoms angezeigt, da zwischen diesen beiden Erkrankungen eine signifikante, allerdings nicht kausale Assoziation besteht. Von dieser Regel kann man im Einzelfall abweichen, wenn in den letzten drei (bis fünf) Jahren eine Vorsorgekoloskopie oder der Nachweis einer Neoplasie erfolgte (3).
Die Koloskopie mit Gewebeentnahme ist zwingend erforderlich zur Diagnose der seltenen segmentalen Colitis assoziiert mit Divertikeln (SCAD: Segmental Colitis Associated with Diverticular). Darüber hinaus soll sie innerhalb der ersten 12 bis 24 Stunden bei Verdacht auf eine Divertikelblutung durchgeführt werden (3).
Grundsätzlich richtet sich die Behandlung der akuten Divertikulitis nach dem Krankheitsstadium gemäß CDD-Klassifikation (Typ 1 oder 2, Tabelle 1) unter Berücksichtigung der individuellen Versorgungssituation. Eine gute Compliance bei der Umsetzung von Handlungsanweisungen sollte ebenso gegeben sein wie die Möglichkeit einer Verlaufskontrolle innerhalb von 48 Stunden. Unter diesen Bedingungen können Patienten mit unkomplizierter Divertikelkrankheit oder Divertikulitis ambulant versorgt werden. Patienten mit komplizierter Divertikulitis sollen dagegen stationär behandelt werden (3). Für die Entscheidung, ob der Patient ambulant oder stationär versorgt wird, muss das Ergebnis einer bildgebenden Diagnostik (Sonografie oder CT) vorliegen.
Es gibt keine belastbare Datenbasis für restriktive Diätempfehlungen (»Ruhigstellung des Darms«, Verzicht auf Ballaststoffe) bei unkomplizierter Divertikulitis. Daher empfiehlt man im Allgemeinen neben einer genügenden Flüssigkeitszufuhr eine individuell bekömmliche und aus ernährungsphysiologischer Sicht ratsame Ernährung. Flüssigkeit und »Schonkost« sind die Basis der Therapie.
Liegt eine Obstipation vor, kann man Macrogol empfehlen, Lactulose wegen des resultierenden Meteorismus nicht. Ein Darmverschluss sollte ausgeschlossen sein; daher gilt diese Empfehlung nur nach ärztlicher Untersuchung. Keinesfalls NSAR oder ASS als Schmerzmittel einsetzen. Butylscopolamin kann man bei fehlender Obstipation versuchen, ebenso peripher wirksame Analgetika wie Paracetamol und Metamizol. Opioide sind nicht sinnvoll.
Ob eine Divertikulitis antibiotisch behandelt wird, hängt maßgeblich vom Krankheitsstadium ab. / Foto: Adobe Stock/Rick H.
Bei Patienten mit einer Typ-1a-Manifestation, das heißt Schmerzen plus serologische und/oder bildgebende Entzündungshinweise ohne Komplikationen, kann peroral gegebenes Mesalazin (off Label) zur Verbesserung der Symptome beitragen (3).
Bei Patienten mit phlegmonöser Umgebungsreaktion (Typ 1b) stellt sich die Frage nach einer antibiotischen Therapie. In randomisierten kontrollierten Studien einschließlich einer Metaanalyse hatte eine Antibiotikatherapie keine Vorteile in der Akutphase und auch nicht im Hinblick auf die Rezidivneigung im langfristigen Verlauf (3). Es ist aber aufgrund der aktuellen Datenlage möglich, dass eine Kurzzeit-Antibiose vorteilhaft sein könnte. Daher empfiehlt die Leitlinie, dass auf Antibiotika verzichtet werden kann, wenn keine Risikofaktoren für einen komplikativen Verlauf, zum Beispiel eine Immunsuppression, vorliegen und eine engmaschige Überwachung (48-Stunden-Regel) gewährleistet ist (3).
Eine komplizierte Divertikulitis soll stationär behandelt werden, da es sich um eine schwerwiegende Erkrankung handelt, die einer kontinuierlichen interdisziplinären Betreuung bedarf (3).
