Warum die Zahlen steigen |
Christina Hohmann-Jeddi |
27.06.2023 11:00 Uhr |
Sonnenbrand vermeiden und Schattenplätze aufsuchen, ist die Devise, um die Haut zu schützen und Hautkrebs vorzubeugen. / Foto: Adobe Stock/Evrymmnt
Immer mehr Menschen erkranken an Hautkrebs – also an bösartigen Wucherungen der Hautzellen. Je nachdem, welche Zelltypen in der Haut entarten, werden verschiedene Hautkrebsformen unterschieden: Schwarzer Hautkrebs (malignes Melanom) entsteht, wenn Pigmentzellen der Haut (Melanozyten) bösartig verändert sind. Sind Hornzellen der Oberhaut betroffen, entstehen Basalzellkarzinome oder Plattenepithelkarzinome, früher auch Spinaliome oder Stachelzellkrebs genannt. Die beiden Letztgenannten werden als heller oder weißer Hautkrebs bezeichnet. Neben den beiden Hauptformen schwarzer und heller Hautkrebs kommen noch seltene Formen wie das Kaposi-Sarkom, Fibrosarkom oder Merkelzellkarzinom vor.
Die einzelnen Typen unterscheiden sich stark hinsichtlich ihrer Eigenschaften und der Prognose. »Das Melanom ist der tückischere und aggressivere Hautkrebs, der schon in frühen Phasen, ohne dass er groß in Erscheinung tritt, Metastasen setzen kann, die dann tödlich sein können«, erklärt Professor Dr. Carola Berking, Direktorin der Hautklinik des Uniklinikums Erlangen und zweite Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft, im Gespräch mit der PZ. Der schwarze Hautkrebs zeichne sich durch eine hohe Mutationsrate, hohe Wandelbarkeit, frühe Metastasierung und eine effektive Unterdrückung des Immunsystems aus. Während schwarzer Hautkrebs auch schon bei Jüngeren entstehe, trete weißer Hautkrebs hauptsächlich bei Älteren auf.
Insgesamt wird Hautkrebs immer häufiger: In den vergangenen 20 Jahren hat die Zahl der Krankenhausbehandlungen wegen Hautkrebs stetig zugenommen. 105.700 Menschen wurden 2021 mit der Diagnose Hautkrebs im Krankenhaus stationär behandelt, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) Ende Mai mitteilte. Das waren knapp 75 Prozent mehr Fälle als im Jahr 2001.
Die starke Zunahme bestätigt auch Berking: »Die Hautkrebszahlen haben sich kontinuierlich nach oben entwickelt über die letzten Jahrzehnte.« Die Gründe hierfür seien zum einen die älter werdende Gesellschaft, da ein Risikofaktor gerade für den hellen Hautkrebs das Alter sei, denn die Hautschäden durch Sonneneinstrahlung summierten sich über die Jahre auf. »Das fängt in der Kindheit an«, sagte Berking. Zum anderen sei das veränderte Freizeitverhalten seit etwa den 1970er/1980er-Jahren, bei dem Menschen sich mehr der Sonne ausgesetzt hatten als zuvor, eine Ursache für den Trend. Hier spiele auch das veränderte Schönheitsideal, immer braun gebrannt sein zu wollen, eine Rolle und die damit verbundene verstärkte Nutzung von Solarien. UV-Strahlung ist einer der Hauptrisikofaktoren für Hautkrebs.
Schwarzer Hautkrebs sei eher mit intensiven Strahlungsbelastungen der Haut assoziiert, wie etwa beim Sonnenbrand, der helle Hautkrebs eher mit einer chronischen UV-Belastung, sagte die Dermatologin. Ein Teil der Zunahme der Erkrankungszahlen sei aber auch durch eine verstärkte Diagnostik zu erklären, so Berking.
Wie die Zahlen von Destatis zeigen, hat vor allem die Häufigkeit des hellen Hautkrebses zugenommen, und zwar um 114 Prozent von 38.400 Fällen im Jahr 2001 auf 82.100 im Jahr 2021. Wegen des deutlich aggressiveren schwarzen Hautkrebses gab es 2021 etwa 23.700 stationäre Behandlungen und damit 7 Prozent mehr als 2001. Beruhigen könne der im Vergleich geringere Anstieg der Melanome laut Berking aber nicht, denn auch der helle Hautkrebs könne metastasieren, vor allem bei immungeschwächten Personen. Hauptverursacher von allen Todesfällen durch Hautkrebs sei aber das Melanom, obwohl es deutlich seltener sei.
