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SARS-CoV-2-Impfstoffe

Wer steht wo bei der Entwicklung?

Wissenschaftler, Arzneimittelhersteller und Regierungen arbeiten mit beispielloser Geschwindigkeit daran, einen Impfstoff zum Schutz gegen das neue Coronavirus bereitzustellen. In rascher Folge werden nun Daten aus klinischen Studien bekanntgegeben.
Theo Dingermann
06.07.2020  17:16 Uhr

147 Impfprojekte listet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) derzeit, von denen 18 bereits mit der klinischen Testung begonnen haben. Aus einigen dieser Projekte werden jetzt auch bereits vorläufige Daten gemeldet, und weitere werden sich beeilen, ebenfalls über ihre Ergebnisse zu berichten. Es hat ein Wettlauf eingesetzt, der zwar noch nicht die Zielgerade erreicht hat, bei dem aber die Führenden bereits klar in die letzte Kurve eingebogen sind. 

Obwohl von offiziellen Seiten immer noch vorsichtig prognostiziert wird, wann die ersten Impfstoffe eine Zulassung erhalten, ist es nicht ausgeschlossen, dass noch in diesem Jahr, jedoch spätestens zu Beginn des nächsten Jahres, die ersten Impfdosen verfügbar werden.  Sollte das so eintreffen, könnte man von einer wissenschaftlichen Meisterleistung sprechen, für die es bisher keinen Vergleich gibt. Und damit wäre tatsächlich auch das so dringend ersehnte Ende der verheerenden Pandemie in Sicht.

mRNA-Impfstoff von Moderna

Weit fortgeschritten ist die Entwicklung des Unternehmens Moderna. Der Impstoffkandidat  mRNA-1273 wurde im Januar am Computer entwickelt und bereits nach drei Monaten zum ersten Mal am Menschen erprobt. Damit gehörte Moderna sicherlich zu den »Gewinnern« dieser sehr frühen Phase der Impfstoffentwicklung. Und nach wie vor hat das Unternehmen diese Position verteidigt.

Erste Probanden wurden bereits Mitte März im Rahmen einer Phase-I-Studie behandelt. Die Daten dieser Studie kommunizierte Moderna Mitte Mai nur spärlich. Insgesamt 45 Probanden im Alter von 18 bis 55 Jahren hatten jeweils zwei Dosen des Impfstoffs in einer Dosierung von 25 µg, 100 µg oder 250 µg erhalten. Es sei ein dosisabhängiger Anstieg der Immunogenität zu beobachten gewesen. Bei allen Probanden wurden zudem neutralisierende Antikörper gefunden.

Kurz nach Abschluss der Phase-I- wurde bereits eine Phase-II-Studie begonnen. Ein Phase-III-Studie soll noch im Juli beginnen. Das Unternehmen hat angekündigt, dass im Herbst dieses Jahres mit der Auslieferung der ersten Impfdosen zu rechnen ist. Damit dokumentiert das Unternehmen deutlich, wie ernst es die Herausforderungen nimmt, die ein Zeitplan nach dem Motto der US-Regierung »Operation Warp Speed« fordert.

Vektor-Impfstoff von CanSino

Der Impfstoffkandidat Ad5-nCoV wird vom Peking Institut für Biotechnologie in Zusammenarbeit mit dem chinesischen Unternehmen CanSino in Tianjin entwickelt. Er enthält ein rekombinantes replikationsunfähiges Adenovirus Typ 5 (Ad5) als Vektor, das mit der genetischen Information für das Spike-Protein von SARS-CoV-2 ausgestattet wurde.

Dieser Impfstoffkandidat machte in diesen Tagen von sich reden, da er bereits bei militärischem Personal der chinesischen Streitkräfte eingesetzt werden soll, obwohl die kritische Phase III des klinischen Prüfprogramms noch nicht begonnen hat.

In den Phase-I-Studie hatte sich gezeigt, dass innerhalb von 14 Tagen 44 Prozent der Probanden aus der Gruppe mit der niedrigsten Dosierung bindende Antikörper gebildet hatten. Bei den Probanden, bei denen höhere Antigendosen verimpft worden waren, wurden Antikörper bei 50 Prozent und 61 Prozent nachgewiesen. Neutralisierende Antikörper waren zu diesem Zeitpunkt bei 28, 31 beziehungsweise 42 Prozent der Teilnehmer zu finden. Nach 28 Tagen waren die Titer der bindenden Antikörper um das Vierfache angestiegen. 97 Prozent der Probanden in der Gruppe mit der niedrigsten Dosis wiesen bindende Antikörper auf im Vergleich zu 94 Prozent bei der mittleren und 100 Prozent bei der höchsten Dosierung. Auch der Anteil der Probanden mit neutralisierenden Antikörpern war deutlich gestiegen und betrug 50 Prozent in den ersten beiden Gruppen beziehungsweise 75 Prozent in der Gruppe mit der höchsten Dosierung. Ebenso waren spezifische T-Zellen nachweisbar.

In der Phase-II-Studie hatte sich dann angedeutet, dass der Impfstoff tatsächlich in der Lage sein könnte, eine Covid-19-Erkrankung zu verhindern. Bewiesen ist dies aber bisher nicht.  Wann mit einer regulären Phase-III-Studie begonnen wird, ist nicht bekannt. 

DNA-Impfstoff von Inovio Pharmaceuticals

INO-4800 ist der Entwicklungskandidat der US-amerikanischen Firma Inovio Pharmaceuticals zusammen mit dem Koreanischen International Vaccine Institute. Ein DNA-Plasmid mit der Sequenz für das S-Protein wird durch Elektroporation appliziert. Obwohl nicht mit dem größten Kapital ausgestattet, hat sich Inovio schnell bewegt und eine Phase-I-Studie mit 40 Patienten bereits abgeschlossen. Zwar wurden »positive Daten« gemeldet, aber bisher nicht publiziert. Am 22. Juni startete dann eine weitere Phase-I/II-Prüfung in Südkorea. Der Beginn einer Phase-II/III-Studie ist im Laufe des Sommers 2020 geplant.

