Welche Möglichkeiten haben Apotheken bei Tamoxifen? |
Suche nach Nachschub: Apotheken versuchen derzeit händeringend Tamoxifen-Generika zu beschaffen. Welche Möglichkeiten gibt es? / Foto: imago images/Westend61
Betroffene, Ärzte und Apotheker beschäftigt derzeit ein Lieferengpass des selektiven Estrogenrezeptor-Modulators Tamoxifen, der wichtiger Bestandteil vor allem der Therapie des Hormonrezeptor-positiven Mammakarzinoms ist. Mehrere Generika-Hersteller bieten das Produkt in Deutschland an, dazu gehören Aristo Pharma, Hexal, Aliud und Abz Pharma. Die PZ hatte bereits darüber berichtet, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bereits offiziell über den Lieferengpass informiert – in der Engpass-Datenbank der Behörde wird das Präparat nun geführt. Des Weiteren hat die Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) eine Mitteilung herausgegeben, nach der etwa 85 Prozent des Marktes betroffen sind, insbesondere die 20-Milligramm-Tabletten sind demnach betroffen. Die Zahl der betroffenen Menschen wird auf bis zu 130.000 geschätzt.
Für die Apotheken stellt sich in einer solchen Situation gleich mehrere Fragen: Welcher Hersteller ist noch lieferfähig? Welche alternativen Beschaffungsmethoden gibt es? Sind Importe möglich, und werden diese problemlos erstattet? Die PZ hat sich dazu zunächst bei einigen Herstellern umgehört. Die Sandoz-Tochter Hexal erklärt, dass die Nachfrage nach Tamoxifen bereits Ende 2021 stark anstieg – in kurzer Zeit seien Verkäufe erfolgt, die sonst nur in einem ganzen Quartal zustande kommen. Offenbar ist Hexal aber nicht ganz ausverkauft – eine Sprecherin gab gegenüber der PZ eine »geringere Verfügbarkeit« an – ohne allerdings mitzuteilen, welche Wirkstärken und Packungsgrößen noch verfügbar sind. Man habe Schritte eingeleitet, um eine weitere Verknappung zu vermeiden und neue Ware zu produzieren.
Immerhin: Die Firma Aristo Pharma gibt an, noch lieferfähig zu sein, konkret sollen die 10-Milligramm-Tabletten (100 Stück) noch vorhanden sein. Der Teva-Konzern gab lediglich an, auch von dem Engpass betroffen zu sein – ohne sich konkret zur Lieferfähigkeit zu äußern. Alle Hersteller begründeten die Probleme damit, dass ein wichtiger Zulieferer die Produktion eines Wirkstoffes eingestellt habe. Ob die von Aristo und Hexal gemeldeten lieferbaren Restmengen derzeit wirklich noch verfügbar sind, ist allerdings fraglich. Die PZ hat sich in mehreren Apotheken umgehört – alle gaben an, dass derzeit kein einziger Hersteller Tamoxifen-haltige Produkte liefern kann.
Die Möglichkeiten für Apotheker, Tamoxifen-haltige Produkte über den »normalen« Weg zu bestellen, sind im besten Fall also äußerst begrenzt. Eine bedeutende Möglichkeit, das Arzneimittel alternativ zu beschaffen, sind Importe. Das Bundesgesundheitsministerium hat seit einigen Jahren die Möglichkeit, einen offiziellen Versorgungsmangel festzustellen und in diesem Rahmen auch die im Arzneimittelgesetz festgelegten Regelungen zum Import zu flexibilisieren, um das fehlende Präparat leichter zu importieren. Im Fall von Tamoxifen ist dies jedoch noch nicht geschehen.
Und so bleibt den Apothekern der nach Par.73 des AMG geregelte Einzelimport von Arzneimitteln. Das Einzelimport-Verfahren ist jedoch kompliziert und kostenintensiv – die Apotheken müssen sich in vielen Fällen Einzelimporte vorab von den Kassen genehmigen lassen, die Preise unterscheiden sich oftmals zu den hierzulande geltenden Preisen, außerdem entstehen Portokosten. Die PZ hat sich bei einigen Kassen umgehört, wie man auf Kassenseite derzeit mit Einzelimport-Anfragen zu Tamoxifen umgeht.