Und auch die Zahl der durch Hautkrebs bedingten Todesfälle ist laut Destatis-Angaben angestiegen, nämlich um 55 Prozent von 2001 auf 2021. Im Jahr 2021 starben demnach etwa 4100 Menschen in Deutschland an Hautkrebs. Im selben Zeitraum sei die Zahl der Todesfälle wegen Krebserkrankungen insgesamt lediglich um 10 Prozent gestiegen, teilte Destatis mit.
Je früher Hautkrebs entdeckt wird, desto besser sind die Heilungschancen. Aus diesem Grund steht allen gesetzlich Versicherten ab 35 Jahren ein Hautkrebs-Screening zur Verfügung, bei dem die Haut alle zwei Jahre systematisch nach den Krebsformen Basalzellkarzinom, Plattenepithelkarzinom und Melanom abgesucht wird. Bei Verdacht auf Hautkrebs wird eine Gewebeprobe genommen und genauer untersucht. Bestätigt sich der Verdacht, hängt das weitere Vorgehen von der Art und dem Stadium des Tumors ab.
Beim Hautkrebs-Screening wird die Haut nach Basalzellkarzinomen, Plattenepithelkarzinomen und Melanomen abgesucht. / Foto: Adobe Stock/Evgeniy Kalinovskiy
Zunächst werde sowohl beim schwarzen als auch beim hellen Hautkrebs der Tumor operativ entfernt. Haben die Tumoren noch nicht gestreut, ist häufig eine vollständige operative Entfernung möglich. Bei Melanomen ab Stadium II (mit einer Eindringtiefe ab 2 mm oder dünnere Tumoren mit Zerstörung der Oberhaut), bei dem eine Streuung befürchtet werden muss, wird zusätzlich zur Operation auch unterstützend (adjuvant) behandelt. Hier kommen verschiedene Arzneimittel zur Anwendung, vor allem Checkpoint-Inhibitoren (PD-1-Antikörper Nivolumab und Pembrolizumab), die die durch den Tumor bedingte Unterdrückung des Immunsystems aufheben. Ab Stadium III, also im Falle von regionären Haut- oder Lymphknotenmetastasen, kann auch eine zielgerichtete Therapie in Tablettenform mit sogenannten BRAF-MEK-Inhibitoren angeboten werden, die sich gegen die häufig in Tumoren zu findende wachstumsfördernde Mutation BRAFV600 richtet.
Als neu könnten diese Optionen nicht mehr bezeichnet werden, da sie für Melanome in fortgeschrittenen Stadien schon fast zehn Jahre zugelassen seien, so Berking. Neu sei allerdings, dass diese Therapien inzwischen früher eingesetzt würden, sprich ab den Tumorstadien II und III, also bei besonders dicken Ersttumoren oder im Falle von regionären Haut- oder Lymphknotenmetastasen. »Noch neuer ist, dass die PD-1-Inhibitoren inzwischen sogar neoadjuvant, das heißt vor der operativen Entfernung des Tumors eingesetzt werden«, berichtet die Ärztin. Die Zerstörung des Tumors durch die Immuntherapie sei dabei deutlich effektiver, zeigten Studiendaten. »Das ist aber noch nicht in der Routinebehandlung etabliert.«
Auch beim hellen Hautkrebs hätten sich die Checkpoint-Inhibitoren in höheren Stadien durchgesetzt. Und auch hier zeigten die Daten, dass ein präoperativer Einsatz der PD-1-Inhibitoren besser wirke als ein postoperativer. Bei sehr gutem Ansprechen könne in einigen Fällen sogar auf die Operation verzichtet werden.
Es gebe noch keine epidemiologischen Daten, die zeigten wie sich die neueren Therapien auf die hautkrebsbedingte Sterblichkeit auswirkten, berichtet die Expertin weiter. In klinischen Studien konnte aber gezeigt werden, dass die Hälfte der Patienten mit Melanomen im metastasierten Stadium, die früher im Mittel etwa sechs bis sieben Monate überlebten, mit neueren Therapien inzwischen mehrere Jahre überlebten.
