Wer kümmert sich um ausgebrannte Apotheker? |
Jennifer Evans |
09.01.2023 09:00 Uhr |
Nur wer selbst gesund ist, kann andere versorgen. In der Covid-19-Krise haben das viele Pharmazeuten vergessen und überschritten ihre Belastungsgrenze. / Foto: Adobe Stock/nicoletaionescu
Chaotische Arbeitsbedingungen während der Covid-19-Krise, lange Arbeitszeiten und die täglichen Herausforderungen, um als Heilberufler trotz aller Umstände die Versorgung der Patienten sicherzustellen, hat viele Apothekerinnen und Apotheker an ihre Belastungsgrenzen gebracht – oft sogar darüber hinaus. Welchen Einfluss der permanente Kampf gegen das Virus auf die mentale Gesundheit des Berufstands hatte, wird in seiner Tragweite erst im Nachgang deutlich. Pharmazeuten auf der ganzen Welt sind ausgebrannt und hätten sich während der Pandemie professionelle Hilfe oder entsprechende Bewältigungsstrategien gewünscht. Doch die gab es meist nicht.
Viele Heilberufler sahen sich dem täglichen Konflikt gegenüber, auf der einen Seite anderen helfen zu wollen und auf der anderen Seite durch den ständigen Kontakt mit Infizierten die eigene Familie nicht zu gefährden. Das betonte Howard Catton, Geschäftsführer des Internationalen Rates der Krankenschwestern, vor einigen Monaten in seinem Vortrag beim Kongress des Weltapothekerverbands FIP. Aufgrund dieser Angst entschieden sich viele Pflegekräfte etwa dazu, vorübergehend in ein B&B zu ziehen, berichtete er. Damit nicht genug: »Insbesondere in den Kliniken musste das Gesundheitspersonal mit rund zwei bis drei Todesfällen pro Schicht klarkommen. Und außerdem die Menschen beim Sterben begleiten, weil Angehörige wegen der strengen Corona-Vorschriften nicht in die Krankenhäuser durften«, schilderte er. Hinzu sei der Umgang mit der Gewalt der Corona-Leugner gekommen. Aus Cattons Sicht reichen Präventionsprogramme für diese seelischen Belastungen allein nicht aus. Stattdessen plädierte er dafür, einen grundsätzlichen kulturellen Wandel anzutreten, der klarstellt: »Heilberufler sind keine unverwüstlichen und unverletzlichen Übermenschen«.
Auch viele Apothekerinnen und Apotheker hätten versucht, den mentalen Stress auszugleichen, bemerkte Catriona Bradley in ihrem Vortrag beim FIP-Kongress. Sie ist die geschäftsführende Direktorin des Irischen Instituts für Pharmazie. Allerdings hätten die Pharmazeuten den Umgang mit der Belastung in der Regel selbst in die Hand genommen, zum Beispiel mit Spaziergängen, Yoga oder Schlaf. Kaum einer hat Bradley zufolge aber professionelle Hilfe aufgesucht. Dabei sei es so wichtig, sogenannte Resilienz-Strategien zu kennen und einsetzen zu können, sagte sie. In ihren Augen hätte es für die ausgebrannten Pharmazeuten in der Krise deutlich mehr gezielte Hilfe geben müssen etwa durch Webinare, Mentoring-Programme oder über einen Austausch in Netzwerken. Für Bradley stellt sich auch die Frage, was die Berufsorganisationen der Apotheker zur Unterstützung hätten tun können?
Bradley ging das Problem schließlich selbst an und rief einen Podcast ins Leben, in dem sie mit Gästen aus der Apothekenbranche über ihre Erfahrungen beim Aufbau von Resilienz spricht. Darin schneidet sie unter anderem Themen wie Angst, Stress, Burnout, persönliche Krankheiten und Trauerfälle an. Auch gibt es in den Gesprächen Ratschläge zur Bewältigung arbeitsbezogener Probleme sowie zu schwierigen Patientenbegegnungen und zur Teamleitung.
Auch in den USA hat man das Problem erkannt. Die Apothekenkette CVS will das während der Covid-19-Pandemie ausgebrannte Personal entlasten. Prem Shah, Co-Präsident von CVS Pharmacy, sagte kürzlich gegenüber dem gesundheitspolitischen Nachrichtenportal »Fierce Healthcare«, das Unternehmen habe »einen Schwerpunkt auf den Umgang mit dem Burnout von Apothekern gelegt«.
Ziel ist es demnach, die Hauptbelastungspunkte der täglichen Arbeit zu beseitigen. Shan nannte etwa das Managen doppelter Warteschlangen am HV-Tisch sowie für Impfungen. Eine weitere Strategie von CVS sei es, für die Apothekerinnen und Apothekern grundsätzlich mehr freie Kapazitäten zu schaffen, damit sie ihre Expertise besser in das Gesundheitswesen einbringen können. Davon erhofft sich Shan nach eigenen Angaben auch zufriedenere Mitarbeiter. Generell sind die US-Pharmazeuten nämlich bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.