Was sagt die STIKO zur Covid-19-Viertimpfung für alle? |
Weitere Experten stärken der STIKO auf dpa-Anfrage den Rücken. Der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Professor Dr. Carsten Watzl, teilte mit, er sehe aktuell noch keinen Bedarf für eine generelle Empfehlung zu einer vierten Impfung. Für immungesunde Menschen gelte, dass der Schutz vor schwerer Erkrankung auch mehr als sechs Monate nach der dritten Impfung immer noch sehr hoch sei.
Wer wolle, könne sich – auch ohne unter die STIKO-Empfehlung zu fallen – ein viertes Mal impfen lassen, um den Immunschutz wieder in etwa auf ein Niveau wie kurz nach der dritten Impfung zu bringen. Dies schade nicht und man verbaue sich nichts in Bezug auf eine eventuell fünfte Impfung mit einem an Omikron angepassten Impfstoff. «Bei einer generellen Empfehlung befürchte ich jedoch, dass bei vielen der Eindruck entsteht, dass ich mich alle sechs Monate impfen muss, um geschützt zu sein. Und das stimmt ja nicht und könnte zu einer Impfmüdigkeit führen», sagte Watzl.
«Ich denke, dass die Empfehlungen der STIKO sehr ausgewogen und sachgerecht sind», erklärte auch der Immunologe Professor Dr. Andreas Radbruch, Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums in Berlin. Eine vierte Impfung jetzt für alle sehe er aus mehreren Gesichtspunkten kritisch. Einer davon: Die vierte Impfung mit den bisher verfügbaren Impfstoffen schütze «nur sehr unvollkommen vor Infektion und Infektiosität». Radbruch bezieht sich dabei auf israelische Daten, die sich auf den Schutz vor Omikron beziehen. Er nimmt an, dass der Schutz auch eher kurz anhält.
Auch Radbruch betont: Schon die zweite und dritte Impfung schützten sehr gut vor schwerer Krankheit und Tod. Eine vierte Impfung mit den bisherigen Impfstoffen setze wahrscheinlich nur wenig darauf, könne aber eventuell sogar hinderlich sein, später auf neue Impfstoffe und Virusvarianten optimal zu reagieren.
In einer britischen Studie im Fachjournal «The Lancet» erwähnen die Autoren einen möglichen Decken-Effekt: Der Nutzen einer vierten Dosis könne bei Menschen, die schon starke Immunantworten durch kürzlich erfolgte Infektion oder Impfung aufweisen, möglicherweise geringer ausfallen. Der Effekt könne etwa von der Art und Dosis des Impfstoffs abhängen, es seien dazu aber noch weitere Analysen nötig.
Wie auch andere Experten zuletzt mehrfach betont hatten, bedeuten die abfallenden Antikörperspiegel im Blut in der Zeit nach der Impfung nicht, dass man SARS-CoV-2 ohne jegliche Abwehr ausgeliefert ist. «Es ist absolut normal, gesund und wünschenswert, wenn der Antikörperspiegel im Verlauf einer Immunreaktion abfällt, denn so werden die Plasmazellen selektiert, die die besten Antikörper machen», erklärte Radbruch. Diese Plasmazellen würden dann «ins Knochenmark rekrutiert, wo sie uns über Jahre und Jahrzehnte mit den schützenden Antikörpern versorgen».
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.