Eine weitere Therapieoption könnten in Zukunft mRNA-Impfungen darstellen, sagt Berking. Sowohl der mRNA-Impfstoffhersteller Moderna aus den USA als auch das deutsche Unternehmen Biontech arbeiten an entsprechenden Präparaten zur Behandlung von Melanomen. Erst vor Kurzem hatte Moderna Phase-II-Daten zu seinem Kandidaten mRNA-4157/V940 präsentiert, der zusammen mit dem PD-1-Inhibitor Pembrolizumab verabreicht wurde. Die in dem Impfstoff enthaltene mRNA ist individualisiert und kodiert für eine Reihe von Neoantigenen, die im Tumor des individuellen Patienten nachgewiesen wurden. Der Impfstoff soll das Immunsystem auf den Tumor ansetzen, der PD-1-Inhibitor soll die Immunantwort unterstützen.
»Die Daten waren das Highlight auf dem diesjährigen ASCO, die weltweit größte Onkologen-Tagung in den USA«, berichtet Berking. Die Kombination der personalisierten Vakzine mit der Immuntherapie ergab einen zusätzlichen Vorteil im Vergleich zur Monotherapie mit dem PD-1-Hemmer. »Das ist das erste Mal, dass eine randomisierte Studie hier Vorteile gezeigt hat.« Mit einer Zulassung sei zu rechnen, wenn die Daten der Phase-III-Studie ebenfalls positiv ausfielen.
Biontech hat ebenfalls eine personalisierte mRNA-Vakzine (BNT111) in der Entwicklung, die zusammen mit dem Checkpoint-Inhibitor Cemiplimab in Phase II getestet wird. Das Positive an dem Ansatz generell sei, dass die Toxizität der Behandlung durch die Hinzunahme des mRNA-Impfstoffs nicht gesteigert würde, so Berking.
Der starke Anstieg der Hautkrebszahlen zeigt auch, dass die Prävention noch verstärkt werden kann. »Die oberste Regel hierbei ist, Sonnenbrand zu vermeiden«, betont die Ärztin. Die Haut sollte nach Sonnenexposition nicht rot werden – egal zu welcher Jahreszeit. Insgesamt sei bewusstes Sonnenbaden nicht zu empfehlen. An sonnigen Tagen sollte man sich zwischen 11 und 15 Uhr, wenn die Sonne am höchsten steht, nicht in der Sonne aufhalten. Wenn man dies aber doch tun müsse, dann sollte die Haut durch Kleidung und Hut bedeckt werden und die unbedeckten Stellen mit einem Sonnenschutzpräparat mit Lichtschutzfaktor 50+ eingecremt werden. »Hier sollte genügend Creme benutzt werden und auch ab und zu nachgecremt werden«, rät die Expertin. Wenn möglich, sollten Schattenplätze aufgesucht werden, wobei auch hier zu beachten ist, dass die Strahlenbelastung hier zwar verringert, aber nicht null sei. »Unter dem Sonnenschirm am Strand bekommen wir trotzdem noch bis zu 30 Prozent der UV-Strahlung auf die Haut.«
Aber selbst gut aufgeklärte Menschen hätten häufig gar nicht die Möglichkeit, sich zu schützen, weil an öffentlichen Plätzen wie Freibädern oder Sportplätzen Schattenspender fehlten. »Unser Appell ist daher an die Politik und Städteplaner, mehr Schattenplätze zu schaffen.« Das Problem wird sich durch den Klimawandel noch verschärfen, denn die Zahl der Sonnenstunden steigt. Es wäre daher wünschenswert, wenn über eine häufigere Publikation des UV-Index in Zeitungen, im Wetterbericht oder auch an Tafeln am Strand noch verstärkt für die UV-Problematik sensibilisiert würde.
Die Verhaltensprävention habe sich aber insgesamt gut durchgesetzt. So sei in vielen Ländern, auch in Deutschland, der Schutz der Kinder vor der Sonne inzwischen normal geworden.