Was bedeutet das für die Medikation? |
Brigitte M. Gensthaler |
26.03.2019 14:00 Uhr |
Bei massiver Adipositas kann eine bariatrische Operation angezeigt sein. / Foto: Shutterstock/Amani A
»Nach einer bariatrischen Operation ist eine langfristige Umstellung der kompletten Lebensführung nötig«, verdeutlichte Dr. Sonja Mayer von der Johannes-Apotheke, Gröbenzell, beim WIPIG-Fortbildungstag am Samstag in München. Hierbei sei die Beratung und Begleitung der Apotheke besonders wichtig.
Magenband, Schlauchmagen und Magenbypass entfalten ihre Wirkung ganz maßgeblich durch Restriktion der Nahrungszufuhr. Alle Operationen führen zu komplexen Veränderungen im Gastrointestinaltrakt, aber auch in Gehirn, Fettgewebe, Muskel und Leber mit Gewichtsverlust und positivem Effekt auf den Metabolismus. »Die Patienten können langfristig bis zu 43 Prozent des Übergewichts abnehmen, aber das ist ein hartes Stück Arbeit«, verdeutlichte Mayer.
Die Art der Operation beeinflusst die spätere Medikation. Postoperativ müsse der Medikationsplan re-evaluiert werden. Viele Dauermedikamente werden nicht mehr gebraucht; bei anderen müsse die Dosis angepasst werden. Vier bis sechs Wochen postoperativ braucht der Patient eine Ulkusprophylaxe mit PPI.
Eingriffsspezifisch kommt es insbesondere nach Bypässen durch die veränderte Nahrungspassage zu Veränderungen der Resorption. Deshalb sei dauerhaft eine Supplementation von Multivitaminen und Spurenelementen nötig, da deren Resorption massiv abnimmt, erklärte Mayer. Der Patient sei anfällig für einen Mangel an fettlöslichen Vitaminen (A, D, E und K), an Calcium und Magnesium, Eisen, Vitamin B1 und B12 sowie Folsäure, außerdem an Spurenelementen wie Zink, Kupfer und Selen. Mayer empfahl ein Multivitamin-Präparat in doppelter Dosierung, bevorzugt die parenterale Gabe von Vitamin B12 (Mangel an intrinsischem Faktor und Salzsäure) und orale Supplemente mit Eisen, Folsäure, Calcium und Vitamin D. Achtung: Calciumcarbonat braucht Säure für die Resorption, daher stattdessen das Citrat geben.
Was tut sich sonst bei der Pharmakokinetik? Das Magenvolumen ist verkleinert; damit kann der Zerfall von festen Arzneiformen beeinträchtigt sein. Der Magen-pH kann sich ins Alkalische (nach Bypass-OP pH 6) verschieben: Das vermindert die Resorption von Arzneistoffen wie Calciumcarbonat, Eisen oder Digoxin, die einen sauren pH-Wert brauchen, und verändert die Freisetzung magensaftresistenter Arzneiformen.
Die Magen-Entleerungszeit kann sich ändern; ist kein Pylorus mehr vorhanden, kann es zur Sturzentleerung mit Dumping-Syndrom kommen. Der Zufluss an Gallensäuren ändert sich je nach OP-Technik, und das kann die Aufnahme von schwer wasserlöslichen Arzneistoffen wie Phenytoin, Ciclosporin oder Levothyroxin erschweren. Die deutlich reduzierte Transitzeit und Resorptionsfläche im Dünndarm wirkt sich auf retardierte Arzneiformen aus. Sie werden nach einer batriatrischen Operation nicht mehr empfohlen.
Generell könne man von einer (meist) abgeschwächten Dosis-Wirkungs-Beziehung, einem höheren Risiko für Ulkusbildung (NSAR, orale Bisphosphonate und Corticoide meiden) und für die Bildung von Gallensteinen ausgehen, sagte Mayer.
Nötig ist eine besonders hohe Zufuhr von Proteinen von 80 bis 100 g/Tag. Dies könne prä- und postoperativ über Pulver mit 80 g Protein/100g Pulver sichergestellt werden, erklärte Mayer. Die Patienten dürfen nur noch sehr kleine Portionen essen (Portionsgröße 150 ml). Essen und Trinken sind zu trennen (30 Minuten Abstand). Die Patienten sollten immer aufhören mit dem Essen, sobald sie sich satt fühlen, und sich möglichst viel bewegen.