Was ist wirklich effektiv? |
Brigitte M. Gensthaler |
21.09.2020 10:00 Uhr |
Besser als laut Schreien: ein Hörgerät tragen. Das beugt zugleich einer Demenz vor. / Foto: Fotolia/Henryk Boeck
Seit Längerem sind neun potenzielle Risikofaktoren bekannt, die mit der Entstehung von Demenz zusammenhängen und beeinflussbar sind. Dazu gehören niedriger Bildungsstand, Hypertonie, schlechtes Hören, Rauchen, Übergewicht, Depression, Diabetes, mangelnde körperliche Aktivität und wenig Sozialkontakte. Die Forscher um Professor Dr. Gill Livingston vom University College London haben nun drei weitere modifizierbare Risikofaktoren mit überzeugender Evidenz identifiziert. Dies sind exzessiver Alkoholkonsum, Kopf- und Hirnverletzungen und Luftverschmutzung, schreiben sie in ihrer Publikation in der Fachzeitschrift »The Lancet«.
In einem Modell zur Demenzprävention errechnen sie, dass diese zwölf Risikofaktoren für insgesamt 40 Prozent der weltweiten Demenzfälle verantwortlich sind. Diese könnten also theoretisch verhindert oder wenigstens hinausgezögert werden. »Das Potenzial zur Prävention ist hoch und könnte noch höher sein in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, in denen die Demenzerkrankungen mehr zunehmen als in hoch entwickelten Ländern.« Die Experten fordern, Präventionsmaßnamen auf staatlicher und individueller Ebene ehrgeizig und konsequent anzugehen. »Es ist nie zu früh und nie zu spät im Leben für die Demenzprävention.« Sie geben eine Reihe von klaren Empfehlungen:
Den Beitrag der Hausärzte in Deutschland zur Demenzprävention untersuchte ein Team um Professor Dr. Karel Kostev (IQVIA) und Dr. Jens Bohlken. Hausärzte könnten im Rahmen von Gesundheitsuntersuchungen (GU) mögliche Risikopatienten umfassender als bisher beraten und behandeln, schreiben sie in einer Studie in der Fachzeitschrift »Fortschritte der Neurologie Psychiatrie«.
Ihre Analyse ergab, dass die GU nur bei etwa 14 Prozent der Menschen mit erhöhtem Demenzrisiko erfolgt. In der Altersgruppe der 45- bis 65-Jährigen erhielten rund 26 Prozent der Patienten mit Hypertonie eine GU, bei Menschen mit Adipositas waren es knapp 35 Prozent und mit Hörstörung etwa 30 Prozent. In der Gruppe der über 65-Jährigen wurde nur bei einem Viertel der Diabetes-Kranken und der Patienten mit Depressionen eine GU abgerechnet. Positiv bewerten die Autoren jedoch die steigende Akzeptanz gegenüber demenzpräventiven Ansätzen bei Ärzten und in der Bevölkerung.
Da neurodegenerative Erkrankungen wie Morbus Parkinson oder Alzheimer viele Jahre vor den ersten merkbaren Symptomen beginnen, rät der Neurologe Dr. Michael Lorrain, Vorstandsvorsitzender der Alzheimer-Forschung-Initiative, zum frühzeitigen Gesundheits-Check. »Gehen Sie regelmäßig zum Gedächtnis-Check, wenn Sie um die 70 oder älter sind.«
Spielen: Auch das ist Demenzprävention. / Foto: Adobe Stock/Kzenon
Bei welchen konkreten Symptomen sollte man zum Arzt? Das sei individuell unterschiedlich, aber spätestens dann dringend nötig, wenn man von anderen Menschen auf Defizite und Merklücken angesprochen wird. Gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus, Angst, Verlegen von Gegenständen an untypische Orte oder das Vergessen kompletter Erlebnisse sind ebenfalls Warnzeichen.
»Wenn nur Details, zum Beispiel ein Name, vergessen werden, und wenn Zettel und Notizen helfen bei der Erinnerung, ist es eher keine manifeste Demenz.«
Noch ein praktischer Präventionstipp: »Spielen Sie Spiele!« Mensch-ärgere-Dich-nicht und Kartenspiele seien ein preiswertes hervorragendes Gedächtnistraining, das in der älteren Generation jeder kennt und kann.
Wie sich Apotheker in die Prävention und die Betreuung von Demenzpatienten und ihren Angehörigen einbringen können, zeigt das Projekt »Demenzfreundliche Apotheke« des WIPIG – Wissenschaftliches Institut für Prävention im Gesundheitswesen. Ziel ist es, die Apotheke als Vermittler zur Entlastung von Angehörigen und Erkrankten zu nutzen und damit die Betreuung sowie die Pflege zu verbessern.