Wer am meisten von der Therapie profitiert |
Brigitte M. Gensthaler |
10.06.2024 15:46 Uhr |
Das Blasenkarzinom ist ein relativ häufiger Tumor, vor allem bei älteren Männern. Bei metastasierten Tumoren wird oft eine Platin-basierte Chemotherapie eingesetzt. Eine weitere Option bietet Enfortumab-Vedotin. / Foto: Shutterstock/Ljupco Smokovski
»Zunehmend werden Krebspatienten individuell mit maßgeschneiderten Therapien behandelt«, erklärte Professor Dr. Arndt Hartmann vom Institut für Pathologie der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen am vergangenen Samstag beim Fortbildungstag des Bayerischen Apothekertags. Gynäko-Onkologen wüssten schon seit 20 Jahren, dass es »den Brustkrebs« nicht gibt, sondern jede Frau individualisiert behandelt werden muss. Inzwischen gibt es zahlreiche zielgerichtete Therapeutika, die auf Basis von molekularen Charakteristiken und Gen-Mutationen bei verschiedenen Tumorarten eingesetzt werden.
Weitere Fortschritte brachten laut Hartmann die Antikörper-Drug-Konjugate (ADC). Hier wird ein monoklonaler Antikörper mit einem Wirkstoff gekoppelt. Ein Beispiel ist Trastuzumab-Deruxtecan: Ein gegen HER-2 gerichteter Antikörper ist gekoppelt mit dem zytotoxischen Topoisomerase-I-Inhibitor Deruxtecan. Das Konjugat ist zugelassen für Patienten mit HER2-positiven Mamma-, Magen- oder Lungentumoren.
Der Pathologe stellte Forschungen an der FAU zur Vorhersage des Therapieansprechens auf Enfortumab-Vedotin (EV) vor. Padcev™ ist zugelassen als Monotherapie für stark vorbehandelte, erwachsene Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom. An den gegen das Zelladhäsionsmolekül Nectin-4 gerichteten Antikörper ist das Zellgift Monomethyl Auristatin E (MMAE) gebunden. Erst kürzlich zeigte die EV-302-Studie, dass auch bisher unbehandelte Patienten mit metastasiertem Blasenkarzinom deutlich profitieren können. Die Kombination von EV und Pembrolizumab, einem Immuncheckpoint-Inhibitor, konnte das Überleben im Vergleich zur herkömmlichen Platin-basierten Chemotherapie nahezu verdoppeln. Doch welche Patienten profitieren?
Forscherteams an den Unikliniken Bonn und Erlangen identifizierten die Amplifikation von Nectin-4 als Biomarker zur Vorhersage des Ansprechens. Nectin-4 ist die Zielstruktur von EV. Tatsächlich sprachen mehr als 90 Prozent der Patienten mit Nectin-4-Amplifikation auf die Medikation an, aber nur etwa 30 Prozent ohne Amplifikation. Dies könne helfen, die Patienten gezielter für diese Kombitherapie auszuwählen. Der Nectin-4-Status müsse im Primärtumor und in Metastasen analysiert werden, da sich die Expression unterscheiden kann, informierte Hartmann.
Die Nectin-4-Amplifikation kommt nicht nur im Urothelkarzinom, sondern auch in anderen soliden Tumoren häufig vor, zum Beispiel bei Lungen- und Brustkrebs. Deren Berücksichtigung könnte somit auch für andere Tumortypen interessant sein, resümieren die Forscher.
Grundlegend für eine effektive Implementierung molekular gesteuerter Tumortherapien sei die Netzwerkbildung in der Medizin, betonte Hartmann. Der Arzt nannte beispielhaft das Netzwerk Genomische Medizin Lungenkarzinom (nNGM) und das CCC WERA-Netzwerk, ein Zusammenschluss der onkologischen Spitzenzentren (Comprehensive cancer center, CCC) Würzburg, Erlangen, Regensburg und Augsburg.