Pharmazeutische Zeitung online
Mückenarten in Deutschland

Wer sticht denn da?

Durch Globalisierung und Klimawandel breiten sich zunehmend gebietsfremde Stechmücken in Deutschland aus. Welche Gesundheitsgefahr von ihnen ausgeht und wie man vorbeugen kann, erklärt Experte Dr. Helge Kampen im Gespräch mit der PZ.
Laura Rudolph
29.07.2022  18:00 Uhr

Weltweit existieren etwa 3500 Stechmückenarten. In Deutschland seien es mittlerweile 51, informiert der Stechmückenexperte Dr. Helge Kampen im Gespräch mit der PZ. Kampen ist Laborleiter beim Institut für Infektionsmedizin (IMED) des Friedrich-Loeffler-Instituts, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit in Greifswald.

Die Globalisierung sorgt dafür, dass vermehrt nicht einheimische Stechmückenarten eingeschleppt werden. »Asiatische Arten gelangen meist über ihre sehr widerstandfähigen Eier nach Deutschland. Sie kleben an feuchten Oberflächen bestimmter Handelsgüter und können sich bei Wasserkontakt erst zu Larven und später zu fertigen Mücken weiterentwickeln«, erklärt Kampen. Der Klimawandel sorgt zudem für bessere Lebensbedingungen für wärmeliebende Mückenarten. Mücken als wechselwarme Tiere können ihre Körpertemperatur nicht selbst regulieren und sind von der Außentemperatur abhängig.

Seit 2006 bis heute konnten sich fünf nicht einheimische Stechmückenarten neu in Deutschland ansiedeln: die Asiatische Tigermücke, die Japanische und die Koreanische Buschmücke, Culiseta longiareolata sowie Anopheles petragnani. »Am meisten gefürchtet unter ihnen ist die Asiatische Tigermücke - Aedes albopictus«, teilt Kampen mit.

Asiatische Tigermücke als Krankheitsüberträger

Ursprünglich aus Südostasien und dem pazifischen Raum stammend, hat sich die wärmeliebende Art laut Kampen in den letzten 30 bis 40 Jahren auf fast alle Kontinente ausgebreitet. Mittlerweile ist sie auch in Deutschland zu finden. Hier kommen Populationen vor allem entlang des Oberrheingrabens vor, aber neuerdings sogar so weit nördlich wie Berlin. Wie die dortige Senatsverwaltung für Gesundheit kürzlich mitteilte, sei die Asiatische Tigermücke nun zwei Jahre in Folge in der Hauptstadt nachgewiesen worden – was eine erfolgreiche Überwinterung belegt. Eine dauerhafte Ansiedelung sei zu befürchten.

Sie birgt Gefahr für die Gesundheit, wie Kampen erklärt: »Unter Laborbedingungen kann die Asiatische Tigermücke viele Krankheitserreger wie das Dengue-, Chikungunya- oder Zikavirus übertragen. Einige dieser Viren sind potenziell tödlich.« In der freien Natur sei die Übertragungsgefahr dagegen geringer, da die Populationen dieser Stechmückenart hierzulande noch sehr lokal begrenzt seien. Zudem gibt es in Deutschland kaum Infektionsquellen für die entsprechenden Erreger. Malariaerreger können durch die Asiatische Tigermücke nicht übertragen werden.

»Eine Stechmücke ist nicht von Natur aus infiziert. Damit sie Erreger übertragen kann, muss sie sich zuvor durch den Stich eines infizierten Menschen mit diesen infizieren«, erklärt der Experte. Vor den coronabedingten Reiseeinbrüchen hätten jährlich etwa 1000 Tropenrückkehrer das Denguevirus und knapp hundert das Chikungunyavirus nach Deutschland eingeschleppt. »In Relation zur Fläche und Einwohnerzahl Deutschlands betrachtet, ist das Übertragungsrisiko durch die Asiatische Tigermücke derzeit nahezu vernachlässigbar – aber das mag sich zukünftig durch zunehmenden internationalen Verkehr und weitere Klimaerwärmung ändern«, vermutet Kampen.

Auch die beiden aus dem Mittelmeerraum stammenden Arten Culiseta longiareolata und Anopheles petragnani, die keine deutsche Bezeichnung haben, sind wärmeliebend. Von ihnen gehe keine Gesundheitsgefahr aus, wie Kampen erklärt, jedoch »zeigen sie durch ihre Ansiedlung und Ausbreitung deutlich den Klimawandel auf«.