Bei der komplizierten Divertikulitis sollten Antibiotika gegeben werden (3). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der schubauslösende Keim bei dieser Autoinfektion nicht bekannt ist (Ausnahme: positive Blutkultur bei septischem Verlauf) und viele aerobe und anaerobe Erreger mit unterschiedlicher Empfindlichkeit gegen gängige Antibiotika als Auslöser in Betracht kommen. Systematische vergleichende Studien, die verlässliche Rückschlüsse auf die Auswahl der antibiotischen Therapie, die Therapiedauer und die Applikationsroute (oral versus parenteral) erlauben würden, liegen nicht vor.
Häufig eingesetzte und empfehlenswerte Antibiotika sind Cefuroxim und Cefotaxim, jeweils in Kombination mit Metronidazol, sowie Ampicillin/Sulbactam und Piperacillin/Tazobactam. Chinolone sollten unter Berücksichtigung eines Rote-Hand-Briefes nur noch in Ausnahmefällen, zum Beispiel bei Penicillin-Allergie, erwogen werden (3). Die Empfehlungen entsprechen denjenigen bei anderen intraabdominellen Infektionen. Die Therapiedauer beträgt – je nach Ansprechen – vier bis sieben Tage. Eine Sequenzialtherapie mit Wechsel von intravenöser auf orale Applikation ist möglich (3).
Bei einem Abszess sollte immer die Möglichkeit einer sonografisch oder computertomografisch gesteuerten Abszess-Drainage geprüft werden, da diese den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen kann (3). Eine Operation ist bei der freien Perforation (Typ 2c) und bei progredienter Klinik trotz adäquater konservativer oder interventioneller Therapie (Abszess-Drainage) indiziert.
Die weitaus häufigste Manifestation ist die symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit (Typ 3a, SUDD). Eine Dysbiose in und in der Umgebung von Divertikeln und eine damit assoziierte geringgradige Inflammation scheinen pathogenetisch relevant und damit sinnvolle Therapietargets zu sein. Die Datenlage ist allerdings begrenzt und insgesamt kontrovers. Auch wenn es keine ausreichende Evidenz für eine ballaststoffreiche Kost oder Ballaststoff-Supplemente zur Therapie der SUDD gibt, sei eine ballaststoffreiche Kost generell empfehlenswert, heißt es in der Leitlinie.
In der Regel empfehlenswert: eine ballaststoffreiche Ernährung / Foto: Adobe Stock/fotoman1962
Leitliniengerecht kann man (nur) im symptomatischen Schub probatorisch Mesalazin einsetzen (3). Die Datenlage für Probiotika ist kontrovers. Dies mag am Design der Studien und vor allem an den Unterschieden der eingesetzten Präparate liegen, da die Wirkung eines Probiotikums stammspezifisch ist und die Keime in genügender Konzentration an den Wirkort kommen müssen. In einer randomisierten placebokontrollierten Studie mit einem Probiotikum (Lactobacillus casei DG), Mesalazin (1,6 g pro Tag) oder der Kombination jeweils über zehn Tage im Monat für ein Jahr konnten sowohl das Probiotikum als auch Mesalazin Rezidive und Divertikulitis-Episoden reduzieren (7). Die Kombination schnitt am besten ab.
Auch das im Wesentlichen topisch wirkende Antibiotikum Rifaximin wurde in verschiedenen Studien eingesetzt. In einem aktuellen systematischen Review kamen die Autoren zu dem Schluss, dass eine zyklische Anwendung, zum Beispiel zehn Tage im Monat, in Verbindung mit Ballaststoffen die Symptomatik reduzieren kann (8).
Es gibt keine etablierten konservativen Therapieoptionen zur Prävention eines Divertikulitis-Rezidivs. Insbesondere gilt dies für Mesalazin, das in einer Reihe von adäquat konzipierten, kontrollierten Studien keinen therapeutischen Gewinn gegenüber Placebo zeigte (3). Auch die Datenlage für Rifaximin genügt nicht für eine Empfehlung (3, 8).
