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Neues Gutachten

Welche Chancen hätte ein Rx-Versandverbot?

Die Versender halten sich nicht an die Preisbindung und haben einen zweifelhaften Ruf bei den Lieferbedingungen. Die Idee eines Rx-Versandverbotes erlebt eine Renaissance, selbst die Ministerin scheint nicht abgeneigt. Ein neues Gutachten setzt sich mit der europarechtlichen Machbarkeit auseinander.
AutorKontaktAlexander Müller
Datum 06.10.2025  14:30 Uhr

Der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wurde in Deutschland mit dem GKV-Modernisierungsgesetzes im Jahr 2004 zugelassen. Am Ende desselben Jahres entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass Mitgliedstaaten den OTC-Versand nicht verbieten dürfen, beim Rx-Versand aber freie Hand haben. In 19 von 27 EU-Staaten ist der Rx-Versand verboten, die Ausnahmen neben Deutschland sind Dänemark, Estland, Finnland, Malta, die Niederlande und Schweden.

Hierzulande wird seitdem immer wieder über ein Rx-Versandverbot diskutiert – verstärkt, seitdem der EuGH 2016 feststellte, dass sich EU-Versender nicht an die deutsche Preisbindung halten müssen. Die Große Koalition schrieb sich das RxVV sogar in den Koalitionsvertrag. Doch der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) lehnte die Umsetzung ab und verwies auf Bedenken der Verfassungsressorts.

Seitdem war es vergleichsweise ruhig um das Thema, das allerdings mit einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) sowie der Einführung des E-Rezepts wieder Aufwind bekommen hat. So ließ der BGH in einem Urteil zu Rx-Boni erkennen, dass in Karlsruhe auch Zweifel an der Festigkeit des neuen Boni-Verbots im Sozialgesetzbuch bestehen.

Zweistellige Rx-Wachstumsraten bei den Versendern

Die Versender interpretieren den Urteilsspruch sehr weit und geben seitdem ungehemmt Rabatte auf verschreibungspflichtige Arzneimittel. Nachdem zu ihren Gunsten beim E-Rezept das Card-Link-Verfahren als zusätzlicher Einlöseweg etabliert wurde, erfreuen sich die EU-Versender zudem über zweistellige Wachstumsraten im Rx-Geschäft.

ABDA-Präsident Thomas Preis fordert von der Regierung mit Blick auf Boni-Gewährung und minderwertige Transportbedingungen beim Versand von der neuen Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) jetzt wieder ein RxVV. Zu ihrer Haltung befragt, sagte die Ministerin beim Deutschen Apothekertag (DAT) im PZ-Interview: »Wenn es einfach zu regeln wäre, könnte man machen und ich wäre auch offen dafür. Ich glaube aber, dass es europarechtlich schwierig ist. Aber ich will die Möglichkeiten, die es gibt, gerne auch noch mal in den Blick nehmen.«

Mit den rechtlichen Hürden und Möglichkeiten hat sich der Verwaltungsrechtler Fiete Kalscheuer befasst und einen Aufsatz »Zur unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Rx-Versandhandelsverbots« veröffentlicht.

FA: Länderliste in den Blick nehmen

Kalscheuer äußert zunächst Zweifel an der sogenannten Länderliste. Hierauf sind unter anderem die Niederlande als Land mit vergleichbaren Standards geführt, was einen Versand nach Deutschland erst ermöglicht. Der Rechtsanwalt hat »erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit« der Länderliste: »Die niederländischen Behörden überprüfen die ›Grenzapotheken‹ nicht oder jedenfalls nur sehr eingeschränkt, weil diese nur nach Deutschland liefern und die deutschen Behörden überprüfen diese mangels Zuständigkeit ebenfalls nicht«, so sein Argument.

Der EuGH habe seinerzeit unstreitig erkannt, dass es grundsätzlich möglich gewesen wäre, das Rx-Versandhandelsverbot beizubehalten. Die Luxemburger Richter hätten dabei zumindest auch nicht ausgeschlossen, »dass eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen kann«, der eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit rechtfertigen könne.

Europa-Fachbereich: Preisbindung in etwa gleich wirksam

Das Gegenargument der Kritiker eines RxVV: Beim GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) ging es vor mehr als 20 Jahren um die Vermeidung potenzieller negativer Liberalisierungsfolgen, während heute über ein Verbot einer etablierten Praxis entschieden werden müsse. Auch der Fachbereich Europa des Deutschen Bundestages meinte in einer Stellungnahme aus dem Jahre 2020, dass die Preisbindung ein milderes Mittel sei, aber in etwa gleich wirksam.

Kalscheuer ist überzeugt, dass bei einem Rx-Versandhandelsverbot deutlich geringere Eignungs-, Kohärenz- und Nachweisprobleme bestünden als bei der Arzneimittelpreisbindung. Leicht belegbar sei, dass ein RxVV die Präsenzapotheken stärke – schon mit Blick auf die jüngsten Umsatzverschiebungen.

Die aktuelle BGH-Entscheidung führt Kalscheuer zufolge zudem zu einer paradoxen Situation: Einerseits stelle die Preisbindung ein milderes Mittel im Vergleich zum Rx-Versandverbot dar, andererseits sei dem BGH zufolge die Arzneimittelpreisbindung – zumindest nach altem Recht – rechtswidrig. Im Sinne der Kohärenz wäre es demnach einfacher, ein RxVV zu erlassen, als eine europaweit geltende Arzneimittelpreisbindung durchzusetzen, folgert Kalscheuer.

Mehr Beurteilungsspielraum auf EU-Ebene

Als drittes Argument verweist der Anwalt auf den größeren Beurteilungsspielraum der Mitgliedsstaaten im Bereich des Gesundheitswesens. Diese dürften bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen und wie dieses Niveau erreicht werden soll. Kalscheuer greift dabei die Ausführungen des Oberlandesgerichts (OLG) München zur Bedeutung der Vor-Ort-Apotheken für die Versorgung auf.

Er ist überzeugt, dass ein RxVV unter diesen Gesichtspunkten unionsrechtlich zulässig wäre: Die Sicherheitsstandards zwischen deutschen Vor-Ort-Apotheken und niederländischen Arzneimittelversandhändlern unterschieden sich nach wie vor erheblich. Wolle Deutschland seine hohen Sicherheitsstandards behalten, sei die Regierung angesichts der E-Rezept-Einführung zum Handeln gezwungen.

Ob die von Ministerin Warken unverbindlich zugesagte Prüfung zu diesem Ergebnis kommt, bleibt abzuwarten. Juristen sind sich einig, dass ein Verbot heute schwieriger durchzusetzen ist, als es damals gewesen wäre, den Versand gar nicht erst zuzulassen. Denn ein RxVV bewegt sich im Bereich der Grundrechtseingriffe und muss daher geeignet, erforderlich und angemessen sein. Dass dies gesetzgeberisch hohe Hürden sind, wird die Juristin Warken nur allzu gut wissen.

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