»Von allein wird die Zukunft nicht besser« |
Jennifer Evans |
24.04.2024 17:00 Uhr |
Ein Problem der Transformation sei, dass so viel darüber geredet werde, aber dann nichts passiere. Das betonte der Referent Reza Razavi. / Foto: ABDA/André Wagenzik
Wenn die Normalität Risse bekommen hat, dann befinden wir uns in einer Sattelzeit. Das ist gerade der Fall, insbesondere bei den Apotheken. Das Alte funktioniert nicht mehr, das Neue noch nicht ganz. Auf jeden Fall schmerzt das Loslassen, und die Veränderung überfordert. Was ist das neue Normal?
Zu Beginn seines Vertrags beim diesjährigen DAV-Wirtschaftsforum in Potsdam hat Reza Razavi, der sich vor allem als Transformationsbegleiter und Impulsgeber versteht, klargestellt: »Wer glaubt, die Fahrwasser werden irgendwann wieder ruhiger, der täuscht sich.« Das sogenannte New Normal bedeutet vielmehr: »Wir müssen immer tanzen.« Damit meint er die Stabilität und die Beweglichkeit seines Seiltänzers erlernen. Denn lebensfähige Systeme benötigen beide dieser Komponenten.
Unsere moderne Gesellschaft sei geprägt von Dynamik, Komplexität und Stapelkrisen. Im Hamsterrad der Beschleunigung optimierten wir uns ständig selbst, suchten Balance durch Achtsamkeitsübungen oder veränderten die Systeme. Vorgesetzten fehle der Überblick über die Fülle an Problemstellungen, die Zukunft sei nicht mehr vorhersehbar und Krisen befeuerten sich gegenseitig.
Razavi: »Es wird nicht besser, jedes Jahr wird mehr von diesen Dingen hinzukommen.« Die Frage sei nur, welche Haltung wir zum Wandel einnähmen. Umso wichtiger erscheint es in seinen Augen, diesen Wandel mitzugestalten und zu entscheiden: »Design or Desaster«.
Den Unterschied zwischen den Begriffen Transformation und Change zu verstehen, ist dafür laut Razavi hilfreich. Transformation beinhaltet einen Paradigmenwechsel sowie gänzlich neue Spielregeln, während Change in der derselben Logik bleibt und lediglich die Vergangenheit verbessere.
Es gebe keine Blaupause für den Wandel, aber einige Bausteine. Der Transformationsbegleiter zählte einige davon auf. Ein Betrieb sollte vorab festlegen, wer wohin geht, wie die Veränderung und der Weg dorthin aussehen soll und welchen Wert sie am Ende für das Unternehmen hat. Dabei gilt es, zu mobilisieren, in den Austausch zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden zu kommen sowie Orientierung anhand von Zukunftsbildern zu geben. »Die Bilder können auch noch auf dem Weg scharf werden«, hob er hervor.
Funktionieren wird ein Wandel allerdings nur dann, wenn es eine Wir-Kultur gibt. Also Köpfe zusammenstecken und Erfahrungen austauschen. Zulassen sollten Betriebe auch, dass aus zunächst informellen Spuren einmal neue Wege werden können. Und klar sollte jedem sein: Je mehr Diversität herrscht, desto mehr Konflikte kommen auf. Daraus folgt zum einen: Ohne Spielregeln geht es nicht. Und zum anderen: Ohne Dialog keine Transformation.
Warum aber scheitern Transformationen so häufig? Laut Razavi erhalten Vorgesetzte erstens oft kein echtes Feedback. Er nennt das »Fifty Shades of Green« – jeder berichtet nur Positives, ganz nach dem Motto: alles im grünen Bereich. Zweites gibt es zu viel Powerpoint, ohne dass die Inhalte auch in die Umsetzung kommen. Drittens klonen sich Führungskräfte selbst anstatt Menschen mit neuen Impulsen in die Firma zu holen. Und viertens hat sich häufig keine wirkliche Unternehmenskultur etabliert.
Einen weiteren Hinderungsgrund für den Wandel sieht Razavi in den sogenannten »Hungry Beasts«. Gemeint ist das Alltagsgeschäft. Es bekomme zu viel Aufmerksamkeit, binde zu viele Ressourcen und Personal. Um die »Ugly Babies« dagegen kümmere sich niemand. Das sind die guten Impulse, die erst noch »schön gemacht werden müssen«. Dafür nehme sich aber keiner die Zeit, bedauerte er.
Am Schluss bleibt Transformation immer eine Frage der Haltung, ob Konflikte als Stolpersteine gelten oder als Aufforderung zur Verbesserung. Fest steht aber: »Von allein wird die Zukunft nicht besser.« Würden wir Wettbewerb und Kampf hinter uns lassen und stattdessen unsere Zukunftszellen verbinden, könnten wir viel erreichen, ist er überzeugt. Auf dem Weg dahin werde Schmerz nicht zu vermeiden sein, versprach er. Das Gute aber: »Wandel heißt auch Heilung«.