Über die Jahre ist die Indikationsstellung zur Operation bei Divertikelkrankheit zunehmend restriktiver geworden. Gründe sind weniger verbesserte konservative Therapieoptionen als vielmehr die neuen Erkenntnisse zum natürlichen Verlauf der Erkrankung und das durchaus relevante Risiko einer Sigmaresektion, auch bei elektivem (geplantem) Einsatz. Tabelle 2 zeigt eine Übersicht zum Einsatz einer operativen Therapie bei Patienten mit Divertikelkrankheit. Unter einer »Smoldering«-Divertikulitis versteht man eine nach einer Akutbehandlung weiterschwelende Entzündung.
Operation | Befund, Erkrankung |
---|---|
ja | Divertikulitis mit freier Perforationtherapierefraktäre komplizierte Divertikulitischronisch: symptomatische Stenose, Fistel |
möglich | Status nach Makroabszess (größer als 3 cm)Smoldering-Divertikulitisrezidivierende Divertikulitis |
nein | unkomplizierte DivertikulitisStatus nach Mikroabszess (kleiner als 3 cm)SUDD (symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit) |
Bei freier Perforation sollen Patienten notfallmäßig innerhalb von sechs Stunden operiert werden; bei therapierefraktärer Divertikulitis erfolgt eine frühelektive Operation. Ansonsten handelt es sich um elektive Operationen, wobei – wenn eben möglich – ein Intervall von sechs bis acht Wochen nach einer (erfolgreich) behandelten Divertikulitis gewählt werden sollte (3).
Divertikel sind die häufigste Quelle einer »unteren« gastrointestinalen Blutung, klinisch gekennzeichnet durch Absetzen von frischem oder koaguliertem Blut. Die Blutung ist oft selbstlimitierend (90 Prozent). Die restlichen 10 Prozent können jedoch lebensbedrohlich sein. Das akute Management wird wesentlich bestimmt durch die Kreislaufstabilität des Patienten.
Bei instabiler Situation ist ein rasches Handeln mit Identifizierung der Blutungsquelle und gegebenenfalls endoskopischer Therapie erforderlich. Dabei sollte auch der obere Gastrointestinaltrakt endoskopiert werden, da eine starke Blutung aus diesem Bereich klinisch wie eine Blutung aus dem unteren Verdauungstrakt erscheinen kann. Auch bei stabiler Kreislaufsituation wird eine frühe Endoskopie innerhalb von 12 bis 24 Stunden empfohlen, da dadurch die tatsächliche Blutungsquelle häufiger identifiziert werden kann.
Kann das blutende Divertikel identifiziert werden, empfiehlt sich eine endoskopische Blutstillung und Versorgung. Häufig steht die Blutung bereits und kein Divertikel kann eindeutig als Quelle identifiziert werden. Nach Ausschluss anderer Blutungsquellen im oberen und mittleren Verdauungstrakt kann dann eine stattgehabte Divertikelblutung angenommen werden, die nicht weiter versorgt wird (3).
Divertikelblutungen neigen zu Rezidiven. Daher sollten alle Risikofaktoren, zum Beispiel Einnahme von ASS, NSAR oder Antikoagulanzien weitgehend eliminiert oder kontrolliert werden. Sollte dies nicht möglich sein, kann im Einzelfall bei rezidivierenden und relevanten Blutungen auch eine Kolonteilresektion erwogen werden.
Joachim Labenz ist Internist und Gastroenterologe und Mitglied der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen. Professor Labenz lehrt im Fachbereich Medizinische Informatik an der Universität Siegen. Er war viele Jahre lang Direktor Innere Medizin und Medizinischer Direktor des Diakonie-Klinikums Jung-Stilling in Siegen. Seine wissenschaftlichen Arbeitsgebiete umfassen die gastroösophageale Refluxkrankheit, Helicobacter-pylori-Infektion, medikamentös bedingte Schäden des Gastrointestinaltrakts, funktionelle Erkrankungen wie Dyspepsie und Reizdarmsyndrom sowie Leberzirrhose und hepatische Enzephalopathie.