Weitere Therapieoptionen in Sicht |
Kerstin A. Gräfe |
21.06.2023 09:00 Uhr |
Bei Multipler Sklerose kommt es zu einem Abbau der isolierenden Myelinschicht am Axon. / Foto: Adobe Stock/freshidea
Die Multiple Sklerose (MS) ist die häufigste entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems junger Erwachsener. In Deutschland erhalten jedes Jahr mehr als 10.000 Menschen die Erstdiagnose MS. Insgesamt gibt es derzeit in Deutschland mehr als 250.000 Betroffene.
»Bei MS kommt es zur einer Schädigung der Ummantelung der Nervenfasern im zentralen Nervensystem, der sogenannten Oligodendrozyten, wodurch die Signalweiterleitung im ZNS gestört wird«, erklärte Dr. Ann-Sophie Lauenstein von der DKD Helios Klinik in Wiesbaden vergangenes Wochenende bei der Zentralen Fortbildung der Landesapothekerkammer Hessen. Charakteristisch für die Erkrankung sei das Auftreten von Schüben. Hierunter verstehe man die Entwicklung und die anschließende – zumindest teilweise – Zurückbildung von unterschiedlichen neurologischen Beschwerden.
Hinsichtlich der Therapieoptionen befänden sich die Neurologen in der komfortablen Situation, die »Qual der Wahl« zu haben. Aber: »Die verfügbaren Medikamente zielen auf die Entzündung in der Peripherie ab. Wir haben bislang noch keine Wirkstoffe, die die intrinisch inflammatorischen Prozesse im Gehirn angehen«, konstatierte die Neurologin.
Die einzelnen Wirkstoffe sind in der aktuellen Leitlinie in drei Wirksamkeitskategorien eingeordnet. Dabei richtet sich die Einteilung nach Schubratenreduktion aus den Zulassungsstudien. Zur Wirksamkeitskategorie 1 gehören β-Interferone, Dimethylfumarat, Glatirameracetat und Teriflunomid, zur Kategorie 2 Cladribin sowie S1P-Modulatoren (Fingolimod, Ozanimod, Ponesimod) und zur Kategorie 3 Alemtuzumab, CD20-Antikörper (Ocrelizumab, Ofatumumab, off label Rituximab) und Natalizumab. »Mit zunehmender Wirksamkeit nehmen allerdings auch die seltenen unerwünschten schweren Arzneimittelwirkungen zu«, so die Referentin.
Grundsätzlich werden in der Behandlung zwei Strategien verfolgt. Bei der Eskalationstherapie beginnt man mit den schwächsten und verträglichsten Arzneimitteln und steigert bei Bedarf das Aufgebot zu hochaktiven, gleichzeitig risikoreicheren Substanzen. Bei der hochaktiven Induktionstherapie bedient man sich direkt der Wirkstoffe aus der Kategorie 3. »Beides sind gerechtfertigte Herangehensweisen«, so Lauenstein. Insgesamt gehe man aber dazu über, »Hit hard and early« zu therapieren. Denn man wisse inzwischen, dass jede entstandene Läsion später im Stadium der sekundären Progredienz, wenn das Gehirn und Rückenmark altern, Probleme bereiten kann.