Die Ringelmücke (Culiseta annulata) wird aufgrund ihres schwarz-weiß gestreiften Erscheinungsbildes gerne mit der Asiatischen Tigermücke (Aedes albopictus) verwechselt.  / Foto: Adobe Stock/Micha
Die gefürchtete Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) gilt als potenzieller Überträger für Krankheitserreger wie das Dengue-, Chikungunya- oder Zikavirus. / Foto: CDC/Pablo Cabrera
Die Japanische Buschmücke (Aedes japonicus) hat sich bereits in Süddeutschland angesiedelt und ausgebreitet. In der freien Natur überträgt sie bislang keine Krankheitserreger.  / Foto: CDC/James Gathany
Die mediterrane Art Culiseta longiareolata ist zwar ungefährlich, ihre Ansiedlung in Deutschland ist aber ein deutliches Indiz für den Klimawandel. / Foto: Adobe Stock/Dani
Die Gemeine Hausmücke (Culex pipiens) ist die am weitesten verbreitete Stechmückenart in Deutschland. Sie kann das West-Nil-Virus auf den Menschen übertragen. / Foto: Adobe Stock/ihorhvozdetskiy
Stechmücken benötigen stehendes Wasser, um das Larvenstadium zu erreichen. / Foto: Adobe Stock/istante

Japanische und Koreanische Buschmücke

Die Japanische Buschmücke (Aedes japonicus) hat sich Kampen zufolge in den letzten zehn Jahren rasant in Deutschland ausgebreitet. Sie komme aus asiatischen Regionen mit einem Klima, das mit dem deutschen vergleichbar sei – dementsprechend wohl fühle sich die nicht wärmeliebende Art in den gemäßigten Breiten. Angesiedelt und ausgebreitet habe sie sich vor allem in Süddeutschland, in den nächsten Jahren werde auch der Norden folgen.

Gefährlich ist die Japanische Buschmücke nicht, wie Kampen erklärt: »Unter Laborbedingungen ist die Japanische Buschmücke in der Lage, einige Krankheitserreger zu übertragen. In der freien Natur sind jedoch keine Übertragungsfälle bekannt.« Das könnte daran liegen, dass sich die Erreger aufgrund der gemäßigten Außentemperaturen nicht gut in der Mücke vermehren können. Im Zuge des Klimawandels könnte sich dies zukünftig ändern.

Sehr nah verwandt mit der Japanischen ist die Koreanische Buschmücke (Aedes koreicus). Mit einem Unterschied: »Im Gegensatz zur Japanischen Buschmücke breitet sich die Koreanische merkwürdigerweise nicht aus. Die Gründe hierfür sind unbekannt.« Es gebe derzeit nur eine Population in Deutschland. Diese befinde sich im Raum Wiesbaden in Hessen. Auch diese Art kann theoretisch Erreger übertragen, tut es bisher aber nicht außerhalb des Labors.

Einheimische Arten nicht verharmlosen

Auch einheimische Arten können Krankheitserreger übertragen. Die Gemeine Hausmücke (Culex pipiens), die am weitesten verbreitete Art in Deutschland, kann von infizierten Vögeln das West-Nil-Virus aufnehmen und dieses auf den Menschen übertragen. Culex-Arten gelten sogar als Hauptvektoren für das potenziell tödliche Virus. In den vergangenen drei Jahren gab es in Deutschland vereinzelte Fälle von Übertragungen durch die Gemeine Hausmücke auf den Menschen, meist im Spätsommer.

Die Ringelmücke (Culiseta annulata) ist in Deutschland weit verbreitet und wird aufgrund ihrer schwarz-weißen Musterung gerne mit der Tigermücke verwechselt. Sie kann etwa das Tahynavirus übertragen. Eine Infektion mit diesem Virus wird gewöhnlich nicht diagnostiziert, da sie oft als leichte Sommergrippe verläuft. Auch die sogenannte Rheinschnake (Aedes vexans) kann prinzipiell diesen Erreger übertragen.

