Warken besteht Apotheken-Praktikum |
Alexander Müller |
21.07.2025 08:46 Uhr |
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) zu Besuch in der Möhler-Apotheke in Igersheim. / © PZ
Am Freitag um kurz vor 13 Uhr hält der Audi mit Berliner Kennzeichen vor der Möhler-Apotheke in Igersheim. Rund 5000 Einwohner und zwei Apotheken hat die Gemeinde ganz im Nordosten Baden-Württembergs. Es ist Warkens Heimat, mit Apothekerin Sylvia Begemann ist sie in Tauberbischofsheim auf dieselbe Schule gegangen. Den Wahlkreis Odenwald/Tauber hat Warken bei der Bundestagswahl mit 42,8 Prozent erneut direkt geholt.
Heute kehrt sie im Rahmen ihrer Sommertour zurück und ist überpünktlich. Ein großes Gefolge hat sie nicht im Schlepptau, neben dem Fahrer ist nur ein Mitarbeiter ihres Teams dabei, der ein paar Fotos für Social Media machen soll. Der erste erkennbare Unterschied zu ihrem Amtsvorgänger Karl Lauterbach (SPD), der solche Termine gern für eine kleine Show nutzte.
Während Lauterbach seinen Gastgeber vor laufenden Kameras über die zweifelhafte Evidenz mancher Nahrungsergänzungsmittel aufklärte, lässt sich Warken als Erstes den Abholautomaten zeigen. »Natürlich gekühlt«, wie Inhaberin Begemann fast beiläufig bemerkt und damit das erste Mal geschickt eine politische Botschaft einfließen lässt.
Die nächste Gelegenheit dazu bietet sich am PC. Salbutamol soll Warken suchen. Begemann deutet das Suchergebnis: »Gucken wir mal, was wir dahaben, nämlich nichts.« Warken kennt das Phänomen der Lieferengpässe aus dem politischen Bekanntenkreis. Ein deutscher Europaabgeordneter kaufe das Mittel für sich immer im Ausland.
Apotheker Tobias Reineck nutzt die Gelegenheit, um über pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) zu sprechen. Er betreibt vier Apotheken in Heilbronn, Begemann hat den befreundeten Kollegen als Unterstützung dazugeholt. Reineck berichtet der Ministerin, wie wichtig es ist, die Patientinnen und Patienten auf ihre Inhalatoren zu schulen. Warken ist noch recht frisch im Amt, weiß aber sehr genau, wie voll der pDL-Topf ist, und will wissen, woran das liegt. Das Problem in vielen Apotheken seien Zeit- und Personalmangel. Aber die junge Generation sei bei dem Thema sehr motiviert, versichert Reineck.
Apothekenbesuch in Igersheim (v.l.n.r.): Bürgermeister Frank Menikheim, Filialleiterin Doris Hahn, Gesundheitsministerin Nina Warken, Inhaberin Sylvia Begemann, Apotheker Tobias Reineck. / © PZ
Auch ein E-Rezept darf Warken bearbeiten. Dass die Ministerin vorher genötigt wird, eine Verschwiegenheitserklärung zu unterschreiben, nimmt die Juristin anerkennend zur Kenntnis. Begemann erklärt das Problem der Stapelsignatur. »Das kommt leider täglich vor, dass wir in der Praxis anrufen müssen – und davon sind dann wieder die Ärzte genervt.« Warken versteht nicht, warum die Praxen den Prozess nicht umstellen, und schlägt vor, alle mal an einen Tisch zu holen.
Als Ministerin gibt sie sich pragmatisch, als Praktikantin ist sie mustergültig, macht alles mit, hört zu und redet wenig. Man spürt: Sie möchte möglichst viel möglichst schnell aufsaugen. Warken mag neu sein in der Branche, aber sie stellt die richtigen Fragen. Als sie erfährt, dass Krankenkassen nicht dokumentierte Zuzahlungsbefreiungen retaxieren, die sie selbst ausgestellt haben, verdreht sie ungläubig die Augen.
Über Honorarfragen will Begemann bewusst nicht mit der Ministerin sprechen, das Thema sieht sie bei der Standesvertretung in Berlin besser aufgehoben. Aber dass das Rx-Geschäft für sie »überlebenswichtig« ist und es um die flächendeckende Versorgung geschehen ist, wenn sich die Versender die Chroniker-Rezepte herauspicken, die Botschaft kommt deutlich an. »Da haben Sie mich an Ihrer Seite«, versichert Warken und verweist auf die Apothekenreform, die ihr Haus im Herbst vorlegen will.
Und dann geht es in die Rezeptur. Warken schlüpft in Kittel und Handschuhe und ist in den nächsten Minuten so konzentriert und gewissenhaft mit ihren Kapseln beschäftigt, dass das Gespräch beinahe abzureißen droht. Staunend vernimmt die Ministerin, dass nach der inzwischen gekündigten Hilfstaxe lediglich 32 Euro für eine Standardrezeptur anfallen, inklusive Substanzprüfung, Arbeitszeit einer Fachkraft, Material und Dokumentation. Für Warkens Rezeptur wurden die meisten dieser Schritte im Stile einer TV-Kochshow schon vorbereitend abgenommen, so dass sie ihre beschriftete Kruke mit nach Berlin nehmen kann.
Gut vorbereitet hat sich die Möhler-Apotheke sowieso auf den hohen Besuch, nachdem vor zwei Wochen die Anfrage aus dem Ministerium kam. Die geht zurück auf ein erstes Treffen im Herbst 2024 bei einem politischen Abend in der Region. Lange bevor Warken als neue Gesundheitsministerin gehandelt wurde, tauschte sie sich dort mit der Apothekerin über die Versorgung im ländlichen Raum aus. Als feststand, dass Warken Teil des Kabinetts von Kanzler Friedrich Merz wird, gratulierte Begemann per Mail und bot ihre Hilfe an, falls es Fragen zum Apothekenmarkt geben sollte.
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