Was Apotheker über die Geschlechtsangleichung wissen sollten |
Brigitte M. Gensthaler |
28.06.2021 11:00 Uhr |
Sehr wichtig für den/die Betroffenen sei das »Passing«, also die Entsprechung des Aussehens mit dem gefühlten Geschlecht. Von der Optik her sei es einfacher, wenn ein weiblicher Körper männlich aussieht, denn kurze Haare und (kurze) Hosen sind gesellschaftlich akzeptiert. Viel auffälliger sei es, wenn ein bärtiger Mann einen Rock trägt.
Anschütz nannte es einen schweren Faux-pas, eine Person mit dem falschen Geschlecht anzusprechen («misgendern«). »Ein Transmann ist ein Mann. Eine Transfrau ist eine Frau. Fragen Sie in der Apotheke lieber nach, wie jemand angesprochen werden möchte, wenn Sie unsicher sind.« Ebenso spreche man nicht von »Geschlechtsumwandlung«, denn eine transidente Person werde nicht »umgewandelt« in eine andere.
Transidente Menschen hätten oft einen langen Leidensweg hinter sich, aber ein starkes inneres Bedürfnis, im gefühlten Geschlecht zu leben. »Sie brauchen Hilfe in der Apotheke. Trans zu sein, ist keine spontane Entscheidung.« Sind die hohen rechtlichen Hürden genommen und die schwierige Kostenübernahme mit den Krankenkassen geklärt, kann die Angleichung beginnen, die medikamentös und chirurgisch erfolgen kann. In der S3-Leitlinie zur »Diagnostik, Beratung und Behandlung im Kontext von Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans-Gesundheit« (Stand 2019; AWMF Reg. Nr. 138 – 001) werden die sogenannten körpermodifizierenden Behandlungen ausführlich vorgestellt.
Bei der Angleichung von Mann zu Frau wird vor der Orchiektomie (Entfernung der Hoden) Cyproteronacetat (zum Beispiel Androcur® als Testosteronblocker) plus Estradiol (oral oder dermal) eingesetzt. Ziel ist es, den physiologischen Blutspiegel einer Frau zu erreichen. »Es geht um die niedrigste Dosis, mit der sich die Frau wohlfühlt.« Nach der Orchiektomie braucht die Transfrau keine Androgenblocker mehr.
Unter dem Hormonblocker wächst die Körperbehaarung langsamer, Haare und Haut werden feiner. Das Fettgewebe nimmt zu und der Körper wird weiblicher. Während die Hoden schrumpfen, werden die Brustwarzen größer und sensibler.
Ein großes Problem bei Transfrauen, die nach der Pubertät mit der Hormonbehandlung beginnen, sei der Bartwuchs, erklärte die Apothekerin. Da dieser genetisch bedingt und wenig Testosteron-abhängig ist, wachsen die Barthaare trotz Hormonblockade weiter, sodass regelmäßige Rasur oder eine Epilation nötig sind. »Viele Transfrauen leiden zudem an Haarausfall und tragen Perücke.« Die männliche Stimmlage sei nur durch Logopädie oder eine Kehlkopfoperation zu verweiblichen.
Ältere Transfrauen können die Estrogentherapie absetzen und kommen dann in die Wechseljahre.
Bei der Anpassung von Frau zu Mann wird nur Testosteron gegeben: als Injektion (Depotbildung über vier bis zehn Wochen) oder dermal (täglich). »Ziel ist es, die physiologischen Blutspiegel eines Cis-Mannes zu erreichen.« Unter der Hormontherapie nehmen Körperbehaarung und oft der Bartwuchs («für Transmänner sehr wichtig«) zu, aber das Kopfhaar werde schütter. Es kommt zum Stimmbruch, die Fettverteilung verlagert sich von Hüfte zur Taille. Der Habitus wird kantiger und die Aggressionsschwelle steigt. Die wachsende Klitoris werde mitunter zum Aufbau eines Penoids genutzt.
Die Testosteron-Wirkung auf die Stimme sei unterschiedlich. Bei manchen verändere sie sich nicht, bei manchen langsam über Monate, bei manchen sehr schnell.