Was heißt heute alt? |
Der menschliche Körper ist nicht auf ein Dasein 90 plus ausgelegt. Bei allem Training vom E-Bike bis Rollator-Yoga – Garantien gibt es nicht. Dafür Krankheiten, die erst im höheren Alter auftreten. Die Gefürchtetste heißt Demenz. Mit 85 beginne im Schnitt die Phase der Hochaltrigkeit mit Gesundheitseinbußen, körperlich wie geistig. »Das kann weiterhin ein erfüllendes Leben sein, aber es ist nicht mehr das Leben mit 70.«
Dass Alter so schwer fassbar ist, macht die Sache kompliziert – politisch, ökonomisch und persönlich. Bereits unter 70-Jährigen gibt es Menschen, die biologisch zehn Jahre älter sind. Andere sind nach diesem Maßstab zehn Jahre jünger. «Diese breite Spanne von 20 Jahren haben wir in keiner anderen Generation«, sagt die Charité-Forscherin Kuhlmey.
Das mache es auch so schwer, das Rentenalter festzusetzen: »Am besten wäre es, wenn wir individuell nach Leistungsfähigkeit in Pension oder Rente gingen.« Kuhlmey wird bald 69 und hat nun eine Senior-Professur. Warum, fragt sie, soll Wissen ab Mitte 60 automatisch verloren gehen? Muss da nicht viel mehr gehen mit Blick auf den demografischen Pilz?
Kuhlmeys Hoffnung ruht auf dem Einfallsreichtum der Baby-Boomer, in Deutschland geboren von Mitte der 1950er- bis Ende der 1960er-Jahre. Diese Generation hat eine Vorstellung davon, was Altern heißt. Kaum jemand, der nicht ein eigenes Management für die Eltern aufsetzt, vom Arzttermin bis zum Pflegedienst.
Wissenschaftlerin Kuhlmey sieht noch etwas anderes: »Das ist auch historisch das erste Mal, dass eine Generation als große Gruppe lernt: So geht es nicht. Das will ich meinen Kindern nicht zumuten.« Die Boomer, hofft sie, sorgen nach dieser Erfahrung anders für sich vor.
Mehr Alters-WGs mit Freunden vielleicht, oder sie bauen das Mehrgenerationenwohnen aus. Auch die Digitalisierung mag ihnen im Alltag helfen. Dazu haben viele Boomer Geld und sind belesen, in kaum einer Generation vorher gab es so viele Bildungsaufsteiger. Aber sie bleiben viele. Und das Pflegesystem knirscht jetzt schon.