Was haben Alzheimer und Darmerkrankungen gemeinsam? |
Theo Dingermann |
18.08.2022 10:15 Uhr |
Die Autoren führten ihre Untersuchungen auf drei große Analyseebenen durch: auf SNP-Ebene, auf Gen-Ebene und auf der Ebene biochemischer Reaktionswege. Sieben gemeinsame Gen-Loci ließen sich identifizieren, denen eine genomweite Bedeutung für AD und GERD zukommen könnte. Zudem spiegelt der von den Forschenden erneut erbrachte Nachweis einer signifikanten genetischen Überlappung und Korrelation von AD und GIT-Störungen nicht nur gemeinsame genetische Ätiologien (biologische Pleiotropie) wider, sondern legt auch einen möglichen kausalen Zusammenhang zwischen AD und den GIT-Merkmalen (vertikale Pleiotropie) nahe.
Der Nachweis eines solchen kausalen Zusammenhangs scheiterte dann jedoch an Reproduzierbarkeitstests. Dies wiederum deutet darauf hin, dass eine gemeinsame Genetik und gemeinsame biologische Signalwege den Zusammenhang zwischen AD und GIT-Störungen am besten erklären können.
Vor allem tauchten in den Analysen immer wieder lipidbezogene Stoffwechselwege und Autoimmunpfade auf. Bekanntlich besteht ein enger Zusammenhang zwischen Autoimmunität und Lipidanomalien und in Übereinstimmung mit früheren Studien unterstreichen diese Signale die Bedeutung der Lipidhomöostase bei AD und GIT-Erkrankungen. Eine Lipiddysregulation könnte daher von zentraler Bedeutung für das Zusammenspiel von Alzheimer, Darmmikrobiota und GIT-Erkrankungen sein, was auf das therapeutische Potenzial von Lipidsenkern wie Lipase-Hemmern und Statinen bei Alzheimer und GIT-Erkrankungen hindeutet.
Lipase-Hemmer verhindern die Aufnahme von Nahrungsfetten im Darm und senken die Gesamtplasmatriglycerid-Konzentration und den Cholesterolspiegel. Die Verbindung zwischen AD, Lipiddysregulation, Dysbiose und der Darm-Hirn-Achse könnte daher den potenziellen Nutzen von Lipase-Hemmern bei Alzheimer unterstützen.
Die Studie zeigt, welchen Hypothesen weiter nachgegangen werden sollte. Erstens deuten die Ergebnisse klar in Richtung lipidbezogener Mechanismen für beide Krankheitskomplexe. Sie legen eine Rolle abnormaler Lipidprofile bei der Ätiologie der Erkrankungen nahe und deuten potenzielle Biomarker für Alzheimer und GIT-Erkrankungen (oder deren Komorbidität) an.
Zweitens unterstreichen die Ergebnisse die Bedeutung der Lipidhomöostase. Der diätetische Ansatz ist ein wirksamer präventiver und nicht pharmakologischer Ansatz für die Behandlung von Hyperlipidämie und dies stimmt insgesamt mit den Ergebnissen dieser Studie überein. Die Einhaltung einer mediterranen (lipidarmen) Ernährung ist sowohl bei AD als auch bei GIT-Erkrankungen als vorteilhaft anerkannt. Eine Empfehlung für eine gesunde Ernährung in den ersten Lebensjahren könnte daher Teil der Lebensstilmodifikationen zur Prävention von Alzheimer und GIT-Erkrankungen sein. Allerdings muss der klinische Nutzen dieser Empfehlungen weiter untersucht und validiert werden.
Drittens werden in der Studie Lipase-Hemmer und Statine als Komponenten identifiziert, die die Genese von AD und GIT-Erkrankungen beeinflussen und somit potenziell von therapeutischem Wert sein könnten. Die Autoren stellen die Hypothese auf, dass Personen mit einer Kombination aus Alzheimer und GIT von diesen Therapien profitieren könnten. Auch dies muss anhand geeigneter Studiendesigns, einschließlich randomisierter Kontrollstudien, geprüft werden.
Viertens deutet sich in dieser Studie eine besondere Bedeutung der Phosphodiesterase PDE4B bei der Verknüpfung von AD und GIT-Erkrankungen an, sodass die Autoren auch in Anbetracht der Belege in der Literatur vorschlagen, dass eine Behandlung, die auf die Hemmung dieses Enzyms abzielt, bei komorbiden AD- und GIT-Erkrankungen vielversprechend sein könnte.