Wann verfallen noch offene Urlaubstage? |
Eigentlich verfällt der gesetzliche Urlaubsanspruch in Höhe von jährlich vier Wochen grundsätzlich mit dem 31. Dezember eines Jahres. Aber es gibt konkrete Bedingungen, die der Arbeitgeber beachten muss. / Foto: Adobe Stock
Im bestehenden Arbeitsverhältnis kann der gesetzliche Urlaubsanspruch über Urlaubstage, die tatsächlich nicht beansprucht wurden, nur dann verfallen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf die noch offenen Urlaubstage hingewiesen und über den drohenden Verfall informiert hat. Hierzu ergingen diverse Gerichtsentscheide vom Europäischen Gerichtshof (EuGH, 6.November 2018, Az. C-619/16 und C-684/16; EuGH, 22.September 2022, Az. C-120/21) und dem Bundesarbeitsgericht (BAG, 19. Februar 2019, Az. 9 AZR 541/15; BAG, 20.Dezember 2022, Az. 9 AZR 266/20).
Wie ist die Rechtslage? Eigentlich verfällt der gesetzliche Urlaubsanspruch in Höhe von jährlich vier Wochen grundsätzlich mit Ablauf des 31. Dezember eines Jahres. Nur im Ausnahmefall, wenn der Urlaub vonseiten des Arbeitnehmers aufgrund dringender betrieblicher oder in seiner Person liegender Gründe nicht beansprucht werden konnte, gibt es eine Verlängerung. Dann verfällt der gesetzliche Urlaubsanspruch mit Ablauf des 31. März des jeweiligen Folgejahres. Die Rechtsprechung ist sich nun jedoch einig: Dieser gesetzliche Urlaubsverfall kann nur dann eintreten, wenn der Arbeitgeber einen konkreten und rechtzeitigen Hinweis über den drohenden Verfall gegenüber dem Arbeitnehmer erklärt hat.
Was ist also für Arbeitgeber zu beachten? Spätestens zum Ende des dritten Quartals sollten Arbeitgeber bei jedem einzelnen Arbeitnehmer überprüfen, ob die Urlaubskonten der Mitarbeiter noch offene Ansprüche aufweisen.
Wenn im Arbeitsvertrag keine Trennung zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch und etwaigem freiwilligen Zusatzurlaubsanspruch erfolgt ist, so sollte sich der Hinweis auch auf die noch nicht gewährten und daher offenen Urlaubstage des freiwilligen Mehrurlaubs erstrecken. Ein bloßer Aushang, eine allgemeine Mitarbeiterinformation oder eine einheitliche Rundmail wird den Anforderungen der Rechtsprechung an dieser Stelle nicht gerecht werden. Erforderlich ist insbesondere auch aus Nachweis- und Beweiszwecken im Streitfall, dass die Erklärung individuell gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer abgegeben wurde und der Zugang hierzu etwa durch Empfangsbestätigung belegt werden kann.
Jasmin Herbst ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Mediatorin. Sie ist seit 2017 bei der Kanzlei Dr. Schmidt und Partner in Koblenz tätig.