Was kann man Krebspatienten zusätzlich empfehlen? |
Daniela Hüttemann |
14.07.2022 16:30 Uhr |
Eine gesunde Ernährung ist auch für Krebspatienten empfehlenswert. Bestimmte Nahrungsergänzungsmittel brauchen sie nicht, wenn kein nachgewiesener Mangel vorliegt. / Foto: Getty Images/FatCamera
Vor fast einem Jahr ist zum ersten Mal eine S3-Leitlinie zur »Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen Patienten« erschienen. Mitgearbeitet daran hat auch Michael Höckel, Leiter der Krankenhausapotheke des Klinikbetreibers Gesundheit Nordhessen in Kassel. »Diese Leitlinie ist wichtig für die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) von Krebspatienten und kann die tägliche Apothekenpraxis unterstützen«, betonte Höckel kürzlich beim 30. NZW-Krebskongress für Apotheker in Hamburg.
»Die Patienten wollen zusätzlich etwas für sich tun – wir müssen dann konstruktive, positive Vorschläge machen.« Denn sonst griffen viele Patienten im Alleingang zu nutzlosen bis womöglich schädlichen Mitteln. Gerade bei Bestellungen im Internet sei aber nicht immer ersichtlich, was in manchen dort feilgebotenen Nahrungsergänzungsmitteln genau enthalten ist, während dies für Apothekenprodukte klar deklariert sein muss. »Wir sollten besser in der Apotheke nach entsprechender Beratung etwas anbieten, bevor sich der Patient es woanders holt«, meint Höckel und auch aufklären, dass solche Mittel immer nur als Ergänzung gedacht sind, nicht zur eigentlichen Behandlung der Krebserkrankung.
Aber was ist überhaupt sinnvoll? Welche Mittel und Maßnahmen haben nachgewiesenermaßen eine Wirksamkeit, welche sind womöglich kontraproduktiv? Auf 630 Seiten gibt die S3-Leitlinie Einschätzungen zu diesen Fragen. In Kapitel 3. Allgemeines findet sich für die einzelnen Symptome unter einer Tumortherapie eine übersichtliche Tabelle mit verlinkten Querverweisen, wo die Evidenzlage genauer erläutert wird. Demnach kann zum Beispiel bei Übelkeit und Erbrechen Akupressur, Akupunktur (außer während der Radiotherapie) und Ingwer empfohlen werden.
Kapitel 4.4 widmet sich der Homöopathie. So gibt es keine Empfehlung für oder gegen die Anwendung von homöopathischen Einzel- oder Kombinationsmitteln bei Krebspatienten, um Mortalität, Morbidität und Lebensqualität zu verbessern. Eine homöopathische Erstanamnese inklusive individueller Homöopathika-Verordnung kann dagegen zur Verbesserung der Lebensqualität erwogen werden (vermutlich haben sich hier die ausführlichen Gespräche ausgewirkt).
Einzelne Wirkstoffe wie Vitamine, Spurenelemente, Enzyme, sekundäre Pflanzenstoffe und Phytotherapeutika werden ausführlich in Kapitel 7 Biologische Therapien besprochen. Höckel erläuterte einige Beispiele:
Und auch zu einigen Phytopharmaka und sekundären Pflanzenstoffen äußerte sich Höckel. Eine der wenigen Kann-Empfehlungen bezieht sich auf Ingwer bei therapiebedingter Übelkeit und Erbrechen. Zudem könne Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa) bei Hitzewallungen unter Brustkrebstherapie erwogen werden, auch wenn die Anwendung nicht evidenzbasiert sei. Wichtig sei hier, dass Traubensilberkerze im Gegensatz zu anderen Phytos gegen Wechseljahresbeschwerden nicht phytoestrogen wirke und daher nicht wie anderweitige Präparate mit Isoflavonen kontraindiziert sei.
Hier sollte jedoch auf die Qualität der Präparate geachtet werden und auch auf weitere Inhaltsstoffe. Remifemin Plus zum Beispiel enthält zusätzlich Johanniskraut, das wiederum grundsätzlich aufgrund seines großen Interaktionspotenzials (unter anderem mit Irinotecan, Imatinib, Methotrexat) bei Krebspatienten nur mit großer Zurückhaltung eingesetzt werden darf. Es liegen im Übrigen keine Studien vor, die eine Wirksamkeit von Johanniskraut auf die Depressivität onkologischer Patienten belegen.
Generell sieht es mit der Evidenz für Phytopharmaka und Nahrungsergänzungsmitteln immer noch mau aus. Eine subkutane Misteltherapie kann laut Leitlinie erwogen werden. Hier gibt es keine Empfehlung für oder dagegen. Die Leitlinie hat hier alle in Deutschland verfügbaren Mistelpräparate gegenübergestellt. Für das beliebte Curcumin (enthalten in Kurkuma) gebe es keine ausreichende Datenlage für oder gegen eine Empfehlung. Höckel warnte vor hoch dosierten Grüntee-Extrakten mit Epigallocatechingallat (EGCG). Gegen eine Tasse grünen Tee für Krebspatienten spreche dagegen nichts.