Grundsätzlich gilt: Das genaue Abstimmungsverfahren zwischen Kassen und Apotheken ist in den jeweiligen Lieferverträgen zwischen den Landesverbänden der Kassen und Landesapothekerverbänden geregelt. Wie heterogen die Regelungen für Apotheken somit sind, zeigen unter anderem die Antworten der AOK Nordost, die in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern vertreten ist. Eine Sprecherin erklärt: »Im Versorgungsgebiet der AOK Nordost ist nur in Mecklenburg-Vorpommern eine Beantragung durch die jeweilige Apotheke zwingend durch den Vertrag vorgesehen. Der Brandenburger Vertrag enthält lediglich eine Empfehlung. Grundsätzlich empfehlen wir das aber allen Apotheken, denn dann sind sie auf der sicheren Seite.«
Laut AOK-Sprecherin gibt es derzeit aber ein vereinfachtes Antragsverfahren für alle Apotheken, die vorab eine Genehmigung beantragen. Zudem stehe man in Kontakt mit allen Apothekerverbänden in der Region sowie mit Herstellern und Importeuren. Dabei seien Lieferfähigkeit, Mindestbestellmengen etc. proaktiv abgefragt worden. »Auch diese Informationen wurden selbstverständlich den Apothekerverbänden sowie ärztlichen Berufsvertretern übermittelt und werden fortlaufend aktualisiert«, so die Sprecherin. Was die Kosten der Einzelimporte und mögliche Preisbeschränkungen betrifft, gibt es laut AOK-Sprecherin keine Obergrenze. Die Portokosten würden allerdings nur übernommen, wenn dies die jeweiligen Arzneimittel-Lieferverträge hergeben.
Die Barmer geht beim Tamoxifen-Engpass durchaus kulanter vor. Eine Sprecherin erklärte, dass man auf ein Genehmigungsverfahren derzeit verzichte. »Apotheken können Tamoxifen-Einzelimporte ohne Genehmigung über das Kassenrezept direkt mit der Barmer abrechnen. Dies erfolgt mit der Sonder-PZN 09999117 für einzeln importierte verschreibungspflichtige Arzneimittel. Die Apotheken sollten auf der Verordnung ‚Tamoxifen-Lieferengpass‘ oder Ähnliches vermerken«, so die Sprecherin. Was die Arzneimittelpreise betrifft, gelten auch bei der Barmer keine Obergrenzen, allerdings müssten die Apotheken das wirtschaftlichste Produkt auswählen. Die Portokosten können von den Apotheken direkt über das Kassenrezept abgerechnet werden, und zwar mit der Sonder-PZN 09999637 für Beschaffungskosten.
Die TK ging auf die Fragen der PZ-Redaktion zu Einzelimporten nicht ein. Eine Sprecherin teilte lediglich mit: »Aktuell sind unsere Rabattpartner Aristo und Hexal zum Teil lieferfähig, bzw. Aristo ist nach eigener Auskunft derzeit lieferfähig. Wir gehen davon aus, dass die in den Verträgen geschlossenen Lieferverpflichtungen eingehalten werden. Die konkreten Fragen zu Importregelungen sind vor diesem Hintergrund zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht akut, werden aber natürlich geprüft.«
Bei der DAK müssen Einzelimporte weiterhin grundsätzlich genehmigt werden, allerdings will die Kasse die Tamoxifen-Anfragen priorität behandeln, erklärte ein Sprecher. Auch bei der DAK gibt es keine Obergrenze beim Beschaffungspreis, das Apothekenhonorar berechne sich – wie in der AmPreisVO vorgesehen – bezogen auf den Bezugspreis. Und: Die Portokosten werden bis zu einer Höhe von 9 Euro erstattet.