Inovio selbst ist nicht in der Lage, den Impfstoff in ausreichenden Mengen zu produzieren. Daher ist man von Kooperationspartnern abhängig, was Vorhersagen eines Zeitpunkts für den Markteintritt erschwert.

mRNA-Impfstoffe von BioNTech und Pfizer

Das Mainzer Unternehmen BioNTech und der Pharmagigant Pfizer arbeiten schon seit über einem Jahr gemeinsam an RNA-Impfstoffen. Mitte März stoppte das Konsortium kurzerhand seine gemeinsamen Entwicklungsvorhaben und konzentrierte seine Aktivitäten auf die neue Herausforderung, Coronavirus-Impfstoffe zu entwickeln. Die Neuausrichtung erwies sich bisher als ausgesprochen erfolgreich.

Am 23. April erhielt das Konsortium vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) die Genehmigung, eine erste Corona-Impfstoffstudie in Deutschland durchzuführen. Kurze Zeit später folgte eine ähnliche Studie in den USA. Im Gegensatz zu Moderna und anderen Frühstartern testeten BioNTech und Pfizer vier Prototypen simultan.

Die Ergebnisse der Phase-I/II-Studie (NCT04368728) mit dem Kandidaten BNT162b1 wurden am 1. Juli bekannt gegeben. BNT162b1 ist eine Lipid-Nanopartikel-Formulierung einer mRNA, die für die Rezeptorbindedomäne (RBD) des Spike-Proteins von SARS-CoV-2 in einer bestimmten Konformation kodiert. Die Studienergebnisse zeigen, dass die Impfung bei drei Dutzend gesunden Erwachsenen zu ermutigenden Immunreaktionen führte. Die Probanden in den niedrig dosierten Verumgruppen (10 µg beziehungsweise 30 µg der mRNA-Vakzine BNT162b1) hatte jeweils zwei Injektionen im Abstand von 21 Tagen erhalten, die Probanden in der am höchsten dosierten Verumgruppe (100 µg der mRNA-Vakzine BNT162b1) waren aufgrund von Verträglichkeitsproblemen nur einmal geimpft worden.

Eine großangelegte Phase-II/III-Studie soll im späten Juli beginnen. Im Oktober sollen nach Angaben des Konsortiums erste Impfdosen zur Verfügung stehen.

Vektor-Impfstoff von der University of Oxford und AstraZeneca

Sehr weit fortgeschritten ist auch die Entwicklung des Konsortiums der Universität Oxford mit AstraZeneca. Bei dem Impfstoffkandidaten AZD1222 handelt es sich um eine nicht replizierende Variante eines Schimpansen-Adenovirus (ChAdOx1), in dessen Genom die Information für das S-Protein von SARS-CoV-2 integriert wurde. Dieses Projekt imponiert nicht nur wegen seines fortgeschrittenen Entwicklungsstadiums – es befindet sich in Phase III. Bemerkenswert ist auch, dass das in Pune ansässige Serum Institute of India, der weltgrößte Impfstoffhersteller, 100 Millionen US-Dollar in das Projekt investierte, um ausreichend Impfdosen herzustellen, um eine gerechte Versorgung Indiens sowie von Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen sicherzustellen.

Klinisch wurde der Impfstoffkandidat bisher unter anderem im Rahmen einer Phase-I/II-Studie (NCT04324606), die am 23. April initiiert wurde, und einer Phase-II/III-Studie, die am 26. Mai initiiert wurde, getestet. Am 11. Juni wurde zudem eine Phase-III-Studie genehmigt. 

Zu den Bemühungen des Konsortiums, den Impfstoff auch für ärmere Länder zugänglich zu machen, passt, dass eben erst eine klinische Studie in Südafrika und Brasilien angelaufen ist.  Die von der Lemann-Foundation finanzierte Studie in Brasilien wird den Impfstoffkandidaten an 2000 Mitarbeitern des Gesundheitswesens in Sao Paulo und 1000 Personen in Rio de Janeiro untersuchen. Die brasilianische Gesundheitsbehörde Anvisa genehmigte Anfang dieses Monats die Impfstoffstudie. Auch die Universität Witwatersrand in Johannesburg, Südafrika, arbeitet mit der University of Oxford zusammen, um den Impfstoffkandidaten zu evaluieren. Die südafrikanische Studie mit dem Namen Ox1Cov-19 Vaccine VIDA-Trial wird an mehreren Standorten in ganz Südafrika durchgeführt.

Sicherheit und Wirksamkeit müssen oberstes Ziel bleiben

Bei aller Dringlichkeit, mithilfe eines Impfstoffs der Pandemie so schnell wie möglich ein Ende zu setzen, dürfen bei der Sicherheit und Wirksamkeit keinerlei Kompromisse eingegangen werden. Hierfür tragen die Zulassungsbehörden die Verantwortung. Die zuständige Behörde in den USA, die FDA, gab vor Kurzem bekannt, dass sie Impfstoffkandidaten bereits dann eine Zulassung erteilen werde, wenn sie eine Wirksamkeit von mindestens 50 Prozent vorweisen. 

Dass bei den unterschiedlichen Impfstoffkandidaten ganz unterschiedliche Konzepte verfolgt werden, könnte sich als vorteilhaft erweisen, falls nicht jeder Impfstofftyp für jeden Menschen gleich gut geeignet sein sollte.

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