Pharmazeutische Zeitung online
Darm-Hirn-Achse

Was haben Alzheimer und Darmerkrankungen gemeinsam?

Genetische Einblicke in die sogenannte Darm-Hirn-Achse zeigen gemeinsame Risiken für eine Alzheimer-Demenz und verschiedene gastrointestinale Störungen. Die identifizierten Gene und biologischen Signalwege könnten sich als potenzielle Ziele für Interventionsstrategien dieser beiden weitverbreiteten Krankheiten erweisen.
Theo Dingermann
18.08.2022  10:15 Uhr

Laut dem Konzept der sogenannten Darm-Hirn-Achse besteht zwischen bestimmten Merkmalen des Gastrointestinaltrakts (GIT) und Störungen des zentralen Nervensystems, etwa Demenz, aber auch Depression und Parkinson, eine Verbindung. So wurde über das gleichzeitige Auftreten einer Demenz, insbesondere Alzheimer, bei bestimmten Erkrankungen des GIT, der Mikrobiota, einer Dysbiose oder der Einnahme von Medikamenten, die üblicherweise zur Behandlung von Magengeschwüren verwendet werden, berichtet.

Einen solchen Zusammenhang stützen auch groß angelegte genomweite Assoziationsstudien (GWAS), in denen eine zunehmende Anzahl von Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNP) identifiziert wurden. Das sind starke Hinweise darauf, dass der Genetik bei der Ätiologie von Alzheimer-Demenz (AD) und GIT-Störungen eine wichtige Rolle zukommen könnte.

Mit diesem Problem befasst sich eine von Dr. Emmanuel O. Adewuyi vom Center for Precision Health der Edith Cowan University in Joondalup, Australien, und Kollegen durchgeführten Studie, die vor Kurzem im Fachjournal »Communications Biology« veröffentlicht wurde. Die Autoren analysierten aussagekräftige GWAS-Daten, um die genetische Beziehung und einen möglichen kausalen Zusammenhang zwischen AD- und GIT-Erkrankungen umfassend zu bewerten.

Darmerkrankungen wohl nicht die Ursache für Alzheimer

Die Forschenden fanden eine positive signifikante genetische Überlappung und Korrelation zwischen AD und gastroösophagealer Refluxkrankheit (GERD), Magengeschwüren, entzündlichen Magen- und Darmerkrankungen, Reizdarmsyndrom und Divertikulose. Wegen der kleinen Datenbasis ließ sich dieser Zusammenhang bisher nicht für chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen zeigen, jedoch auch nicht ausschließen. Eine Kausalitätsbeurteilung liefert allerdings keine belastbaren Hinweise auf einen signifikanten ursächlichen Zusammenhang zwischen AD und GIT-Störungen.

Demgegenüber wurden Hinweise auf eine genomweite Bedeutung für AD- und GIT-Erkrankungen gefunden. Unter anderem wurde eine signifikante Anreicherung von Gemeinsamkeitsmerkmalen im Bereich des Fettstoffwechsels, der Autoimmunität, der Lipase-Inhibition, der PD-1-Signalübertragung und der Statin-Mechanismen für AD- und GIT-Merkmale nachgewiesen.

Untersuchungen auf drei großen Analyseebenen

Die Autoren führten ihre Untersuchungen auf drei große Analyseebenen durch: auf SNP-Ebene, auf Gen-Ebene und auf der Ebene biochemischer Reaktionswege. Sieben gemeinsame Gen-Loci ließen sich identifizieren, denen eine genomweite Bedeutung für AD und GERD zukommen könnte. Zudem spiegelt der von den Forschenden erneut erbrachte Nachweis einer signifikanten genetischen Überlappung und Korrelation von AD und GIT-Störungen nicht nur gemeinsame genetische Ätiologien (biologische Pleiotropie) wider, sondern legt auch einen möglichen kausalen Zusammenhang zwischen AD und den GIT-Merkmalen (vertikale Pleiotropie) nahe.

Der Nachweis eines solchen kausalen Zusammenhangs scheiterte dann jedoch an Reproduzierbarkeitstests. Dies wiederum deutet darauf hin, dass eine gemeinsame Genetik und gemeinsame biologische Signalwege den Zusammenhang zwischen AD und GIT-Störungen am besten erklären können.

Lipase-Hemmer und Statine zur Therapie?

Vor allem tauchten in den Analysen immer wieder lipidbezogene Stoffwechselwege und Autoimmunpfade auf. Bekanntlich besteht ein enger Zusammenhang zwischen Autoimmunität und Lipidanomalien und in Übereinstimmung mit früheren Studien unterstreichen diese Signale die Bedeutung der Lipidhomöostase bei AD und GIT-Erkrankungen. Eine Lipiddysregulation könnte daher von zentraler Bedeutung für das Zusammenspiel von Alzheimer, Darmmikrobiota und GIT-Erkrankungen sein, was auf das therapeutische Potenzial von Lipidsenkern wie Lipase-Hemmern und Statinen bei Alzheimer und GIT-Erkrankungen hindeutet.

Lipase-Hemmer verhindern die Aufnahme von Nahrungsfetten im Darm und senken die Gesamtplasmatriglycerid-Konzentration und den Cholesterolspiegel. Die Verbindung zwischen AD, Lipiddysregulation, Dysbiose und der Darm-Hirn-Achse könnte daher den potenziellen Nutzen von Lipase-Hemmern bei Alzheimer unterstützen.

Verschiedene Therapieansätze denkbar

Die Studie zeigt, welchen Hypothesen weiter nachgegangen werden sollte. Erstens deuten die Ergebnisse klar in Richtung lipidbezogener Mechanismen für beide Krankheitskomplexe. Sie legen eine Rolle abnormaler Lipidprofile bei der Ätiologie der Erkrankungen nahe und deuten potenzielle Biomarker für Alzheimer und GIT-Erkrankungen (oder deren Komorbidität) an.

Zweitens unterstreichen die Ergebnisse die Bedeutung der Lipidhomöostase. Der diätetische Ansatz ist ein wirksamer präventiver und nicht pharmakologischer Ansatz für die Behandlung von Hyperlipidämie und dies stimmt insgesamt mit den Ergebnissen dieser Studie überein. Die Einhaltung einer mediterranen (lipidarmen) Ernährung ist sowohl bei AD als auch bei GIT-Erkrankungen als vorteilhaft anerkannt. Eine Empfehlung für eine gesunde Ernährung in den ersten Lebensjahren könnte daher Teil der Lebensstilmodifikationen zur Prävention von Alzheimer und GIT-Erkrankungen sein. Allerdings muss der klinische Nutzen dieser Empfehlungen weiter untersucht und validiert werden.

Drittens werden in der Studie Lipase-Hemmer und Statine als Komponenten identifiziert, die die Genese von AD und GIT-Erkrankungen beeinflussen und somit potenziell von therapeutischem Wert sein könnten. Die Autoren stellen die Hypothese auf, dass Personen mit einer Kombination aus Alzheimer und GIT von diesen Therapien profitieren könnten. Auch dies muss anhand geeigneter Studiendesigns, einschließlich randomisierter Kontrollstudien, geprüft werden.

Viertens deutet sich in dieser Studie eine besondere Bedeutung der Phosphodiesterase PDE4B bei der Verknüpfung von AD und GIT-Erkrankungen an, sodass die Autoren auch in Anbetracht der Belege in der Literatur vorschlagen, dass eine Behandlung, die auf die Hemmung dieses Enzyms abzielt, bei komorbiden AD- und GIT-Erkrankungen vielversprechend sein könnte.

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa