Wann kommen die Grippe-Impfstoffe in den Markt? |
Hinter Ärzten und Apothekern liegt eine chaotische Grippesaison. In diesem Herbst könnten neue Schwierigkeiten drohen. / Foto: Imago/Jochen Tack
In diesen Tagen werden wichtige Weichen für den Herbst gestellt. Bundesweit müssen Apotheker und Arztpraxen den Bedarf an Grippe-Impfstoffen kalkulieren und die Impfdosen vorbestellen. Die Hersteller geben anschließend auf dieser Basis in die langwierige Produktion. Zuletzt hatte das Paul-Ehrlich-Institut noch einmal aufs Tempo gedrückt. Ärzte und Apotheker sollten möglichst bis zum 20. März verbindlich bestellen, hatte die Behörde erklärt. Lediglich für den tetravalenten Hochdosis-Impfstoff Efluelda® bleibt demnach bis zum Ende des Monats Zeit.
Dabei ist es vor allem dieser Impfstoff, der die Branche vor neue Herausforderungen stellt. Erstmals haben Senioren ab 60 Jahren Anspruch auf ein solch hochdosiertes Vakzin. So hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im Januar das Mittel zur einzigen Option für diese Gruppe erklärt und war damit einer Empfehlung der Ständige Impfkommission (STIKO) gefolgt. Vor wenigen Tagen erst drehte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Beschluss allerdings zurück und präsentierte eine Verordnung, die nun offiziell in Kraft getreten ist. Ärzte dürfen damit in diesem Herbst von der G-BA-Vorgabe abweichen, wenn etwa das hochdosierte Präparat nicht verfügbar ist.
Mit diesem Schritt will die Politik verhindern, dass Lieferausfälle ausgerechnet die Versorgung der Älteren mit Grippeimpfstoffen bedrohen. Denn bislang gibt es mit Sanofi nur einen einzigen Hersteller mit einer Hochdosis-Vakzine am Markt. Trotz dieser wichtigen Entscheidung rechnen viele Apotheker mit einer schwierigen Grippesaison. So sind die Lagerbestände in diesem Jahr besonders schwer zu kalkulieren. Völlig unklar ist etwa, wie häufig die Ärzte Efluelda letztlich zum Einsatz bringen. Viele Praxen hatten sich zuletzt sehr vorsichtig im Umgang mit dem recht teuren Hochdosis-Impfstoff gezeigt, der als Import aus den USA auch im vergangenen Herbst bereits zur Verfügung stand. Zwar gilt die Impfung mit Efluelda ausdrücklich als wirtschaftliche Entscheidung und ist laut STIKO für Senioren das Mittel der Wahl. Dennoch könnten Ärzte auch aus Angst vor Regressen eine reguläre und damit deutlich günstigere Vakzine wählen.
Hinzu kommt die Sorge vieler Apotheker, dass Hersteller nicht rechtzeitig liefern können. Im vergangenen Herbst hatten fehlende Impfdosen gleich zu Beginn der Saison für große Probleme gesorgt. Damals war der Andrang in den Praxen aufgrund der Pandemie bereits im September überraschend groß, viele Impfstoffe kamen allerdings erst zwischen Oktober und November in den Markt.
Dem Vernehmen nach haben die ersten Hersteller bereits Lieferzusagen für den September gemacht. Doch nicht alle Unternehmen legen sich verbindlich fest. In der Regel könne GSK zwischen Ende August und Anfang September mit der Auslieferung beginnen, sagte eine Sprecherin des Unternehmens auf Nachfrage der PZ. Nähere Angaben könne man zu diesem Zeitpunkt aber nicht machen. Astra Zeneca geht nach eigenen Angaben davon aus, Mitte September mit der Auslieferung zu beginnen. Auch Sanofi plant, zu diesem Zeitpunkt die ersten Dosen auf den Markt bringen.
Auf den französischen Konzern dürfte in diesem Herbst zweifellos eine große Herausforderung zukommen. Denn mit der STIKO-Empfehlung ist Efluelda zumindest theoretisch für schätzungsweise 10 Millionen Impfwillige über 60 Jahre das Mittel der Wahl. Zudem vertreibt Sanofi mit Vaxigrip Tetra® auch einen regulären Grippe-Impfstoff. Insgesamt muss der Hersteller damit in diesem Herbst deutlich größere Mengen für Deutschland produzieren und pünktlich ausliefern.
Sanofi selbst sieht sich gut aufgestellt. Allein im vergangenen Jahr habe man die Kapazitäten in der Produktion weltweit um 25 Prozent auf 250 Millionen Dosen ausgeweitet, erklärte eine Sanofi-Sprecherin im Gespräch mit der PZ. Die Nachfrage nach Grippeimpfstoffen dürfte allerdings auch in diesem Jahr weiter steigen und das nicht nur auf dem deutschen Markt. Für die Apotheker könnte der Lieferstart von Efluelda in diesem Herbst derweil eine entscheidende Rolle spielen. Denn: Wenn das Präparat später in den Markt kommt als andere Impfstoffe, weichen Ärzte entsprechend häufiger auf Alternativen aus. Damit steigt die Gefahr, dass die teure Vakzine liegenbleibt – und Apotheken am Ende hohe Verluste einfahren.