Wer umkippt, verliert |
Annette Rößler |
22.11.2024 09:00 Uhr |
Auf einem Bein zu balancieren, fällt Menschen mit zunehmendem Alter immer schwerer. / © Adobe Stock/Microgen
Mit einem einfachen Test schnell beurteilen zu können, wie gut ein älterer Mensch noch beieinander ist, hat für die Beurteilung seiner Sturzneigung und anderer gesundheitlicher Risiken hohe Relevanz. Forschende um Dr. Asghar Rezaei von der Mayo Clinic in Rochester, USA, haben daher in einer Studie mit insgesamt 40 gesunden Freiwilligen die altersabhängigen Veränderungen von verschiedenen einfach zu messenden Parametern erfasst. Die Ergebnisse sind im Fachjournal »PLOS One« erschienen.
Die Teilnehmenden waren zur Hälfte Männer und Frauen; alle waren älter als 50 Jahre, die Hälfte auch älter als 65 Jahre. Erfasst wurden die Kraft (Greifkraft der dominanten Hand, Kraft des Knies der dominanten Seite), das Gangbild und die Balance (Stehen auf zwei Beinen mit offenen/geschlossenen Augen, Stehen auf einem Bein mit offenen Augen). Anschließend leiteten die Forschenden aus den einzelnen Messwerten altersabhängige Unterschiede ab, wobei keine individuellen Veränderungen über die Zeit erfasst wurden, sondern die Messungen der verschiedenen Probanden altersabhängig miteinander verglichen wurden.
Laut den Ergebnissen der Studie hatte das Alter keinen signifikanten Einfluss auf den Gang. Greif- und Kniekraft nahmen dagegen ab, und zwar durchschnittlich um 3,7 Prozent pro Lebensjahrzehnt (Hand) beziehungsweise 1,4 Prozent pro Dekade (Knie). Alle Teilnehmenden konnten im zweibeinigen Stand die Balance gut halten, doch nahmen leichte Schwankungen mit steigendem Alter zu.
Dass das Balancieren für die betagteren Teilnehmenden zunehmend schwierig war, zeigte sich am deutlichsten beim sogenannten Flamingo-Test, also dem Stehen auf einem Bein, wobei die Haltung des anderen Beins und der Arme frei wählbar waren. Der einbeinige Stand wurde pro Lebensdekade immer kürzer durchgehalten, auf dem nicht dominanten Bein durchschnittlich um 2,2 Sekunden und auf dem dominanten Bein um 1,7 Sekunden, sodass die Autoren folgendes Fazit ziehen: »Die Dauer des Einbeinstandes kann als verlässliches und geschlechtsunabhängiges Maß des neuromuskulären Alterns bei älteren Menschen herangezogen werden.«
Wie lange sollte man also als gesunder Mensch auf einem Bein stehen können? Hierzu hatte der britische National Health Service (NHS) im Jahr 2023 Durchschnittswerte veröffentlicht. Demnach sollten Personen im Alter zwischen 18 und 39 Jahren 43 Sekunden, 40- bis 49-Jährige 40 Sekunden, 50- bis 59-Jährige 37 Sekunden, 60- bis 69-Jährige 30 Sekunden, 70- bis 79-Jährige 18 bis 19 Sekunden und über 80-Jährige etwas mehr als 5 Sekunden den Flamingo-Stand aufrechterhalten können.
Diese Zahlen weichen von den Ergebnissen der aktuellen Studie ab; der anzustrebende Zeitraum verkürzt sich nicht linear, sondern mit zunehmendem Alter immer stärker. Laut NHS sollte man für den Flamingo-Test die Hände in die Hüften stemmen. Da es sich in jedem Fall nur um einen Anhaltspunkt und nicht um einen validierten Test handelt, sollte man solche Details allerdings nicht überbewerten.