Stechmücken mit Bedacht bekämpfen

Wie lässt sich Stichen und damit gefährlichen Infektionen vorbeugen? Die effektivste Maßnahme, um Stechmücken zu bekämpfen, sei es, deren Vermehrung zu unterbinden, wie Kampen erklärt. In Siedlungsbereichen legen Stechmücken ihre Eier in künstliche, stehende Gewässer. Folgende Maßnahmen helfen, Brutplätze in Haus- und Hofnähe zu eliminieren:

  • Sämtliche kleinere Wasserquellen wie Regentonnen, leere Blumentöpfe und Co. abdecken
  • Alternativ Wasser mindestens einmal pro Woche austauschen
  • Abgestandenes Wasser zum Gießen verwenden: Larven können sich nur in stehendem Wasser entwickeln. Auf dem Erdboden sterben sie ab. Nicht in den Gulli kippen – dort überleben Larven.

Sind die Mücken bereits aus den Larven geschlüpft, halten folgende Maßnahmen die Blutsauger fern:

  • Mückenschutznetze an Fenstern, Türen und über dem Bett anbringen
  • Bei längerer Exposition, etwa an langen Sommerabenden im Freien, Repellenzien auf unbedeckte Haut auftragen
  • Mückenspiralen oder Kaffeepulver abbrennen: Die Mücken mögen die entstehenden Dämpfe nicht.
  • In Hochphasen der Stechmücken den Aufenthalt im Freien reduzieren

Eine effektive, aber gründlich abzuwägende Bekämpfungsmethode ist der Einsatz eines Insektenschutzmittels, das aus einem Protein besteht, das durch das Bakterium Bacillus thuringiensis israelensis (BTI) produziert wird. BTI zerstört die Darmwand von Mückenlarven und tötet diese ab. Das Mittel kommt weltweit zum Einsatz. Es sollte sich allerdings möglichst auf den Einsatz in künstlichen Wasserquellen in besiedelten Gebieten beschränken, wie Kampen erklärt. BTI gibt es beispielsweise in Form einer Tablette, die man in die Regentonne werfen kann. Das sei unproblematisch, so Kampen, denn die Regentonne stelle im Gegensatz zu natürlichen Gewässern kein Ökosystem dar.

In natürlichen Gewässern dagegen bleibt ein BTI-Einsatz nicht ohne ökologische Folgen und sollte daher gut überlegt sein. Mückenlarven sind eine wichtige Nahrungsquelle für andere Tiere. Amphibien, andere Insekten und Fische fressen die Larven, wohingegen etwa Vögel und Fledermäuse ausgewachsene Stechmücken verspeisen. Ein völliges Ausrotten ist daher nicht erstrebenswert.

Auswahlkriterien der Blutsauger

Warum werden eigentlich manche Menschen häufiger gestochen als andere? Wer die oder der Auserwählte für die nächste Blutmahlzeit wird, ist von vielen Faktoren abhängig, erklärt Kampen: »Verschiedene Stechmückenarten haben verschiedene Präferenzen, was die Auswahl ihrer Opfer angeht. Zunächst lockt sie CO2 aus der Atemluft in die Nähe von Menschen. Dort angekommen, kommt die persönliche Duftnote des Individuums hinzu.«

Ausschlaggebend seien das Haut-Mikrobiom beziehungsweise der daraus resultierende Schweißgeruch. Fettsäuren, Ammoniak oder Aldehyde etwa verleihen ihm eine individuelle Note. Studien zufolge sind die flüssigen Aldehyde Heptanal, Octanal und Nonanal besonders beliebt bei Blutsaugern.

Übrigens: Nur weibliche Stechmücken sind Blutsauger – im Namen des Nachwuchses. Sie benötigen die im Blut enthaltenen Proteine, um Eier zu produzieren. Ansonsten ernähren sich Stechmücken von Pflanzensäften.

Immunreaktion auf Mückenstiche

Nach Mückenstichen kommt es zu unterschiedlichen Reaktionen, die von einem kaum bemerkten Einstich bis zu schmerzhaften Quaddeln reichen können. Das liegt daran, dass die Mücke bei jeder Blutmahlzeit wiederholt Speichel in die Haut abgibt. Dieser unterscheidet sich von Art zu Art und enthält Substanzen, die der Mücke den Trinkakt erleichtern: Stoffe, die die Gerinnung hemmen, Gefäße weiten oder den Einstichschmerz betäuben. Dieser Speichelcocktail variiert genauso wie die Immunreaktion des menschlichen Individuums.

Es lässt sich daher nicht vorhersagen, welche Mückenart besonders ausgeprägte Lokalreaktionen auf ihre Stiche hervorruft. Sogar beim selben Menschen kann sich im Laufe des Lebens durch Sensibilisierung oder Desensibilisierung die Reaktion auf Stiche ein- und derselben Mückenart ändern.

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa