Warum Eltern ihr Baby im Auto vergessen |
Dr. David M. Diamond, Professor für Psychologie, forscht seit rund 20 Jahren zum Vergessenes-Baby-Syndrom und gilt als Begründer des Begriffs. Laut seinen Studien können Stress, Schlafmangel oder veränderte Routinen Auslöser für das Vergessen des Kindes sein. Im Gehirn entstehe etwa eine falsche Erinnerung daran, das Kind wie üblich im Kindergarten abgegeben zu haben, weil Routinehandlungen wie die Fahrt zur Arbeit quasi per Autopilot absolviert würden.
Normalerweise hilft laut Diamond das sogenannte Intentionsgedächtnis den Menschen, ihre in der Zukunft geplanten Handlungen später auch umzusetzen. Leute erinnerten sich also zur richtigen Zeit an gefasste Handlungsabsichten – beispielsweise mit dem Auto am Kindergarten zu stoppen, um dort ein Kind abzugeben.
Bei Fällen von vergessenen Babys hingegen werde das Intentionsgedächtnis vom Gewohnheitsgedächtnis ausgetrickst. Mit fatalen Folgen: Die Absicht, das Kind am Kindergarten abzugeben, werde vergessen und dennoch entstehe eine Erinnerung daran, das Kind abgegeben zu haben.
Immer wieder vergessen Eltern laut Forscher Diamond während Autofahrten zeitweise, dass ihr Kind mit an Bord ist. Besonders häufig passiere das, wenn der Nachwuchs im Wagen eingeschlafen ist. Die meisten erinnern sich aber dann wieder an die Kleinen. Das hängt laut Diamond mit kleinen Hinweisen zusammen: etwa einer Wickeltasche, die im Auto steht, oder einem Geräusch des Kindes.
Die Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde rät, ein Spielzeug oder eine Wickeltasche auf den Beifahrersitz zu legen, um an die Anwesenheit des Babys erinnert zu werden. Man könne auch die eigene Tasche oder das Mobiltelefon auf die Rückbank neben das Kind legen, damit man beim Aussteigen nach hinten schaue.
Die Organisation »No Heat Stroke« empfiehlt, ein Stofftier des Kindes auf den Beifahrersitz zu legen. Man könne auch mit dem Kindergarten einen Kontrollanruf verabreden, wenn das Kind dort morgens in der Gruppe unabgesprochen fehlt.
In Italien sind seit rund fünf Jahren für Kinder bis vier Jahren Kindersitze mit einem Alarmsystem vorgeschrieben. Wird das Kind versehentlich im Auto zurückgelassen, sendet der Sitz akustische und optische Alarmsignale. Zudem werden die Eltern via Smartphone benachrichtigt. Diese Anti-Vergessens-Einrichtung, der »dispositivo anti abbandono«, kann in älteren Autos auch nachgerüstet werden.
Manche Automodelle haben zudem Rücksitz-Erinnerungssysteme: Sie sollen den Fahrer nach dem Abstellen des Fahrzeugs daran erinnern, auf den Rücksitz zu gucken. Das System registriert, wenn vor oder während der Fahrt die hinteren Türen geöffnet wurden. Ebenso schlägt es Alarm, wenn das Auto ohne erneutes Öffnen der Türen abgestellt wird. Fortgeschrittene Systeme nutzen Druck-, Ultraschall- oder Infrarot-Sensoren, um Bewegung oder Körperwärme auf den Rücksitzen zu erkennen. Automobilzulieferer arbeiten zudem an weiteren Systemen, auch mit Hilfe Künstlicher Intelligenz (KI).