Wer von der Grippeimpfung profitiert hat |
Christina Hohmann-Jeddi |
30.10.2024 16:15 Uhr |
Im vergangenen Winter verhinderte die Grippeimpfung bei den Über-60-Jährigen die Hälfte der Grippeerkrankungen, für jüngere Erwachsene konnte keine Wirksamkeit der Impfung ermittelt werden. / © Adobe Stock/Marina Demidiuk
Jedes Jahr wird die Zusammensetzung der Grippeimpfstoffe im Frühjahr für die Impfkampagne im Herbst angepasst, was mal mehr und mal weniger gut funktioniert. In der vergangenen Grippesaison 2023/2024 hatten die Grippeimpfstoffe insgesamt eine Schutzwirkung von 39 Prozent und waren somit mittelmäßig wirksam. Das zeigt eine Analyse des Robert-Koch-Instituts (RKI), die jetzt im »Epidemiologischen Bulletin« (42/2024) erschien. Dabei konnte das Institut erstmals seit vier Jahren wieder eine Abschätzung der Impfeffektivität im ambulanten Bereich vornehmen und erstmals überhaupt für den stationären Bereich.
Dem Bericht zufolge dominierten in Europa in der Saison 2023/24 Influenza-A-Viren des Subtyps H1N1. Dieser machte 82 Prozent aller Influenzavirusnachweise im ambulanten Bereich und 94 Prozent aller Nachweise im stationären Bereich aus. Wegen der starken Dominanz der A(H1N1)-Viren analysierte das RKI ausschließlich die Effektivität der Impfung gegen diese Linie.
Für die Schätzung im ambulanten Bereich rekrutierte das Institut 6850 Patientinnen und Patienten, die in der Grippesaison in einer der 141 kooperierenden Arztpraxen wegen akuter Atemwegsinfektion behandelt wurden. Bei allen wurde ein PCR-Test auf Influenzaviren durchgeführt und der Impfstatus erhoben. Aufgrund der Verteilung der Influenzanachweise in den Gruppen der Geimpften und der Ungeimpften lässt sich der Impfschutz gegen eine laborbestätigte Grippeerkrankung schätzen.
Dieser lag demnach über alle Altersgruppen bei 39 Prozent, berichtet das RKI. Für die verschiedenen Altersgruppen fiel die Effektivität aber deutlich unterschiedlich aus. So lag sie für die 0- bis 17-Jährigen bei 70 Prozent und für Menschen ab 60 Jahren bei 54 Prozent. Für die mittlere Altersgruppe (18 bis 59 Jahre) zeigte die Berechnung keine Wirksamkeit der Influenzaimpfung (–1 Prozent). Auch für Personen unter 60 Jahren mit chronischen Grunderkrankungen konnte keine signifikante Impfeffektivität der Influenzaimpfung gegen A(H1N1) ermittelt werden. Dazu heißt es in dem Bericht: Für die mittlere Altersgruppe ließe sich keine Impfeffektivität bestimmen, da nur eine geringe Zahl von Erkrankungsfällen und Geimpften vorlagen, was keine robuste Schätzung zugelassen habe.
Bei der letzten Analyse des RKI zur Effektivität der Grippeimpfung in der Saison 2019/2020 lag die Schutzwirkung noch deutlich höher: Sie betrug 61 Prozent insgesamt. Sie war gegen jeden der drei zirkulierenden Influenzatypen und in allen Altersgruppen gut wirksam.
Neu ist im aktuellen Bericht die Schätzung der Schutzwirkung vor grippebedingter Hospitalisierung, da erstmals Daten aus 15 kooperierenden Krankenhäusern ausgewertet wurden. Insgesamt 1219 Patientinnen und Patienten mit schweren akuten Atemwegsinfektionen wurden dort rekrutiert. Aufgrund der geringen Patientenzahl ermittelte das RKI die Impfstoffeffektivität nur für zwei Altersgruppen: Bei den Personen ab 60 Jahren betrug die Wirksamkeit 65 Prozent, für alle unter 60 Jahren konnte keine Impfwirksamkeit ermittelt werden. Diese Daten könnten auf einen etwas höheren Impfschutz gegen Hospitalisierung als gegen Grippeerkrankungen hinweisen, so das RKI.
Insgesamt zeigten die Daten, dass in der vulnerablen Gruppe der Menschen ab 60 die Grippeimpfung sowohl mehr als die Hälfte der Grippeerkrankungen, die zu Arztbesuchen führten, als auch der Grippeerkrankungen, die zu Krankenhausaufenthalten führten, verhindern konnten. Die saisonale Grippeimpfung ist für alle Menschen ab 60 Jahren empfohlen. Laut Ständiger Impfkommission ist sie auch für chronisch Kranke jeden Alters, medizinisches Personal und Schwangere empfohlen.
Auch in diesem Jahr sind die genannten Risikogruppen wieder aufgerufen, sich gegen Grippe impfen zu lassen. Die Prognose für die Wirksamkeit der aktuellen Grippeimpfstoffe ist aber auch nicht herausragend. Wie die US-amerikanische Gesundheitsbehörde CDC anhand von Daten der Südhalbkugel, auf der die Grippesaison schon beendet ist, abschätzt, wird die Schutzwirkung mit etwa 35 Prozent wieder moderat ausfallen. Eine mittelmäßige Schutzwirkung sollte mit einer hohen Durchimpfungsrate in der Bevölkerung kompensiert werden, so der Rat der CDC.
Davon war man zumindest in der Vergangenheit in Europa noch recht weit entfernt, wie eine aktuelle Auswertung der europäischen Gesundheitsbehörde ECDC zeigt. So schwankte die Impfquote gegen die saisonale Grippe bei Menschen ab 65 Jahren etwa in der Saison 2023/2024 zwischen den einzelnen Ländern erheblich und reichte von 12 bis 78 Prozent, wobei nur zwei Länder eine Durchimpfungsrate von über 75 Prozent erreichten.
Deutschland reichte für diese Saison keine Daten ein. In der Saison 2021/2022 betrug die Durchimpfungsrate hierzulande aber 43 Prozent bei Senioren und 18 Prozent bei Schwangeren.