Warum Cortison mit der Zeit schwächer wirkt |
Theo Dingermann |
24.08.2023 18:00 Uhr |
Bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis ist mitunter eine längerfristige Gabe von Corticosteroiden erforderlich, um Schmerzen und Funktionseinschränkungen zu bekämpfen. / Foto: Adobe Stock/agenturfotografin
Corticosteroide wirken bei entzündlichen Erkrankungen besonders gut zu Beginn der Therapie. Mit steigender Dauer der Anwendung lässt die Wirkstärke allerdings nach und es treten Nebenwirkungen wie Osteoporose, erhöhte Infektanfälligkeit oder Stoffwechselstörungen in den Vordergrund. Diesem Phänomen sind Forschende vom Institut für Pharmazie und vom Klinikum der Friedrich Schiller-Universität Jena auf den Grund gegangen. Dr. Zhigang Rao, Elen Brunner, Dr. Benjamin Giszas und Kollegen publizierten ihre Ergebnisse im Fachjournal »PNAS«.
Im Detail weiß man nämlich nach wie vor nicht, wie Glucocorticoide in Entzündungsprozesse eingreifen und wie sie vor allem auch die Biosynthese der sogenannten spezialisierten proresolvierenden Mediatoren (SPM) beeinflussen. SPM sind wichtig, da diese Mediatoren die Auflösung der Entzündung einleiten.
Im Verlauf einer Entzündungsreaktion dominieren zunächst proinflammatorische Immunzellen, darunter vor allem M1-Makrophagen. Diese produzieren proinflammatorische Botenstoffe in Form von Prostaglandinen und Leukotrienen, die auch für die mit Entzündungen verbundenen typischen Symptome wie Fieber und Schmerzen verantwortlich sind.
Dann folgt nach einigen Tagen die zweite Phase des Entzündungsgeschehens, in der die pathologische Reaktion wieder abzuklingen beginnt. In dieser Phase übernehmen vermehrt Makrophagen vom Typ M2 die Kontrolle der komplexen Kommunikation, in der entzündungsauflösende Botenstoffe, die sogenannten Resolvine dominieren.
Die Forschenden aus Jena konnten nun an Kulturzellen zeigen, dass Cortison in den früh auftretenden M1-Makrophagen die Bildung von entzündungsauflösenden Resolvinen induziert, während es die Bildung dieser Botenstoffe in den später auftretenden M2-Makrophagen erheblich stört. Dies macht deutlich, dass eine zu lange Gabe von Glucocorticoiden kontraproduktiv sein kann und letztlich das Abklingen der Entzündung behindert.
Den Grund fanden die Forschenden darin, dass Glucocorticoide mit der Biosynthese der 15-Lipoxygenase-Enzyme interferieren. In menschlichen Monozyten/Makrophagen regulieren Glucocorticoide die Expression der 15-Lipoxygenase-2 stark hoch. Dieses Enzym katalysiert die Bildung von Resolvinen. Andererseits unterdrücken Glucocorticoide aber die Induktion der 15-Lipoxygenase-1, was sich wiederum deutlich negativ auf die für das Abklingen einer Entzündung so wichtige Resolvinbildung in den M2-Makrophagen auswirkt. Der Glucocorticoidrezeptor-Antagonist RU486 hebt diese Effekte der Glucocorticoide auf.
Die in der Zellkultur nachgewiesenen Zusammenhänge konnten die Forschenden dann auch an Immunzellen aus Patientenproben bestätigen: In Seren von Patienten, die an akuten oder chronischen Entzündungen litten, ließ sich nach Behandlungsbeginn mit einem Cortisonpräparat eine deutliche Hochregulierung der 15-Lipoxygenase-2 feststellen. Die beiden Isoformen der 15-Lipoxygenase könnten somit als Ansatzpunkte für die Entwicklung neuer antientzündlicher Wirkstoffe infrage kommen.